Varais nickte. "Zuerst fand ein Anschlag auf einen einfachen Wachmann statt. Der Arme hatte Nachtdienst vor dem Amt für bäuerliche Belange. Das ist jetzt... etwas mehr als zwei Wochen her. Der Angreifer kam von hinten angeschlichen und wollte ihm die Kehle durchschneiden, aber der Wachmann konnte ihn abwehren. Der Mann ist dann wohl panisch geflohen. So wie der Wachmann mir erzählte, war der Angriff stümperhaft. Ich vermute, es war ein... Test. Ein Versuch, ob der Mörder es hinbekommt."
Er nahm einen Schluck aus seinem Glas, und lehnte sich in seinem Sessel zurück. "Zwei Tage später dann Mirok Targelax. Er ist ein bekannter Vermittler von Arbeitern. Ein Bauer, der auf einmal auf seinem Feld erhöhten Bedarf an Arbeitskräften hat, kann sich genauso an ihn wenden wie ein Schmied, der viele Waren zu transportieren hat. Er ist jetzt nicht gerade der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Großen Feste, aber sein Ableben würde schon einiges durcheinander bringen. Der Mörder ist mit viel Krach und Lärm bei ihm eingebrochen, und mit einem Schwert auf ihn los gegangen. Mirok ist im Nachthemd durch die Straßen geflüchtet und hat um Hilfe geschrien. Das hat den Mörder dann selbst fliehen lassen."
Varais sah Lémar an, und man konnte sehen, wie seine Zähne aufeinander rieben. "Dann kam ich, vor genau sieben Tagen. Wie ihr sicher wisst, kümmere ich mich um die Lebensmittelverwaltung der Stadt. Kornvorräte, voraussichtliche Ernteerträge, solche Dinge. Meine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung immer genug Nahrung hat, selbst wenn die Bauern mit ihren Ernten Probleme haben. Mein Vorgänger ist vor einem Jahr verstorben, und auch, wenn ich gerade jemanden anlerne, gibt es im Moment niemanden in der Stadt, der meine Position auf die Schnelle ersetzen könnte."
Es war offensichtlich, dass Varais auf eine bestimmte Schlussfolgerung hinaus wollte. "Er sucht sich Leute, deren Ableben in dieser Stadt zu ernsthaften Problemen führen. So war es dann auch bei Offizier Shazanis, ein persönlicher Vertrauer von Livius, der einen großen Einfluss auf den Rat hatte - was gerade jetzt wichtig ist, wo Livius nicht in der Stadt ist. Vor fünf Tagen hat der Mörder ihn erwischt. Shazanis war gerade auf dem Weg nach Hause, als er von einem Pfeil erwischt wurde - von hinten, mitten durch den Hals. Er hatte keine Chance. Soweit ich gehört habe, war der Pfeil sogar vergiftet. Der Mörder geht kein Risiko mehr ein."
Die Hand, die das Glas umfasste, zitterte leicht, und Varais starrte geradeaus auf die Wand. Es war offensichtlich, dass ihn das Thema stark mitnahm. "Der Hohe Richter Magrarsson war für bürgerliche Streitfälle zuständig. Er war über siebzig Jahre alt und hätte vermutlich sowieso nicht mehr lange gelebt. Einer der gutherzigsten Menschen, die diese Stadt hatte, und er konnte selbst die größten Streithähne wieder zusammenbringen. Manche sagen, er war die Seele des Gesetzes in dieser Stadt. Der Mörder hat ihm direkt vor seiner Haustür aufgelauert, und..."
Er atmete tief durch, und seine Hand zitterte nun so sehr, dass das Getränk in seinem Glas hin- und herschwappte. "Er hat ihm mit einer Axt den Kopf abgeschlagen."