Bluthand, es ist ein klingender Name, welchen Massoud sich merken wird. Der Wór muss mal wieder anerkennen, dass Goliaths sich darauf verstehen, ein stimmiges Gesamtbild zu erzeugen mit ihrer Sprache, ihrer Gestik, ihren Namen, ihrem Auftreten, es ist so in ihrer gesamten Präsenz und in ihrem Wesen verankert, nicht so wankelmütig und windanfällig wie ein Mensch oder die meisten Wór. Massoud ist einer der weniger Wankelmütigen seines Volkes, was aber nicht nur an seiner Zeit unter den Goliath liegt, sondern vor allem an seinem Schicksal, welches ihn immer wieder auf den Pfad des Krieges und des Todes setzt, weshalb es den Löwenmenschen nicht verwundert, dass er ausgerechnet zuerst auf diesen scheinbar äußert martialischen Goliath trifft.
Massoud lächelt, nicht sanft, sondern es wirkt fast grimmig, auch wenn es ein zufriedenes Lächeln darstellen soll. Bluthand ringt ihm dieses Lächeln ab, nicht wegen des Inhaltes seiner Worte, sondern wegen ihrer Form und ihrer Prägnanz. Der Gebrannte spricht nicht viel, aber keineswegs, weil er Worte verabscheuen würde und sich nicht gerne unterhält, sondern viel mehr aufgrund seiner Liebe und Achtung für das gesprochene Wort. Das geschriebene Wort hatte Massoud nur selten zu Gesicht bekommen und er beherrscht es nicht, es hat auch bei weitem nicht dieselbe Würde, Dringlichkeit, Bedeutung und Stärke, dessen ist sich der Leonid sicher. Aber auch gerade diese Macht des gesprochenen Wortes macht die Sprache anfällig für Umständlichkeit, Weitschweifigkeit und Ungenauigkeit. Massoud verachtet zu viele und falsche Worte, weshalb er es Maventhua hoch anrechnet, dass dieser sich auf sinnvolle Informationen beschränkt. Massoud blickt den Goliath an und lässt den Blick wieder in die Gegend schweifen, beiläufig streichelt er Gardekat. Ein Zeichen der Dankbarkeit für die nun wieder erhöhte Aufmerksamkeit seines kleinen Begleiters. Massoud hat ihn die Unvorsicht in der Ebene längst verziehen.
Das gebrannte Kind blickt auf das inzwischen graue Fell an seinen Handgelenken und auf dem Handrücken. Derart an sein eigenes Alter erinnert, versucht Massoud mit einem Seitenblick zu erahnen, wie alt der Goliath wohl sein mag. Dann geht Massoud in Gedanken nochmals die Worte durch, welche Bluthand an ihn gerichtet hat. Er mag die Art, wie das steinerne Volk sich ausdrückt. Dennoch lässt sich Massoud wieder Zeit mit einer Antwort und versucht stattdessen die Eindrücke, welche von allen Seiten auf ihn wie rollende Steinmassen auf ihn einbrechen, einzuordnen und zu begreifen. Seine eigene Vorsicht meldet sich langsam wieder, denn Orte voller Wesen sind auch stets Bereiche der Gefahr, der Missgunst und des Konfliktes. Die Asche in seinem Geldbeutel ist ein Zeugnis, dass auch eine scheinbar unendliche Ebene genügend Enge für solches bereithält, die Stadt muss also ein Schmelztiegel von Feindlichkeit sein, auch wenn er, das mag der Wór einsehen, gleichwohl ein Ort der Liebe und der Geborgenheit sein muss. Was für Massoud ein Käfig ist, soll anderen ein Hort der Zuflucht sein. Eine Stadt ist damit ein Ort der Extreme, und Bluthand wird hier sicher die ein oder andere Münze verdienen können. "Ich brauche solche Münzen für den Moment zum Glück noch nicht, aber ich fürchte, je länger ich hier weile, desto mehr klimperndes Metall muss ich ansammeln..." Dieser Gedanke lässt Massoud daran denken, dass er die Stadt alsbald wieder verlassen muss, obwohl er sie noch immer nicht betreten hat.
"Ihr Gold.", wiederholt Massoud den Grund für die Anwesenheit Maventhuas. Er nickt dem Goliath, der ihn anschaut, zu, um zu zeigen, dass er dieses Motiv anerkennt, auch wenn Massoud sich jeder Bewertung entziehen wird, welche Bluthand wahrscheinlich ohnehin nicht fordern wird. Shabani fühlt sich, auch wenn der Goliath sich nur kurz dazu geäußert hat, dazu verpflichtet, auch ihm zu berichten, wo er herkommt. "Mein Geburtshaus war die Ebene, meine Heimat ist größer. Wnumbásras Klauen halten mein Herz ebenso umschlossen. Ich habe unter deinesgleichen leben und lernen dürfen." Massoud kann also bestätigen, dass er weiß, wie das ist, aus dem Hochland hinabgestiegen zu sein. Er drückt den Rücken durch und atmet nochmal tief durch. Es liegt nicht an der glotzenden Menge, diese stört Massoud erstaunlich wenig, zumindest ihr Anstarren stört ihn nicht, vielmehr wird er den Gedanken, dass die Freiheit vor und nicht hinter den Mauern liegt, nicht mehr los. "Auch Humanoide in Massen neigen dazu, sich bei Gefahr wie eine aufgebrachte Herde Gaure zu benehmen." Massoud bewahrt dennoch die Ruhe und reitet gemächlich weiter.
"Du hast Meilen in den Knochen, ebenso wie ich. Lass uns zusammen essen und trinken.", macht Massoud dann einen Vorschlag, vielleicht hat der Goliath noch mehr zu erzählen und vielleicht kann Massoud sich bei einem richtigen Essen wieder daran gewöhnen, mehr als eine handvoll abgehackter Worte zu sprechen. Sein Mund füllt sich trocken an.
Der Wór denkt darüber nach, noch ein paar Worte an Maventhua Bluthand Naku-Vatheg zu richten. Es ist merkwürdig, denn seit der Goliath die Fehden mit den Flachländern erwähnte, hat der Wór ein flaues Gefühl im Magen. Nicht dieses Gefühl von Angst, dass etwas Unerfreuliches geschehen könnte, mehr das Gefühl, dass man etwas fast sehnlich vermisst, so sehr, dass es einem bis in Mark in Sehnsucht versetzt und beinahe schmerzt. Fast gedankenverloren dreinblickend findet Massoud die Lösung auf dem Rücken Naku-Vathegs; der Zweihänder. Ihm fehlt der Kampf und die Schlacht. Die innere Leere und die Gedankenschwere, die Schwermut, sie waren bewirkt von der eigenen Untüchtigkeit. Es ist die Abwesenheit von Kampf und Waffen, die klangvoll aufeinanderprallen. Seinen Häuptling vor Gefahren und eindringende Banditen oder Feinde schützen, sich todesmutig in einen Gegner werfen und den Hauch des Todes mit freudiger Umarmung willkommen heißen, all das vermisst der Leonid. Dieses Gefühl ist für einen Moment befriedigt worden, als er die ausgebrannte Karawane in der Wüste gesehen, gerochen und dann untersucht hat, aber der überraschende Kampf mit der notwendigen Flucht vor der Vettel kann nur schwerlich ein solches Bedürfnis stillen. Maventhua hat es geschafft, nur mit einer handvoll Worte eine Sehnsucht zu wecken, die viel größer ist, als die Lust das Meer zu sehen. Massouds Blick klart wieder auf und er möchte gerade mehr Fragen zu den Fehden stellen, denn er ist neugierig geworden. Doch der sich nähernde Wachmann kommt dem Wór dazwischen, weshalb der Leonid andere Worte an den Goliath richtet. "Dann werde ich dich Bluthand nennen.", beschließt der Gebrannte mit einem entschlossenen Lächeln und harrt dann der Dinge, welche der Gardist ihnen bringen mag.