04.01.1042 - Tag des Takin - MorgenDer Kaisersohn betrat mit den Sporen wieder den kalten, roten Steinboden; ein größerer Widerhall, er war mit etwas mehr Kraft aufgetreten. Doch die Sporen eines jeden Stiefels erklang exakt einmal, dann stand er wieder still. Der Kaisersohn schien irgendwas zu machen oder seinen Männern zu deuten, denn die Armbrüste wurden wieder entladen. Die Tür öffnete sich und während die Schützen wieder abzogen, sagte der Kaisersohn.
"Hong gil-Dong. Auf der einen Seiten seid ihr der Einzige gewesen, der den Mut hatte, mir mit Worten zu begegnen, auf der anderen Seite gebt ihr euch infantil oder taub. Ich habe euch eure Frage bereits beanwortet und ich erkenne, dass ihr unwillig seid. Es ist ein seltenes Trauerspiel, aber ich kann daran nichts ändern." Die Schritte des Kaisersohnes sind zu hören, er bewegt sich zur Tür.
"Der Edle leitet mit seiner Vernunft seine Sinnlichkeit und sieht den wahren Mut in der unerschütterlichen Ausübung der Pflicht. Der Gemeine lenkt mit seiner Sinnlichkeit seine Vernunft und sieht in Rücksichtslosigkeit den wahren Mut. Darum heißt es: Wer nicht murrt, wenn er zurückgesetzt ist, dem mag man folgen, wenn er hochkommt.[1]Das Quietschen der Tür kündigte an, welche der beiden Türen er benutzte. Es war jene, welche Boss so unsanft behandelt hatte, sie mochte fast geschlossen sein, als der Kaisersohn noch ein paar Worte sprach.
"Das Reich wird euch in Erinnung behalten als jene, die zögerten, als sie die Wahl hatten, Millionen von Menschen vor dem Bürgerkrieg zu bewahren. Euch wird man als Inkarnation der Yaoguai[2] in Erinnerung behalten. Oder vielleicht als Taowu[3]." Das erste Mal klangen die Worte des Kaiserssohns nicht militärisch, sondern resignierend und fast schon ein wenig empört, mit einem Einrasten war die Tür verschlossen.
Eine Weile blieb es still in der Kammer der Denunzianten, nicht einmal die Dienerin war gekommen, nachdem der Kaisersohn, in seinen Absichten enttäuscht und wahrscheinlich verstimmt, gegangen war. Noch immer mochte ein wenig nachhallen, dass er sie Yaoguai genannt hatte. Während der Zeit in der Gefangenschaft im kalten, roten Stein, erschien es eine Art geflügelte Beleidigung oder Annahme zu sein. Jeder, der den Ansprüchen der anderen Person nicht genügte, wurde als Dämon bezeichnet und oftmals wurde die Erklärung angeführt, dass der damit Gemeinte nicht mit dem Sinnen der Gesellschaft und der Kultur übereinging. Manche mochten Recht haben, andere nicht. Wo lag die Wahrheit? Vielleicht war auch diese Frage müßig, denn welchen Stellenwert hatte die Wahrheit noch, wenn Chuang Qi willentlich in Kauf nahm, dass er den falschen Mörder hinrichten ließ? Es konnte für die Verschlagenheit des Kaiserssohnes stehen, aber andererseits konnte dies auch bedeuten, dass nicht immer die Wahrheit entscheidend war, um etwas zu lösen. Eine Frage, die sich jeder Gelehrter stellte, und sicherlich auch hier nicht zur Gänze zu beantworten war. Eindeutig war, dass die Denunzianten in Versuchung geführt werden sollten und das Motiv war jenes der Kultur. Vielleicht war es aber auch nur eine Prüfung, um herauszufinden, welcher Denunziant ein Barbar im Herzen war und wer nicht?
Mit dem Schließen der Tür war zumindest klar, dass diese Fragen keine unmittelbaren Antworten für den Moment erhalten würden.
04.01.1042 - Tag des Takin - Später VormittagEs mochte eine ganze Weile vergangen sein, seit Chuang Qi den Raum verlassen hatte, da öffnete sich die Tür wieder. Doch bevor sie sich irgendwie vorstellen konnte, entwich ihr ein erstauntes und überraschtes
"Oh!" Die Gestalt bewegte sich und machte auf sich aufmerksam.
"Ich bitte um Verzeihung für mein schnelles und ungefragtes Eintreten, aber ich wollte kein großen Tumult durch mein Auftreten verursachen." Es war eindeutig ein Mann, seine Stimme glich, das fiel gleich auf, irgendwie einem Gebirgsbach, klar und flüssig. Sie stoppte nicht und sprach ein wenig akzentuiert, jedoch formschön und geschwungen. Hong erkannte sie sofort wieder. Sie gehörte Qiānbēi Irindiil. Der Mann hatte einen Ruf, der besagte, dass er ebenso stur wie ein Zwerg war und niemals von seinen Ansichten abwich, so er einmal von ihnen überzeugt war. Für jene, die ihn nicht kannten, mochte Sanftheit und Überzeugung nicht zusammenpassen, wobei Xū Dǎnshí sicherlich dort die Erziehung des alten Hofes wiederkannte.
"Ich habe gerade mit Schrecken erkennen müssen, dass das einzige Stück Natur in diesem Raum Ùldna[4] anheim fällt. Wie bitter diese Tage doch nicht nur für mein Volk sind." Die Tür wurde sanft geschlossen. "Jetzt muss ich ein zweites Mal um Verzeihung bitten.", diese Worte sprach er direkt im Anschluss, begleitet von dem Ertönen eines metallischen Geräusches.
"Mir wurde dieser Speer aufgezwungen, obgleich es nicht meine Art ist, einem Unbewaffneten mit einer Waffe entgegenzutreten, so er kein Monstrum ist." Die Stimme hielt inne, die Figur schien sich auf den Teppich niederzusetzen.
"Roter Marmor, das überrascht mich. Mein Volk erzählt sich, dass die Zwerge diese besondere Art des Steins abbauten. Es war einstmals weißer Marmor in den Silberschwanbergen, einem ganz kleinen Gebirge im Norden des Landes, nicht mehr als eine Kette längst erloschener Vulkane. Eines Tages erhob sich der Drache Rokk über das Gebirge und beanspruchte es für sich, wie er alle Gebirge im Süden des gestorbenen Landes beanspruchte. Mit Elefanten zogen die Diener Rokks über das Land und versuchten das Gebirge zu besetzen. Doch die Zwerge des Clans Skarnog, welche in diesem Gebirge leben, kannten das Geheimnis von Bashe[5]. Bashe war angeblich eine riesige Schlange, welche Elefanten fraß, und wie der Zufall es so wollte, waren die Elefanten die geheiligten Tiere des Rokk. Es hieß, die Schlange habe noch eine alte Schuld bei den Skarnog gehabt und diese löste sie am Tage des Angriffs ein. So viele Elefanten samt Kriegern vertilgte und tötete sie, dass das Blut in großen Seen in den Steinbrüchen der Zwerge stehen blieb. Das Blut soll den Marmor rot gefärbt haben. Heute sind die Steinbrüche längst abgebaut und dieser wunderschöne Marmor ist fast in Vergessenheit geraten, nur in den Hallen des Skarnogclans und in Tzanhian lassen sich noch Räume, Gebäude und Gegenstände aus diesem Marmor finden."Der Elb räuspert sich.
"Aber was erzähle ich Geschichten, die ihr vielleicht gar nicht hören mögt. Setzt euch doch zu mir."Nach dem General wieder ein deutlich höflicherer Besuch. Qiānbēi Irindiil
[6] sah fast wie ein Mensch aus, nur seine Gesichtszüge waren etwas länger, seine Augen noch etwas mandelförmiger. Sein Aussehen war dem Hof perfekt angepasst, auch wenn er im Gegensatz zu vielen ein fast schön glänzenden Seidenweiß trug, seine dunklen Haare waren ein deutlicher Kontrast dazu. Auch das unterschied ihn von den meisten Elben, seine dunklen, fast ebenholzfarbenen Haare. Aber auch die waren dem Aussehen Chuangs angepasst. Keine schwarzen Haare zu haben, galt als barbarisch. Nur Barbaren hatten braunes, rotes oder gar blondes Haar. Qiānbēi Irindiil wirkte im Aussehen sehr angepasst, würde er es auch im Verhalten sein?