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Autor Thema: Kapitel 2: Morgensonne  (Gelesen 135446 mal)

Beschreibung: Die Geschichte geht weiter...

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Eretria

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1950 am: 02.06.2012, 14:59:17 »
Der Ausbruch von Mika, wenn man ihn tatsächlich so nennen konnte, traf Eretria nicht wirklich. Isabelles Fragen hingegen versuchte sie zu beantworten.
"Wir sind auf dem Spielfeld mit Männern aneinander geraten, die angeblich von meinem Schwiegervater gesendet worden sind. Sie verletzten Milan schwer und auch ich war dem Tode nahe. Nur mit Glück habe ich überlebt. Daher habe ich noch die Verletzungen. Wir haben uns danach über das weitere Vorgehen ziemlich gestritten. Am Ende sind wir zusammen zu einem Seher gegangen, der uns etwas über den Verbleib meines Verlobten gesagt hat, aber auch über Moandors Schwester. Daraufhin sind Moandor und Arue fortgegangen, um Moandors Schwester zu retten." Die Stimme der Frau war leiser geworden.
"Mika und ich können alleine nichts unternehmen, um Milan zu retten. Wir haben nur wenig Geld und Freunde haben wir hier auch keine. Wir sind Fremde in einer fremden Stadt. Also haben wir keine Chance, Milan zu retten. Aber wir können wenigstens dafür sorgen, dass Mika hier etwas Geld verdient. Deswegen sind wir hier." Die Frau nahm einen verzweifelten Unterton an.
" Unsere tatsächliche Aufgabe, die uns hierhin geführt hat, habe ich dabei noch gar nicht erwähnt. Tatsächlich halte ich uns auch hier für völlig hilflos. Wir haben erfahren, dass wir Gegner haben, die über alle Schritte von uns informiert sind und alle unsere  Schrecknisse hier wurden anscheinend von diesen Gegnern gelenkt. Dass einzige, was wir nicht wissen, ist, warum uns dieser Gegner nicht einfach vernichtet."
Der Blick der Frau war leer. Die Geweihte wirkte unglaublich ausgepumpt und vom Leben enttäuscht. "Ihr braucht nichts für mich tun. Mit etwas Ruhe werde ich wieder gesund werden."
« Letzte Änderung: 02.06.2012, 22:39:34 von Eretria »

Mika

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1951 am: 12.06.2012, 10:20:54 »
"Ich würde eher davon sprechen, dass wir etwas Geld verdienen." Sagte Mika, die immernoch ziemlich angefressen war, nachdem ihr Eretria unterstellt hatte, dass sie nur noch in der Stadt war, um bei dem Auftritt Geld zu verdienen. "Und vielleicht schaffen wir es, dass wir mit Arbeit genügend Geld zusammenkratzen können, um doch eine schlagkräftige Truppe zusammenzubekommen, um diesen Typen eine ordentliche Abreibung zu verpassen oder sie am besten für immer aus dem Weg zu räumen. Das Geld von Moandor wird uns dabei sicher helfen."
Dann schaute Mika zu Isabelle uns sagte ernst: " Wenn du uns Morgen helfen könntest, zu schauen, wo es Söldner gibt und wieviele wir mit unserem Geld rekrutieren können, dann wärest du für uns eine große Hilfe. Wir müssen wenigstens Milan wieder befreien. Was wir darüber hinaus bewegen können, müssen wir danach schauen. Es gibt auf jeden Fall viel zu tun. Denn es gibt dieser Tage viele, die auf großen Ärger aus sind. Auf ganz großen Ärger, um nicht von Krieg zu sprechen." Mika wollte nicht genauer auf das Ganze eingehen, aber die Bardin ein Stück weit auch warnen, damit sie auf sich aufpasst und in den nächsten Wochen nichts auf die leichte Schulter nimmt.
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Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1952 am: 12.06.2012, 23:58:02 »
Wenig damenhaft starrte Isabelle die beiden Frauen mit offenem Mund an. Als sie jedoch bemerkte, dass Mika ihre Erzählung beendet hatte, schloss sie ihren Mund wieder und schüttelte dann den Kopf. "Das ist unglaublich." Ihr Blick wanderte zu Eretria. "Und dein Schwiegervater hat diese Verbrecher geschickt?"

Wieder schüttelte sie den Kopf. "Es stimmt nicht, dass ihr keine Freunde habt, Eretria. Ihr habt mich als Freundin - wenn ihr wollt. Und ich wiederum habe eine Menge Freunde, und noch mehr Leute, die mir den einen oder anderen Gefallen schulden."

Sie lächelte - und zum ersten Mal hatte das sonst so liebliche Gesicht Isabelles leicht boshafte Züge. "Wir ziehen die Aufführung heute durch. Aber wir machen ein paar... Anpassungen. Mika, kennst du Aricathari?"

Als die junge Bardin Isabelle mit offensichtlichem Unwissen ansah, nickte sie nur kurz. "Das ist eine geheime Sprache der Barden. Ich kann sie dir beibringen, wenn du willst. Durch kleine Details, die man in Lieder oder in Schauspiel einfließen lässt, kann man kommunizieren. Und wir werden heute abend kommunizieren. Eretria, ihr braucht keine Söldner. Ich denke, ich habe etwas besseres für euch. Und deinen Milan holen wir zurück. Wenn es eins gibt, was ich noch mehr verabscheue als Krieg, dass ist es, wenn Liebende gegen ihren Willen getrennt werden."

Die junge Frau sprach mit echtem Feuereifer, und es war offensichtlich, dass sie jedes Wort genau so meinte, wie sie es sagte. Fest legte sie ihre Hände auf Eretrias Schultern und sah der Priesterin tief in die Augen. "Wir holen ihn zurück, das verspreche ich dir."
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Mika

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1953 am: 16.06.2012, 14:49:03 »
"Das wäre großartig." Sagte Mika, nachdem Isabelle ihre volle Unterstützung zugesagt hatte. Das waren wirklich gute Nachrichten, dass ihre Kollegin dazu bereit war, mit allem zu helfen, was ihr zur Verfügung stand. Und Isabelle wollte noch nicht einmal Geld für einen Dienst, der schwer mit Geld aufzuwiegen gewesen ist.
Nachdem Mika ihre Freude geäußert hatte, war sie drauf und dran etwas über den Vater von Milan zu sagen. Doch ihr erschien es dann doch besser, wenn dies Eretria sagen würde.
Deshalb wand sich die unerfahrene Baridn dem zu, was sie selbst anging: Aricathari beherrsche ich nicht. Habe ich noch nie etwas von gehört. Musste Mika zugeben und fragte sich, ob sie sich dafür jetzt schämen musste oder nicht.
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Eretria

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1954 am: 23.06.2012, 19:53:30 »
Eretria war über die Energie von Isabelle überrascht. Als die Frau sie dann auch noch in den Arm nahm, war es um die Selbstbeherrschung der Geweihten endgültig geschehen. Sie fing an zu weinen und bekam von dem kurzen Einwürfen von Mika wenig mit. Sie versuchte stattdessen gegen ihre Tränen anzukämpfen und die Fragen der anderen Bardin zu beantworten.
"Ich weiß nicht, ob Milans Vater diese Leute angeheuert hat. Eigentlich passt dies gar nicht zusammen. Er soll in eine ganz anderer Gegend sein und bräuchte schon ziemlich mächtige Unterstützung, um hier zu sein und ein Gespräch mit Milan zu führen." Eretria versuchte sich zu beruhigen, aber dies viel ihr sichtlich schwer. "Milans Vater ist ein Händler. Ein vielleicht sehr harter Mann, aber ich kann nicht glauben, dass er den Befehl geben würde, Milan zu ihm zu bringen und alle seine Begleiter zu töten, wenn sie dies nicht akzeptieren! Das wäre sinnlos! Irgendwie habe ich eine andere Vorstellung von ihm. Dies passt so wenig zu den Dingen, die Milan und meine zukünftige Schwiegermutter erzählt haben."
Plötzlich ließ die Geweihte die Bardin los und es war klar, dass erst jetzt der Frau klar geworden war, was Isabelle gesagt hatte. "Ihr wollt uns wirklich helfen? Ich ... ich ..." Ihr fehlten die Worte. Dann umarmte sie die Frau stürmisch. "Danke, Isabelle! Das ist das schönste, was ich bisher in diesem Ort gesagt bekommen habe, Danke!"

Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1955 am: 29.06.2012, 16:02:52 »
Lächelnd nickte Isabelle Mika zu. „Das überrascht mich nicht. Es ist die geheime Sprache der Künstler, und die meisten von uns verschweigen sie lieber auch anderen Künstlern, als zu riskieren, dass der falsche davon erfährt.“ Ihr Blick wanderte kurz zu Eretria. „Und du hast nichts hiervon gehört, da sind wir uns einig, ja?“
Dann sah sie wieder zu Mika. Ihre strahlenden Augen gaben den beiden Frauen etwas Hoffnung. „Ich bringe dir die Grundlagen bei, wenn wir gleich proben. Viel mehr wirst du nicht brauchen, denn Aricathari arbeitet sehr stark damit, den Kontext des Stücks oder des Lieds, das aufgeführt wird, zu nutzen. Eine Geste erhält eine vollkommen andere Bedeutung, wenn sie zu einem anderen Lied gezeigt wird, oder kann sogar komplett sinnlos werden. Übrigens die erste wichtige Lektion, wer ständig Ari-Gesten zeigt, die keinen Sinn machen, erklärt damit, dass er entweder dazu gezwungen wird oder jemand zuschaut, der die Sprache beherrscht, aber die eigentliche Botschaft nicht kennen darf.“

Dann wandte sie sich wieder an die junge Priesterin. „Wir werden es rausfinden, und wir finden auch deinen Verlobten. Unsere Leute sind über die ganze Stadt verteilt, und über jede andere. Es gibt gute und schlechte, mutige und feige, aber eines vereint sie: Wenn einer von uns um Hilfe ruft, stehen ihm die anderen bei. Das erfordert das Gesetz.“
Wieder sah sie zu Mika. „Falls dir vom Gesetz der Künstler noch niemand erzählt hat, hole ich das auch gleich nach. Es sind nur wenige, einfache Regeln, doch sie halten uns zusammen. Wer gegen das Gesetz verstößt, wird geächtet, und er wird niemals wieder die Unterstützung der anderen erfahren.“

Sie stand auf, und blickte zum Zeltausgang. „Mika, wir zwei werden heute noch eine Menge Arbeit vor uns haben. Lass uns gleich beginnen. Und Eretria, du kannst es dir hier gemütlich machen. Ruh dich auch. Du bist eine Priesterin, vielleicht hilft es dir, zu beten oder zu meditieren. Im Augenblick kannst du wenig tun, aber morgen… nun, ihr zwei werdet eine Armee anführen. Eine sehr ungewöhnliche Armee, aber eine Armee.“

Damit verließ sie das Zelt.

Die nächsten Stunden arbeitete Mika mit Isabelle und den anderen Schaustellern an der Aufführung. Das Stück erzählte die Geschichte von Josain, einem Bauersjungen, der sich in eine junge Fremde verliebte. Wie sich herausstellte, war die Fremde eine boshafte Göttin, die sich vorgenommen hatte, ihm das Herz zu stehlen, und ihn damit zu einem unsterblichen, aber gefühllosen Krieger ihrer Armee zu machen. Der Konflikt aus überwältigender Liebe und dem Kampf um seine Seele war das, was die Geschichte vorantrieb.
Die Rettung würde der Bauer durch eine junge Frau aus seinem Dorf finden, die schon seit vielen Jahren in ihn verliebt war – und die mit ihrem Mut letztlich das Herz des Jungen aus der Schatzkammer der Göttin befreite, und ihn so zu den Menschen zurück brachte.

Mikas Aufgabe war tatsächlich entscheidend, denn sie bestimmte mit ihrer Musik die anfängliche Stimmung jeder einzelnen Szene, und jeder wichtige Charakter wurde mit einer eigenen, zu ihm passenden Musik vorgestellt.

Als schließlich der große Auftritt statt fand, hatten sich weit mehr Leute auf dem Platz vor der Bühne versammelt, als Mika erwartet hatte. Nicht nur Dutzende, sondern Hunderte von Menschen saßen da, gebannt und neugierig, was sie erwarten würde. Die junge Bardin hatte mit ihrer Angst vor dem ersten Auftritt schwer zu kämpfen, doch irgendwie schaffte Isabelle es, sie so weit zu beruhigen, dass sie nicht vor lauter Panik davon rannte. Dennoch rechnete sie fest damit, zu scheitern.

Dann spielte sie die ersten Laute des ersten Liedes, und Josain betrat die Bühne. Mika schloss die Augen, versuchte, zu vergessen, dass Hunderte von Zuschauern zuhörten, und konzentrierte sich ganz und gar auf ihre Musik. Erinnerte sich an die Szenen, die sie eingeübt hatten, und daran, welche Gefühle die Lieder hervorrufen sollten.

Die Zeit verging. Lied um Lied spielte Mika, lauschte dem Applaus, den die Schauspieler bekamen, und irgendwann stellte sie fest, dass das letzte Lied an der Reihe war. Auch dies brachte sie hinter sich, und mit ihren letzten Noten fiel der Vorhang.

Einen Moment lang herrschte Stille. Erdrückende Stille. Hatte sie etwas falsch gemacht? Hatte sie mit ihren letzten Lauten nun doch alles verdorben? Doch dann brach der Jubel los. Die Leute applaudierten, jubelten und klatschten, und bevor sich Mika versah, wurde sie von Isabelle an der Hand gefasst und mit auf die Bühne gezogen. Sie verbeugte sich, weil es alle anderen auch taten, versuchte dann, schnell wieder von der Bühne zu entkommen, doch ein anderer Schausteller schob sie gleich wieder zurück.

Dann geschah das, wovor sie sich am meisten gefürchtet hatte. Die anderen aus der Künstlertruppe zogen sich zurück, und Mika stand im Mittelpunkt, ganz alleine. Und das Publikum applaudierte.

Für sie.
« Letzte Änderung: 29.06.2012, 16:05:41 von Sternenblut »
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Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1956 am: 29.06.2012, 22:15:32 »
Am Abend feierten die Schausteller den Erfolg des Stücks zusammen mit Eretria und Mika. Es gab Wein, Bier und jede Menge zu Essen – und Mikas Anteil an dem, was die Zuschauer gegeben hatten. Ein Beutel wurde der Bardin überreicht, und darin verbargen sich fünfzehn Goldmünzen und drei Silbermünzen.

Isabelle gesellte sich zu den beiden. „Jetzt heißt es abwarten“, erklärte sie. „Die Nachricht macht die Runde, und morgen früh werden wir Besuch bekommen. Heute feiern wir. Du warst gut, Mika, richtig gut. Ich danke dir, dass du uns geholfen hast.“[1]

Die Feier ging noch lange weiter, und Isabelle lud die beiden Frauen ein, in einem Gästezelt zu übernachten. Selbst als sie schlafen gingen, feierten die anderen noch lange weiter.

Am nächsten Morgen schien die Sonne. Es war ein angenehmer Tag, warm, aber nicht zu heiß. Isabelle, die am Tag davor genug getrunken hatte, um einen starken Mann ins Koma zu befördern, begrüßte Mika und Eretria völlig erfrischt. Nur ein ganz leichter Schatten unter ihren Augen verriet, dass die Nacht nicht ganz so erholsam gewesen war.

„Kommt, ihr beiden, ich hatte doch gesagt, dass wir heute Besuch bekommen. Der erste ist schon auf dem Weg hierher.“

Sie führte die beiden wieder in ihr Zelt, und es dauerte nur wenige Minuten, bis die Zeltplane zur Seite geschoben wurde und jemand herein kam.

„Das ist Linnard“, erklärte Isabelle. Der Mann war klein, etwa genau so groß wie Eretria. Er hatte schütteres blondes Haar, kurz geschnitten, doch seine Augenbrauen waren so dicht, dass sie zusammen gewachsen waren. Er trug schwarze Lederkleidung, die allerdings nicht so aussah, als wäre sie besonders teuer gewesen, und dazu passende Stiefel. Alles an diesem Mann vermittelte eine deutliche Botschaft: Ich bin nichts besonderes. Durchschnitt, vielleicht ein wenig darunter. Nicht gefährlich, nicht besonders kräftig, nicht besonders klug.

Nur das Lächeln, dieses tiefsinnige Lächeln, das er im Gesicht trug, sprach eine andere Sprache.

Linnard deutete eine Verbeugung an, dann hielt er einige zusammengerollte Papiere hoch, die er in der linken Hand trug. „Wie ich hörte, meine Damen, suchen Sie einen gewissen Milan Tirkesson. Und mit größtem Vergnügen darf ich Ihnen gute Nachrichten vortragen. Zunächst einmal das Wichtigste, wir können davon ausgehen, dass er noch am Leben ist. Nun zu den Details.“

Er räusperte sich, kniete sich dann auf den Boden und rollte die Papiere aus. Sie zeigten ein Tunnelsystem, weit verzweigt und außerordentlich kompliziert.
„In einer Stadt wie dieser gibt es zahlreiche Mücken. Plagegeister, die sich vom Blut anderer ernähren, und die schwer zu erwischen sind. Doch wenn man sich mit ihnen beschäftigt, lernt man schnell, an welchen Orten sie sich verstecken, wann man sie aufschreckt, und wie man sich an sie heranschleichen kann… um sie zu zerquetschen.“

Ohne aufzusehen, deutete Linnard auf eine Stelle auf der Karte, die mit einem Kreis gekennzeichnet war. „Unter der Stadt gibt es ein altes Tunnelsystem. Dort ist es dunkel und nass - die Mücken halten sich mit Vorliebe dort auf. Eine dieser Mücken hört auf den Namen Karak. Ein besonders schäbiges Exemplar, aber leider auch besonders gefährlich. So weit ich weiß, nimmt er nicht nur jeden Auftrag an, er erledigt ihn auch, ausnahmslos. Allerdings“, nun sah Linnard auf und lächelte die beiden Frauen vor ihm an, „hat er es bisher auch tunlichst vermieden, sich mit uns Schaustellern anzulegen.“

Dann wandte er sich wieder zur Karte. „Dies ist ein Eingang in das Tunnelsystem, nicht weit von dort, wo Karak sein Lager hat. Würdet ihr jedoch einfach so hereingehen, würdet ihr nicht weit kommen. Abgesehen von den zahllosen Fallen, gibt es dort die Schatten – Männer und Frauen, die darauf spezialisiert sind, Orte in der Dunkelheit zu bewachen. Ihr bemerkt sie nicht, und auf einmal seid ihr tot.“

„Karak wurde gesehen, wie er über einen dunklen Boten einen Auftrag angenommen hat.“ Er sah kurz auf. „Dunkle Boten ist ein überaus poetischer Begriff für Jungen und Mädchen, die sich einen Namen in der Unterwelt machen wollen, indem sie zuverlässig Informationen über Aufträge von einem zum anderen bringen. So müssen die eigentlichen Geschäftspartner nicht miteinander in Kontakt treten, und niemand würde ein Kind mit einem Raub, einer Entführung oder einem Mord in Verbindung bringen.“

„Karak sammelt seine Botschaften, und schickt sie alle drei Tage raus. Und an diesen Tagen erhält er auch neue Aufträge. So weiß niemand, welcher Bote zu welchem Auftrag gehört. Allerdings, da er gestern erst seinen Botentag hatte, bedeutet das, dass seine Auftraggeber erst in zwei Tagen davon erfahren, dass sein Hinterhalt erfolgreich war. Besteht ein Auftraggeber darauf, es schneller zu erfahren, lehnt er jede weitere Verantwortung ab, falls etwas schief geht. Deshalb akzeptieren die meisten diese Bedingung. Wer auch immer Milan also entführen ließ, hat noch keine Nachricht über seinen Verbleib. Euer Gefährte ist in Gefangenschaft, aber ansonsten dürfte es ihm gut gehen.“

Linnard stand auf, und strich über seine Hose, als wäre sie staubig geworden. „Nun, werte Damen, dies war mein kleiner Anteil an diesem Stück. So mein Auftritt euren Gefallen gefunden hat, erfreut mein Herz mit Applaus. Sodann werde ich die Bühne räumen für jene, die mir nachfolgen, auf dass auch ihnen das Wertvollste zuteil werden möge – eure Achtung und eure Freude.“

Galant verbeugte sich der Mann, und blieb in dieser Position verharren, als würde er auf etwas warten.
 1. Mika erhält 15 Goldmünzen und drei Silbermünzen, außerdem als Bonus die Künstler-Sprache Aricathari.
« Letzte Änderung: 29.06.2012, 22:21:23 von Sternenblut »
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Eretria

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1957 am: 30.06.2012, 14:19:07 »
Dass Eretria den restlichen Tag ungeduldig verbrachte, war eine geringe Untertreibung. Sie fühlte sich hilflos und auch in einem gehörigen Maße nutzlos. Alles was geschah, war nicht von ihr abhängig, sondern von anderen. Auch, wenn sie Isabelle vertraute, war dies nicht etwas, was ihr leicht viel.
Die Zeit bis zur Aufführung des Stückes verging quälend langsam und allein das Gebet an Mutter Sonne und die Zwei Monde verhinderte, dass die Geweihte verzweifelte. Schließlich erlebte sie die Aufführung und sie entdeckte, dass Mika tatsächlich viel besser in ihrem Tun war, als die junge Bardin selbst immer geglaubt hatte. Die Geweihte gehörte zu denjenigen, die am stürmischen applaudierten. Sie hatte etwas erlebt, mit dem sie nie und nimmer gerechnet hatte. Mika war in ihren Augen eine wahre Meisterin ihres Fachs. Die abschließenden Feierlichkeiten verließ die Geweihte als eine der Ersten. Für sie gab es wenig zu Feiern, sondern viel zu Fürchten. Sie zog sich früh zu Gebeten an die Zwei Monde zurück.
Als am nächsten Morgen ihre Freundin Isabelle, sie weckte, machte auch Eretria einen nicht sehr erholten Eindruck. Aber anders als bei Isabelle lag dies nicht an den Feiern, sondern an den Sorgen, die sie hatte. Die Unruhe war der jungen Frau leicht anzumerken, als sich der erste Besucher ankündigte.
Eretria verfolgte den Auftritt von Linnard mit großem Interesse. Sie glaubte verstanden zu haben, dass die Schauspieler und Spielleute irgendwie ein großes Stück aufführten, auch wenn sie Informationen weitergaben. Diese geheime Sprache aus Gesten und versteckten Zeichen schien dies nur zu bestätigen. Sie verfolgte die Gesten auf der Karte und versuchte zu verstehen, was sie erfuhren. Als der Mann geendet hatte, klatschte Eretria in die Hände und neigte den Kopf vor dem Mann:
"Ich danke Euch für diese wichtigen Informationen. Sie haben mir wahrlich gefallen und ich werde eure Künste  nicht vergessen, haben sie doch mein Herz angerührt."

Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1958 am: 02.07.2012, 13:29:25 »
Mit einem freudigen Lächeln erhob sich Linnard wieder. "Dies ist der größte Lohn, den ein Künstler erhalten kann. Habt Dank, und gut Glück auf euren Wegen!"

Dann wirbelte er herum und verließ in einer dramatischen Geste das Zelt. Als er draußen war, kicherte Isabelle. "Es tut mir leid. Linnard ist ein herzensguter Kerl, aber er liebt das Drama."

Noch immer lächelnd, deutete sie auf die Karten. "Die solltet ihr an euch nehmen. Unser nächstes Treffen findet genau dort statt, wo wir uns das erste Mal begegnet sind - am Zelt der Narashi. Dort gehen regelmäßig Leute hin, wir waren auch schon dort, also wird niemand Verdacht schöpfen, wenn wir dort sind und uns mit ein paar Leuten unterhalten. Wir treffen uns mit den Canlari-Geschwistern. Sie werden sowas wie... eure Generäle sein. Die Begrüßung überlasst ihr mir, aber sobald sie euch kennengelernt haben, liegt alles weitere in euren Händen. Das wird der Moment sein, an dem ihr zwei die Führung übernehmt."

Sie sah Eretria und Mika forschend an. "Seid ihr bereit?"
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Mika

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1959 am: 06.07.2012, 16:00:06 »
Bis zum Abend hatte Mika Glück, denn bis zum Abend, und damit bis zum Auftritt, war Mika so gut abgelenkt, dass sie keine Zeit fand sich Sorgen zu machen oder vor irgendwas zu fürchten. Die Furcht kam erst auf der Bühne, als sie vor viel zu vielen Menschen saß und von allen beäugt wurde. Dass die Leute auch ihre Kollegen anstarten, war nur ein schwacher Trost.
Um möglichst wenig von ihrer Umgebung mitzubekommen, behielt die Lautenspielerin die Augen auf ihre Kollegen gerichtet, die ihr immer wieder Hinweise gaben und eine perfekte Ablenkung darstellten, denn solange sich Mika auf das konzentrierte, was auf der Bühne geschah, bekam sie kaum mit, was sich davor abspielte. Nur einmal wurde ihr gewahr, wie die Leute auf den Auftritt reagiert hatten, und zwar dann, als sie auf einmal allein auf der Bühne stand.
Als ihr alle Leute zujubelten, wurde Mika wirklich ganz anders zumute. Was sie dann noch hinbekam, war ein kurzes Winken, um nicht umhöflich zu sein, bevor sie von der Bühne türmte.

Später am Abend ließ sich Mika gut unterhalten, weil sie an diesem Abend sowieso nichts mehr ausrichten konnte. Und Sorgen machen, brachte noch weniger. Diesem Sinne folgend, versuchte die Bardin auch ihre Freundin Eretria ein wenig abzulenken und zum längeren Verbleib zu überreden - leider ohne Erfolg.
Gut angeheitert, aber nicht vollkommen abgefüllt, verkroch sich Mika relativ spät unter ihre Decke für die Nacht. Sie war aber definitiv nicht die Letzte, die ging, denn sie vergaß zu keinem Zeitpunkt, dass es wichtig war, dass sie am Morgen fit sein muss.

Halberwegs fit erhob sich Mika am nächsten Morgen, als Isabelle sie weckte und machte sich dann für den Tag bereit, bevor Linnard kam. Dem Mann, in dem weit mehr zu stecken schien, als der erste Eindruck verriet.
Die Bardin lauschte dem Mann und passte gut auf, zumindest so gut, wie es ihr vor wenigen Minuten geweckter Geist zuließ. Auch sie applaudierte Linnard, auch dann, nachdem er das Zelt verlassen hat.
"Macht mal mit, vielleicht gibt es eine Zugabe." Forderte sie die beiden Frauen an ihrer Seite auf und zeigte deutlich aufsteigende Form.
Als klar war, dass es keine Zugabe geben würde und Isabelle fragte, ob Eretria und sie bereit wären, antwortet Mika: "Noch zwei Minuten. Dann gähnte sie ausgiebig.

Kurz darauf war Mika bereit, nachdem sie in aller Eile ihre sachen zusammengekratzt hatte.
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Sternenblut

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« Antwort #1960 am: 08.07.2012, 12:51:17 »
Isabelle lächelte, als Mika sie zu weiterem Applaus aufforderte. "Unter normalen Umständen hättest du wahrscheinlich sogar Recht, Mika. Aber das hier ist zu wichtig, als dass Linnard riskieren würde, dass uns Informationen fehlen."

Als die beiden Frauen dann bereit waren, führte Isabelle sie zurück zum Zelt der Narashi. Auf dem Weg dorthin verging kaum eine Minute, in der Isabelle nicht irgendwen grüßte - sie schien außerordentlich viele Leute zu kennen, und scheinbar war niemand darunter, der sie nicht auch leiden konnte.

Schließlich erreichten sie ihr Ziel. Vor dem Zelt hatte sich bereits eine kleine Gruppe von Leuten versammelt - rund fünfzehn Männer und Frauen, wobei eine Gruppe von sechs Elfen etwas abseits stand und sich unterhielt.

"Isabelle!" rief jemand, ein gut aussehender junger Mann von vielleicht fünfundzwanzig Jahren. Er hatte mittellanges, blondes Haar, das ihm in Strähnen ins Gesicht fiel, und trug eine hellbraune Wildleder-Weste über einem weißen Leinenhemd. Freudig umarmte er Isabelle. "Es tut gut, dich zu sehen. Wie lange ist es her, ein halbes Jahr? Ich hörte, du hattest gestern einen erfolgreichen Auftritt!" Er wandte sich kurz ab, und sah zu Mika und Eretria. "Wer sind deine reizenden Begleiterinnen?"

"Vier Monate", erwiderte Isabelle, die sich sichtlich über die Begegnung freute. "Das sind Mika und Eretria. Mika hier hat unseren Auftritt übrigens erst möglich gemacht. Sie hat die Laute gespielt. Und sie war großartig. Die Leute lieben sie."

Sie warf Mika ein Lächeln zu, das ihre ehrliche Dankbarkeit zeigte. "Und das hier ist Vigor Canlari, seines Zeichens reisender Minnesänger, der zu den edelsten Höfen in aller Welt geladen wird."
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Mika

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« Antwort #1961 am: 10.07.2012, 10:13:03 »
Eretria schien der Auftritt von Linnard gut getan zu haben und nun, als die drei Damen durch die Stadt liefen, dachte Mika, müsste ihre Freundin noch mehr Mut finden. Denn die Zahl der Leute, die Isabelle kannte, war offenbar riesig und dies ließ verheißen, dass wirklich einige Helfer für die heutige Mission bereitstanden. Damit sollte Milan doch zu retten sein. 
Doch als die Gruppe auf Vigor traf, war von der hoffnungsvollen Stimmung bei Mika nicht mehr viel übrig. Denn die Bardin war des Lobes wegen ziemlich verlegen und dieser Zustand besserte sich nicht, als Mika erfuhr, dass sie vor jemanden gelobt wurde, der offenbar einige Ligen über ihr spielte.
Mika war sich nicht sicher, ob sie den Erwartungen gerecht werden könnte, die für sie gesäet wurden.
"Hallo." Sagte Mika zu Vigor und lächelte verlegen. Dann wusste sie auch nicht so recht weiter.
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Milan

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1962 am: 11.07.2012, 16:39:01 »
Milan rutschte in seinem Gefängnis ein wenig umher, um einerseits das Mädchen noch besser und genauer sehen zu können – seine Augen waren noch benommener als seine Zunge – und andererseits, um nicht zu laut sprechen zu müssen. Wenn Sil erst eine Stunde hier war und niemand seitdem hier gewesen war, dann musste es eine andere Art der Kommunikation geben. Oder aber das Mädchen erinnerte sich gar nicht richtig. Hatte sie jedes Zeitgefühl verloren? Er versuchte sich an einen Karak zu erinnern, aber die Kopfschmerzen drängten sich daraufhin sofort wieder in den Vordergrund.

"Deine Nana tsu thermissen, isd ganth nornal." Die Frage war wohl nur, ob sie ihre Mutter wirklich vermisste oder ob diesem leblosen Körper dies eingetrichtert werden sollte. Und die nächste Frage war doch, wieso dieser Mann das mit dem kleinen Mädchen veranstaltete und was er jetzt mit ihr vorhatte. Und was er auch mit ihm vorhatte. Erneut begann er zu rekonstruieren, was geschehen war. Was war nur mit Eretria passiert und mit Mika und Arue und Morandor? Und waren diese Männer wirklich im Auftrag seines Vaters gekommen? Wenn ja, was war aus seinem Vater geworden? Einerseits lähmten ihn all diese Sorgen, andererseits machten sie ihn rasend. Wenn er nur bei klarerem Verstand gewesen wäre. Weil er nicht mehr wusste, was er mit dem Mädchen besprechen sollte – und weil er sich noch dazu nicht sicher war, ob sie die Wahrheit erzählte –, begann er, sich umzusehen und versuchte dabei, seine Augen auf bestimmte Punkte zu lenken und gegen die Benommenheit anzukämpfen.[1]
 1. 10 bzw. sogar 20 auf Entdecken nehmen, falls es Milans Zeit erlaubt und nichts dazwischen kommt
Wenn der Glaube vorhanden ist, kann man selbst einen Heringskopf anbeten.

Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1963 am: 13.07.2012, 22:38:57 »
Die Kleine sah Milan an, und schien über seine Worte nachzudenken. "Ich würde es gern fühlen", erklärte sie. "Das hat er mir weg genommen."

Wie ein weit entferntes Echo meinte Milan, eine leichte Verzweiflung in ihrer Stimme wahrzunehmen - oder bildete er sich nur ein?

Er kam nicht dazu, das Gespräch fortzusetzen. Ein gutes Stück entfernt, den Gang hinunter, hörte er jemanden aufbrüllen. Die Stimme kam ihm entfernt bekannt vor - vermutlich einer der Männer, die ihn und seine Gefährten überfallen hatten.

"Was zur dreischwänzigen Katze ist das?" schrie er.

Die Antwort war nicht so furchterregend, wie man nach diesem Ausruf vielleicht vermutet hätte. Es kam kein monströses Gebrüll oder ähnliches - eher eine freundliche, wenn auch etwas nervös klingende Stimme. Dennoch erschrak Milan. Die Stimme seines vermeintlichen Aufpassers war bestimmt dreißig Schritt von ihm entfernt, und hätte der Mann nicht so gebrüllt, hätte Milan ihn vermutlich gar nicht gehört. Die Antwort aber klang, als würde jemand direkt neben ihm stehen.

"Oh, entschuldigt, verzeihung, ich habe nicht damit gerechnet, dass jemand hier ist. Keine Angst, ich komme in friedlicher Absicht. Ich suche nur jemanden, ein menschliches Mädchen, ihr Name ist Sil. Ihr habt sie nicht zufällig gesehen?"

"Es spricht!" war die einzige, entsetzte Reaktion des Mannes. Erst nach einem Moment dann: "Was bist du? Und wie bist du hierher gekommen?"

"Oh, ich... bin leider nicht befugt, das zu sagen. Nun, ich habe wenig Zeit. Eurem Profil nach zu schließen, sprecht Ihr auf Münzen an, richtig? Viele Münzen aus beliebten Metallen, Gold zum Beispiel."

"Ich werd keine verdammten Münzen von dir nehmen! Hau ab, was auch immer du bist, oder ich..." Der Mann schien nach den richtigen Worten zu suchen. "...mach dich kaputt!"

Danach herrschte einige Sekunden Schweigen. Schließlich ertönte wieder die fremde Stimme. Die Drohungen des Mannes schienen den Neuankömmling - was auch immer er war - nicht sonderlich einzuschüchtern. "Also gut, hören Sie, ich werde jetzt einfach diesen Gang da..."

"Ich lass dich hier nicht durch!"

"Gut, ich weiß ohnehin nicht, welche Richtung die richtige ist. Also gehe ich den Gang in diese Richtung runter, ja? Ich suche einfach selbst weiter, ist schon gut."

"Verdammt, warte mal, du hast gesagt, du suchst die Kleine! Ich mach dich platt!"

Das nächste, was Milan hörte, war ein lautes Summen, dann spürte er, wie sich alle seine Körperhaare aufstellten. Im nächsten Moment war der Raum erfüllt von einem gleißend hellen Licht, und er wurde von einer unsichtbaren Kraft von den Füßen gerissen. Bevor er die Besinnung verlor, hörte er noch einmal die Stimme.

"Komplikationen, immer Komplikationen. Ach Meister, wärst du doch nur in der Nähe. Das ist alles viel zu viel für mich."

Die Worte verblassten in seinem Geist, als alles Schwarz wurde...


Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. In jedem Fall war seine Zunge nicht mehr angeschwollen. Hatte er wirklich erlebt, woran er sich erinnerte, oder hatte er geträumt?

Vorsichtig richtete er sich auf. Die Stäbe, die sein Gefängnis absicherten, waren noch immer an Ort und Stelle - aber sie sahen verbrannt aus, als würden sie bei der ersten Berührung zerfallen.

Sil lag gleich neben ihm auf dem Boden. Sie hatte die Kraft, die den Raum erfüllt hatte, offenbar auch erwischt. Im Gegensatz zu ihm war sie noch bewusstlos. Ansonsten war niemand in der Nähe - zumindest niemand, den Milan hören oder sehen konnte.
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Sternenblut

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Kapitel 2: Morgensonne
« Antwort #1964 am: 14.07.2012, 09:31:27 »
Vigor nickte Mika, und auch Eretria, lächelnd zu. "Freut mich, euch kennenzulernen. Was haltet ihr davon, wenn wir uns ein wenig zusammensetzen? Ich würde gern mit Isabelle Geschichten austauschen, und über die Begleitung solch zauberhafter Damen würde ich mich nur umso mehr freuen. Ein Freund von mir hat ganz in der Nähe ein Gastzelt, da können wir... in aller Ruhe reden."

Das Schauspiel, das der Mann zeigte, war perfekt: Jeder Außenstehende musste vermuten, dass es ihm um das Gespräch mit einer alten Freundin ging.

Währenddessen bemerkte Mika einen jungen Mann, der wenige Meter entfernt an ihnen vorbei den Weg entlang lief. Er war offenbar damit beschäftigt, ein Stück einzuüben, und machte dabei einige dramatisch wirkende Gesten. Gesten, wie Mika sofort erkannte, die mit der Künstlersprache ausgeschmückt waren. Auch Isabelle und Vigor bemerkten ihn, und was er mitteilte war, dass einer von Karaks Männern den Weg entlang lief - wohl eher zufällig auf dem Weg zu einer Kneipe.

In dem Moment wurde die Plane vom Zelt der Narashi zurückgeschlagen, und alle Umstehenden wandten sich Elvaril zu. Die mächtige Gestalt des Löwenmannes überragte alle Anwesenden. Kurz sah er sich um, und nickte dann Eretria und Mika zu. "Ihr seid da, gut. Wir haben bereits alles vorbereitet, kommt herein." Der Narashi meinte wohl das Ritual für Arue, über das sie noch am Tag zuvor gesprochen hatten.

Bevor Mika und Eretria etwas sagen konnten, reagierte Isabelle. "Vigor, das müssen wir in jedem Fall machen. Aber zuerst haben wir hier noch etwas zu erledigen. Ich nehme an, du meinst Charols Zelt, richtig? Wir sehen uns dort in einer Stunde."

Vigor nickte. "Wunderbar. Mein Besuch bei den Narashi eilt nicht, das hole ich einfach heute abend nach."
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

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