Feuer.
Sie will zum Feuer. Als Schlange hört sie wenig, doch ist die Wärme und das Licht für das, was sie ersonnen hat, Grund genug, zu den flackernden Flammen zu schlängeln. Sie spürt die Hitze immer mehr, wie sich ihre Schuppen aufwärmen und ihr Innerstes immer wacher wird, je mehr Atem- und Herzschläge vergehen. Ihre blauen Augen mit den geschlitzten Pupillen in der kleinen Gestalt zeichnen das Feuer als hellen, fast sonnengleichen Ort ab, und so, bedacht, das Feuer zwischen sich selbst und der Menschenmasse weiter weg zu haben, schlängelt sie dahinter. Ein Atemzug... ein weiterer noch, dann spürt sie, wie ihre Schuppen anfangen zu brennen. Wie sich ihre Wahrnehmung aufzulösen droht, zerfasernd wie ihr Äußeres. Dann gibt es einen Schmerz, als sie wieder zu wachsen beginnt, keinen großen, aber einen spürbaren. Sie wird länger und keine zwei Augenblicke später liegt sie langgesteckt auf dem Boden, tief durchatmend. Jetzt, da sie wieder hören kann, sind in den ersten Augenblicken alle Dinge unnatürlich laut. Sie hört das Gekeife der Anwesenden und sogar das ein oder andere Wort eines Soldaten. Es lohne sich nicht, sagt der eine, die Nomaden zu überfallen. Ein anderer fürchtet einen Angriff jener. Wieder ein anderer sagt nichts, doch erkennt Feyra selbst über diese Entfernung den missmutigen Blick, spürt die Verunsicherung im Gehabe, im Verhalten, in der gesamten Stimmung der Männer, die geschickt wurden, um zwei Aussätzige zu fangen. Zwei Deserteure, für dessen Leben sie scheinbar das ihre im Notfall geben sollen. Von Begeisterung kann dabei keine Spur sein.
So richtet sie sich zu voller Größe auf, der Umhang sich im Wind bauschend, das rote Haar leuchtend in Feuerschein und in der Sonne, die Augen über die Entfernung wie zwei helle Höhlen wirkend. Das Hin- und Her nervt sie. Nein... es bringt sie mit der Zeit in Rage. Waren diese Männer ihrer Manneskraft beraubt, oder warum verhandeln sie stundenlang einen Tatbestand, den keine Partei gewillt ist, einzuräumen? Haben sie nicht den Schneid, sich das zu nehmen, was ihnen rechtmäßig gehört? Haben die Nomaden nicht die Macht, diese Handvoll Soldaten einfach fortzujagen, in die Kaserne zurückzuschicken, woher sie gekommen sind? Feiglinge, allesamt. Es gibt Aufregung und Diskussionen, soviel bekommt sie mit. Es wird geredet und geredet, ohne dass jemand auch nur bereit ist, einen Schritt von seinem Standpunkt zu weichen. Zeit, dem ein wenig nachzuhelfen, da sie irgendwann die nächste Stadt erreichen will. Egoistisch auf Kosten anderer? Ein wenig. Oppurtunistisch? Ein wenig mehr. Eine begnadete Schauspielerin? So sagt man. Sacht nimmt sie eine kleine, eiergroße Kugel
[1] in die rechte Hand, ohne dabei viel Aufmerksamkeit erregen zu wollen, und hält den gesamten Arm mit der kleinen Kugel dann so, dass ihn ohne weiteres kein Außenstehender sehen kann.
[2]"BAUERN UND NOMADEN, SOLDATEN UND FÜHRER DIESER KARAWANE!", ruft sie -in der Hoffnung, die Gespräche mit ihrer durchdringenden Stimme zu übertönen- in Richtung der Soldaten, Redner, Händler und den Anwesenden. Ihre Haltung zeigt Selbstbewusstsein. Sie versucht, ihre Miene nicht überheblich blicken zu lassen, sondern entschlossen und.. eine Spur traurig im Blick. Der Gesichtsausdruck eines Menschen, der eine überlegene Macht hat. Der sanft dreinblickt, dessen Gefährlichkeit jedoch aus dem schlichten, fast sachlichen Blick heraus resultiert. Magier blicken sehr gerne so, und so versucht sie sich am imitieren desselben. Ihre linke Hand nach vorn gestreckt, dann zur Seite, die Geste versucht einnehmend, die Rechte hinter dem Rücken. Sie suchte sich eine leicht höhere Stelle hinter dem Feuer, sodass ihre Umrisse verschwommen waren, ihre Anwesenheit jedoch unübersehbar.
"Zu lange schon belästigt ihr mit eurem Gewäsch von Ehre, Vorschriften und Anstand die Reisenden hier, Seneschall!", ruft sie mit noch immer lauter, aber betonter Stimme zu. Sie war oft in lauten Tavernen, und auch dort musste sie oft die Anwesenden übertönen, also macht es ihr nichts aus, über längere, weitere Entfernung zu reden. Auf Dauer ja, aber nicht für die Worte, die sie an ihn richten will.
"Nicht nur die Anwesenden habt ihr verärgert..", wobei sie in die Runde blickt, einen Schritt zur Seite geht, dann noch einen, bis sie halb um das Feuer herum ist, eine rhetorische Pause machend und die Menschen musternd,
..sondern auch mich. Ihr habt mich abgewiesen, als ich eine Frage stellte, ihr bedachtet mich mit nichts mehr als einem verachtendem Blick. Eine Frau meinen Standes und mit meinen Kräften hat vieles erlebt, doch nichts kommt an diesen Frevel heran!" Sie bewegt sich auf weniger als dünnem Eis. Sie weiss genau, dass die Situation nach ihrer kleinen schauspielerischen Einlage als Hohemagierin gewaltig nach hinten losgehen könnte. Sie könnte dabei sterben. Aber verdammt, sie wollte weiter! So bewegt sie sich wieder an ihre alte Stelle, ohne die Soldaten -und besonders die Schützen- aus den Augen zu lassen.
"Die Nomaden seien es nicht wert, das sagen selbst eure Leute, Seneschall! Seht sie an, wie sie zittern und wie ihre Unsicherheit den gesamten Landstrich verpestet. Ihr sollt Elite sein? Ich kenne Bauern mit mehr Würde und Disziplin als euch. Doch lasst mich euch einen Rat geben..", wobei ihre Stimme ein wenig leiser wurde. Noch immer kann man sie ohne Probleme verstehen, doch bekommt ihr Blick, ihre Gestik, ihre Haltung etwas warnendes, Eindringliches. Wie eine Schlange, die die Maus ansieht und ihr sagt, dass sie jetzt weglaufen soll. Sie fängt leise an zu lachen, als ihre Lippen laut Wörter einer fremden Sprache rufen, die vielleicht einige Wenige verstehen. Aber wenn sie schon vorgab zu zaubern, musste auch das Hand und Fuß haben. Menschen waren einfach, Bauern waren abergläubisch, und als Mann der Waffe hat dieser Möchtegern-Anführer sicher seinen Respekt vor Magie. Hoffentlich.
"..Nanji wa waga moto ni, waga unmei wa nanji no kao ni..!"[3], sagt sie noch leiser als eben, die Silben zischelnd und die linke Hand so hebend, als würde sie etwas aus den Flammen vor sich beschwören. Dann lacht sie leise auf und fixiert den in Metall gehüllten Hauptmann. Das Gesicht zu einer belustigten, selbstsicheren Miene geformt.
"Duckt euch, Hauptmann!", und macht nun mit beiden Händen eine Geste, als würde sie ruckartig etwas aus dem Feuer ziehen, wobei sie möglichst unauffällig die Kugel in die Flammen vor sich fallen lies.
Die Kugel explodierte, sobald die Flammen an ihr züngelten. Sie war gefüllt mit einem merkwürdigen, alchimistischem Pulver, was die verschiedensten Formen und Farben annehmen konnte. Es gab sie mit mehreren Pulvern gefüllt zu kaufen -Feyra hatte eine ganze Sammlung davon- und sie waren auf Festen gern als Attraktion gesehen. Wenn diese Kugel nun explodiert, zerborsten von der Hitze der Flammen, dann würde das Pulver auseinanderstoben und eine riesige Drachengestalt formen. Der Name dieser Kugeln, oder vielmehr die Bezeichnung jener, hieß übersetzt "Blitzdrache", und die Illusion, aus gefertiger Magie geformt, war eindrucksvoll, aber auch kurz. Es würde aussehen, als würde aus dem Feuer ein Drache emporschweben, er würde eine die Menge eventuell mit einem Blick besehen, und dann mit einem weiteren lauten Knall und viel Rauch wieder verschwinden - die perfekte Ablenkung für Feyra, die sich im Moment, wo das Spektakel losgeht, vor dem Feuer auf den Boden schmeisst und erneut ihre Schlangengestalt aufsucht, um sich hinter eines der Zelte zu schlängeln. Die beste Ablenkung war die, wo am Ende jeder nach jemandem suchte, der schon vor der Ablenkung nicht mehr da war, wo er zu sein schien. Verwirrend?
WIe dem auch sei, Feyra versuchte, diese verwirrende Regelung in die Tat umzusetzen. Und so endlich Dinge ins Rollen zu bringen, die vor drei gefühlten Sonnenumläufen schon durch Schwerthiebe oder durchschlagendere Worte gelöst hätten werden können.