Belanars Blick verharrt noch einige Zeit auf den beiden Streitenden, bevor er mit einem Nicken seiner Zuhoererin Recht gibt und sich wider seiner Erlaeuterung zuwendet.
"Euer Interesse schmeichelt mir. Bevor ich allerdings zu den Geruechten komme, will ich versuchen, euch ein wenig ueber die Kunst der Nekromantie zu lehren. Ich will euch nicht bevormunden und wähle doch bewusst den Ausdruck lehren, da diese Schule der Magie nicht selten verklaert behandelt wird. Der Begriff Nekromantie setzt sich aus dem Wort fuer Leiche, nekros, und dem Wort fuer Weissasgung oder Befragung mantiae, zusammen. Nekromantie ist also der ursprünglichen Bedeutung des Wortes nach zunächst nichts anderes, als die Befragung eines Toten hinsichtlich vergangener oder zukuenftiger Ereignisse. Jeder halbwegs versierte Heilkundige wird mir nun ohne weiteres zustimmen, dass etliche Tote eine Menge Aussagen koennen, beispielsweise ueber die Umstaende ihres Todes. Und tatsächlich kommt der genauen Beobachtung des Todes in allen Formen eine immanente Bedeutung zu. Vor aller Anwendung des Erfahrenen, geht es dem Nekromanten darum, den Tod zu verstehen. Auf diesem Paradigma aufbauend, teilt sich die Nekromantie dann hauptsächlich in zwei Unterschulen. Zum einen, die Scyomantie, auch Skiamantie oder Psychomantie genannt. Bei der Scyomantie wird ein Abbild des Verstorbenen herbeibeschworen. Dieser kann Auskunft über Menschen geben, dem Beschwörer schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen, Lebende schwächen oder erkranken lassen. Dieser Bereich der Nekromantie beinhaltet beispielsweise die euch sicherlich bekannten Flueche. Der andere Bereich der Nekromantie ist die sogenannte Neykomantie. Hier wird der gesamte Körper des Verstorbenen wiederbelebt. Dieser Wiedergänger, auch Zombie genannt, ist eine meist temporaer belebte Erscheinungsform, die zumeist dem Willen des Nekromanten unterworfen ist. In Verruf geriet diese Schule der Nekromantie nun zweifelsohne durch die Moeglichkeit, die Seele des Verstorbenen in Ketten zu legen, auch wenn das nur die gefürchtetste und zudem schwierigste Form der Erweckung darstellt. Meist beschränkt sich die Erweckung auf eine rein mechanische Kontrolle der Glieder des Toten. Wozu man Tote nun erweckt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Verzeiht mir, wenn der Vergleich unangebracht ist, aber ist der Schmied ein Moerder, wenn er aus einem Stueck Metall eine Waffe schmiedet, mit der ein Soldat toetet? Mal ganz davon zu schweigen, dass Tote keine Waffen sind, auch wenn man sie zweifelsohne auf diese Weise nutzen kann. Es geht hierbei nicht nur um die Art der Beschwoerung. Es ist durchaus möglich, eine Leiche mit positiver Magie zu erwecken, auch wenn die Engel derartiges sicherlich abstreiten wuerden. Es ist ebenfalls möglich, ein Wesen mit negativer Energie zu schaffen, dass jederzeit bereitwillig sein Leben geben wuerde, um die, die es liebt oder geliebt hat, zu schuetzen. Auch wenn die Engel uns gerne anderes glauben lassen und die Daemonen gerne anschauliche Beispiele liefern, ist der Mensch kein Wesen absoluter Gesinnung. Magie mag mächtig sein und den schwachen Geist verleiten, aber es ist immer der Mensch, der sich entscheidet. Dies gilt fuer den Beschwoerer und fuer den Beschworenen gleichermaßen."
Belanar hält kurz inne und wendet sich seiner Zuhoererin zu. Es war durchaus moeglich, dass er mit diesen wenigen Worten bereits viel zu viel gesagt und die junge Arkanistin erschreckt hatte. Er selbst hatte lange gebraucht, die Lehren Rathmas zu verstehen. Nekromantie objektiv zu betrachten, ist eine Forderung, die er auf einem steinigen Weg mühsam erlernen musste. Vielleicht verlangte er bereits zuviel.