Obschon mehr Vier- als Zweibeiner, spürt Gortak den Sieg bereits, bevor der mit Xarg ringende Federschrecken krähend zum Rückzug bläst. Mehr stolpernd als rennend entflieht er den hinter seinen Fesseln zuschnappenden Zangen. Bei jedem Schritt spritzt Blut auf die zarten Knospen, die sich an den Spitzen der Halme aufreihen. Fast fällt er, hält sich aber wider Erwarten aufrecht. Sein Artgenosse tut es ihm gleich, fährt herum und läuft mit langen Schritten fort.
Ihre Flucht ist sinnlos. Gortak spürt, riecht, sieht, dass es einen von ihnen in den nächsten Tagen dahinraffen wird. Dann wird er bloß noch ein Berg gefiederten Fleischs sein, rot und fett glänzend, Beute für das Rudel. Fast kann er spüren, wie sich seine Fänge hineingraben und sich an der Fülle laben, wie sich warmes Blut in seinem Maul mit seinem Speichel mischt und er kämpfen muss, um es dem Kadaver zu entreißen.
Halb spürt er, wie es ihn tiefer herabzieht in die von Sirenen bevölkerten Niederungen einer animalischen Existenz. Das nach den Vögeln tastende Licht erschreckt ihn ebenso wie sie. Ein Beben fährt durch seine Flanke. Automatisch lässt er die Zunge heraushängen, als sein Herz heftiger zu schlagen und Wärme durch seinen Körper zu treiben beginnt. Unruhe beginnt, störende Gedanken fortzuspülen.
Die zurückgebliebene Beute versucht weiterhin sich fort zu schleppen, seinen in der Ferne entschwindenden Vettern hinterher. Es zieht ihn in das feste Gefüge des Rudels, genau dem, was dem Schakal gerade am meisten fehlt. Seine Nase fördert keine vertrauten Gerüche zu Tage. Xarg riecht nach seiner Umgebung, hebt sich also nicht ab. Bei weitem am verlockendsten liegt der Duft von frisch vergossenem Blut in der Luft, würdiger noch als der Odor von Artgenossen. Er zieht ihn geradezu magisch an.
Vurna hat derweil andere Sorgen. Sie muss erkennen, dass sie erstens Hilfe benötigt, um in der Fremde auf Dauer überleben zu können, zweitens in der Steppe offenbar nicht zur beherrschenden Spezies gehört und drittens mit ihrer Gabe des Gestaltwandels nicht allein ist. Leistungen, wie ihr soeben vorgeführt wurden, hat kaum jemand aus ihrem Volk bei Zweibeinern erwartet, insbesondere nicht an schwachen Männchen, die eigentlich nur zum Fortpflanzen und Verspeisen geeignet sind. Nicht einmal die Würde des Alters adelt Gortak.
Sie spürt die animalische Wildheit, die in ihm lodert, fern von der Ruhe eines erfahrungsreichen Lebens. Er sieht sie an, als wäre sie bestenfalls ein Fressfeind. Was er denkt ist ohnehin nicht feststellbar, weder mit noch ohne Fell. Umso beunruhigender wirkt sein tierisches Gebaren. Wer weiß, ob sie tatsächlich sicher ist. Sollte er sie in diesem Moment anfallen, erläge sie ihm wahrscheinlich schnell, und sei es nur aufgrund seines gepanzerten Freunds, der die Vögel förmlich in Scheiben schnitt.
Glücklicherweise zeigt er keine derartigen Anstalten, sondern läuft schnüffelnd zum sterbenden Vogel, der einige Schritt entfernt seine letzten Atemzüge tut. Seine Leibesfülle kann sich mit einer ausgewachsenen Waldbestie
[1] messen, sodass er gut daran tut, außer Reichweite des Schnabels zu bleiben. Ein reichhaltigeres Mahl wurde ihr nie geboten, nicht einmal im Umfeld ihrer weisen Meisterin. Selbst nach Beteiligung des Zweibeiners und seiner Monstrosität gäbe es noch genug für sie. Aranea benötigen nicht viel, um zu überleben. Vielleicht ein Erbe ihrer Vergangenheit, ebenso wie ihr immanentes Gefühl für Magie.
Die Energien, über die sie gebot, verflüchtigen sich mit einem sanften, leicht unangenehmen Ziehen. Sie fühlt sich danach etwas erschöpft, ein gewohntes Gefühl, das stets nach exzessiver Zauberei eintritt. Es mag ihr leicht fallen, Spruch um Spruch zu weben, doch zehrt es an ihren Kraftreserven, als würde sie sich ein Nest herrichten.
Geholfen hat es trotz ihrer Ungenauigkeit genug. Ohne ihre Zauberei wäre es Xarg gewiss schwerer gefallen, ihre Beute zu erlegen. Deren Klagen erstirbt im Morgengrauen.