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Autor Thema: Das liederliche Spiel  (Gelesen 88597 mal)

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Lu Chieng

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Das liederliche Spiel
« Antwort #75 am: 16.11.2010, 10:18:04 »
"Es erscheint mir unwahrscheinlich, dass sie sich ausversehen selbst vergiftet haben soll. Wenn der ehrenwerte Ushida der Meinung ist sie müsste sehr große Schmerzen erlitten haben. Wäre es ausversehen gewesen hätte sie sich doch wohl bemerkbar gemacht, gerade da ich davon ausgehe, dass sie die Wirkung des Giftes in ihrer eigener Tasche kannte." erwiderte Lu Chieng auf die Kommentare Xū Dǎnshís.

"Es scheint mir eher, als wollte sie etwas sprichwörtlich mit ins Grab nehmen, wenn ihr das unpassende Sprichwort verzeihen wollt." Lu Chieng bewegte sich langsam zur Wand und lehnte sich dagegen nur um ein paar Augenblicke später an ihr herrunter zurutchen und sitzen zu bleiben.
"Furchtlosigkeit ist die Tugend der Narren. Sie entsteht nicht aus Mut, sondern aus mangelnder Vorstellungskraft. Der Weise fürchtet sich und lässt sich trotzdem nicht von seinem Weg abbringen. Er wird nur vorsichtig."

Xū Dǎnshí

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Das liederliche Spiel
« Antwort #76 am: 16.11.2010, 13:12:53 »
"Natürlich,", erwiedert der alte Mann gelassen, "auch das ist möglich.". Er legt die Spritze auf die Trage neben der Verstorbenen und wendet sich von ihr ab. Er setzt sich auf seinen alten Platz und sieht den Arzt fragend an. Vielleicht will er noch etwas hinzufügen. Gebildete Männer reden gerne...; der Weise spricht nur, wenn er gefragt wird.
« Letzte Änderung: 16.11.2010, 13:16:18 von Xū Dǎnshí »

Sūn Ai

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Das liederliche Spiel
« Antwort #77 am: 16.11.2010, 19:15:41 »
Sūn Ai blieb zunächst ruhig neben Zhào Làn sitzen. Erst als der Arzt eintrat, wich sie ein Stück zurück, damit dieser ohne Problem die Untersuchungen anstellen konnte und als jener sagte, dass die Halbelbin tot sei, wich sie noch weiter weg.
Der Tod schien sie zu verfolgen im Moment und dieser Gedanke gefiel der jungen Dame nicht. Wie viele Fragen warf diese neue Situation doch auf. Ai brauchte eine Zeit um alles zu verdauen. Ja, ihr wurde sogar ein bisschen übel beim Gedanken daran, dass vielleicht das Essen vergiftet gewesen sei.
Erst als die Spritze gefunden wurde, atmete sie erleichtert auf.

"Es macht doch alles keinen Sinn. Fragen sind mächtiger als Antworten, aber eine Frage ohne Antwort ist auch nichts Ganzes. Wir enden mit mehr Fragen als wir anfangen." Ai machte eine kurze Pause, redete aber so schnell wieder weiter, dass ihr niemand dazwischen reden konnte.
"Eure Worte machen Sinn Lu Chieng. Allerdings kann das Gift bei solch einer zierlichen Gestalt auch einfach zu schnell wirken, als dass sie die Schmerzen zu lang ertragen müsste. Das Gift passt perfekt auf dass, was sie zu uns gesagt hatte. Wieder kann es sich doch bloß um eine Falle handeln. Vielleicht hat wer auch immer ihr den Mord anhängen wollte, falls es so eine Person gegeben haben sollte, auch die Spritze untergeschmuggelt." Nach einer weiteren kurzen Pause fügt sie noch leiser hinzu, so als würde sie leise zu sich selbst sprechen. "Wer weiß? Wer weiß? Hier scheint momentan alles möglich."

Menthir

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Das liederliche Spiel
« Antwort #78 am: 16.11.2010, 21:45:26 »
01.01.1042 - Tag des Skorpions - Früher Nachmittag

Als Ushida eine rege Diskussion mit unterschiedlichen Stoßrichtungen erlebte, schmunzelte er zufrieden und etwas selbstverliebt, vielleicht sogar in dem Glaube, sie angefacht zu haben. Zufrieden zieht er sich wieder gen Tür zurück, während die Wachmänner die Leiche der Halbelbin wieder aufnahmen und sie samt des unter Umständen ungewollten Selbstmordinstrumentes, welches vom alten Beamten aus Cui Bao niedergelegt wurde, aus dem Raum schafften. Einige Sekunden später erschien wieder der Wachmann mit der Gnubbelnase und blickte auffordernd zum Arzt, der sich weiterhin bravorös aus jeglichen Spekulationen raushielt.
"Mag es sein, wie es will.", stellte er dann trocken fest. "Sie ist durch Gift gestorben und ich kann sie euch leider nicht wiederholen."
Er rümpfte die Nase, es hatte etwas Endgültiges. "Einen Bericht mit seinen feinsten Winkelzügen will ich euch schriftlich geben lassen, sobald die Nekropsie abgeschlossen ist. Ich werde schauen, ob sich einer eurer Verdachte erhärten mag oder auch nicht. Gehabt euch wohl." Er verneigte sich sehr knapp mit seinem faltigen Kopf und wand sich dann an dem Wachmann vorbei aus dem Raum. Dieser lächelte nochmal schelmisch, vielleicht sogar ein bisschen aufmunternd, und verschwand dann, die Tür hinter sich ins Schloss fallen lassend.

Das Gefängnis lag wieder still da, alle Spuren Zhào Làns schienen vergangen. Nur Xū Dǎnshí und Sūn Ai waren in der Lage zu erkennen, dass ein ganz kleines Rinnsal von Blut aus der Wunde auf den hochwertigen Teppich gelaufen sein musste und die Halbelbin dies als letzte sichtbare Erinnerung in dem Raum hinterließ. Ob heute noch etwas passieren würde? Davon war nicht auszugehen. Doch noch hatten die Denunzianten noch einige Zeit für sich. Wie würden sie diese nutzen?
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Hong Gil-dong

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Das liederliche Spiel
« Antwort #79 am: 17.11.2010, 11:25:53 »
Hong durchbrach die Ruhe indem er auf und ab zu gehen begann. Eingesperrt mit jemandem, dessen Stimme einen verzaubern konnte. Jemand hatte sogar starkes Gift ins kleine Gefängnis mitnehmen können. Dann dieser alte, der in aller Seelenruhe da sass. Vermutlich wusste er, dass ihm nichts passieren konnte. Er war nur hier um sie zu beobachten. Hatte nicht er die Giftspritze aus der Tasche der Halb-Elbin gezogen, gar hinein gesteckt?

Hong blieb stehen und drehte sich zu Xū Dǎnshí herum. "Wieso bleibt ihr immer so ruhig alter Mann? Wusstet ihr bereits vorher, dass ihr eine Spritze aus den Gewänder der Verstorbenen ziehen werdet?"
Bitterer Tee, mit Wohlwollen dargeboten, schmeckt süßer als Tee, den man mit saurer Miene reicht.

Xū Dǎnshí

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Das liederliche Spiel
« Antwort #80 am: 17.11.2010, 15:49:06 »
In aller Seelenruhe blickte Danshi den jungen Mann mehrere Momente lang an, bevor er antwortete. Was wohl gerade in ihm vorging? Brauchte er eine Erklärung, um den Tod der Halbelbin besser verkraften zu können? Sicherlich, urplötzlich lag Gefahr im Raum und ein Hauch von Kontrollverlust.. Danshi hatte Verständnis für den jungen Mann. "Ich verstehe, was Ihr andeuten wollt, doch überlegt, ob ich sie vergiftet haben kann. Wenn Ihr der Meinung seid, dann kann ich Euch nicht davon abbringen. Das andere interessiert mich mehr. Warum sollte ich nicht so ruhig bleiben? Was würde es ändern, würde ich mich aufregen?", sagt er, die Sache kaum abschließend.
« Letzte Änderung: 17.11.2010, 15:49:40 von Xū Dǎnshí »

Hong Gil-dong

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Das liederliche Spiel
« Antwort #81 am: 17.11.2010, 17:20:50 »
'Dieser weissbärtige alte sture Oni,' fluchte Hong innerlich. "Dann würdet ihr weniger wie eine Marionette von Shǎzi sondern mehr wie ein Mensch wirken!" bellte er mit vor Zorn heiserer Stimme Danshi entgegen. Die vielen Leute liessen den Gefängnisraum immer enger wirken, so dass sein Drang stieg, den Raum zu verlassen.
Hong eilte raschen schrittes auf seinen Raum zu, riss die Tür auf und knallte sie gleich wieder zu als er das Stroh im engen Raum sah. Er drehte sich wieder um und flüchtete in den Waschraum. Dort stiess er seinen Kopf ins waschbecken, damit das kalte Wasser sein hitziges Gemüt kühlen konnte.
Bitterer Tee, mit Wohlwollen dargeboten, schmeckt süßer als Tee, den man mit saurer Miene reicht.

Xū Dǎnshí

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Das liederliche Spiel
« Antwort #82 am: 17.11.2010, 18:39:55 »
"Genau genommen hat er meine Frage nicht beantwortet. Vielmehr hat er erneut seine Unzufriedenheit ausgesprochen.", sagte Danshi in den Raum. Er kramt etwas in den Taschen seines blauen Gewands herum und holt ein Stück Brot hervor. Er macht einige lockende Geräusche, indem er seine Zunge an den Zähnen bewegt. Da kommt eine Ratte aus Danshis Kammer gesprungen, läuft quer durch den Raum bis sie vor Danshi zum Stehen kommt. Artig macht sie Männchen. Mit einem Finger streichelt Danshi zärtlich über das kleine Köpfchen der Ratte, bevor er der Ratte den Kanten Brot gibt. Die Ratte nimmt das Brot an und läuft zurück in die Kammer.

"Im Volksmund wird der Ratte Ehrlichkeit, Intelligenz und Kreativität nachgesagt. Manche sagen, sie bringe Glück ins Haus.", erklärt der alte Mann, "Alles Dinge, die wir in unserer Situation gut gebrauchen können."

Eine ganze Weile sitzt er da und sagt nichts. Seine Augen sind geschloßen und er scheint zu meditieren. Seine Lippen bewegen sich leicht. Dann öffnet er seine Augen wieder.

Langsam steht der alte Mann auf und folgt der Ratte in die Kammer. Doch sogleich kehrt er wieder, beladen mit Pergament, Tinte und Gänsekiel und einem Buch - Gesammelte Schriften aus dem Nachlass Mengzis. Die Ratte sitzt ihm auf der Schulter. Kurz überlegt er, dann beginnt zu ohne abzusetzen zu schreiben, wobei er das Buch als Unterlage verwendet.

Zitat von: Brief an Cui Bao #1
An die Freischärler Cui Baos,

Ich nenne Euch Freischärler Eures Wohlergehens, denn Ihr seid nur eurem eigenen Wohlergehen verpflichtet. Könnte es etwas wichtigeres geben? Die Gesetze müssen eurem Wohlergehen dienen und Wohlergehen ist das Recht der Seele zu atmen. Misstraut allem, was nicht eurem Wohl dient. Es ist richtig, misstraut auch mir, wenn ihr spürt, dass meine Worte nicht eurem Wohl entsprechen.

Ich bitte euch um nicht mehr, als ich mir selber abverlange. Ich bin am Hof, eingesperrt in ein Kellerverlies, dass sie mich brechen und vielleicht hinrichten. Ich habe nicht wenig Angst, doch bin froh, dass ich meine Aufgabe vollenden kann, in den neun Tage, die mir noch vergönnt sind.

Ich habe erfahren, dass ihr euch für den Krieg rüstet und ich sage euch, dass ich keinen Krieg will.

Doch ihr seid im Recht, für eure Interessen einzustehen. Dort wo die Gesetze zu eng sind, müssen sie gebrochen werden.
Zeigt Ungehorsam, wo sie euch knechten. Zahlt keine Steuern, hört ihren unterdrückenden Gesetzen nicht zu, lasst Euch zu keiner Aufgabe zwingen, die Ihr nicht zu eurem eigenen Interesse vollführt. Überhaupt, kooperiert nicht im Mindesten, wenn es eurem Interesse widerspricht. Doch verschließt euch ihnen nicht. Sprecht frei heraus, was ihr wollt. Versammelt euch und schreibt Petitionen. Kooperiert mit ihnen, wo ihr einen positiven Ansatz seht. Helft ihnen, wenn sie eine persönliche Bitte an euch stellen, von Mann zu Mann.

Zu Beginn werden sie versuchen, euch zu brechen. Sie werden euch bedrohen, vermutlich werden sie euch misshandeln oder euch oder eure Familie umbringen wollen. Wahrscheinlich werden sie euch einschüchtern wollen, wenn sie einige Exempel statuieren. Haltet aus. Wenn ihr lange genug ausgehalten habt, dann werden sie euch für unbeugsam halten und euch eurer Selbstverwaltung überlassen.

'Einen Stein kann man zertrümmern, aber man kann ihm nicht seine Härte nehmen', sagt Lü Bu We.

Ihr fragt sicherlich, wie ich so unbefangen über den Tod schreibe, als wäre es ein geringfügiges Opfer, das ich vorschlage.

Niemand hat gesagt, dass es einfach wird. Doch ich frage euch, was die Alternativen sind.
Wollt ihr euch Knechten lassen, dass sie euch nichts tun? Wollt ihr in einem Reich leben, in dem ein jeder am ersticken ist? Und bedenkt, dass Kriegszeit ist und die Truppen des Kaisers benötigen so viel Nahrung, dass euch selbst nichts bleibt. Wollt ihr euch wie Werkzeug benutzen lassen, von einem Herrn, den ihr nicht kennt, und wenn ihr abgenutzt seid, wegwerfen lassen?
Oder wollt ihr euch mit Äxte und Messern bewaffnen, viele Lagen Seide über den Körper spannen? In dieser Hinsicht sind sie euch überlegen. Vielleicht erwirkt ihr einen Rückzug nach einem Überraschungssieg. Doch sie kommen wieder. Ihr werdet euch in einem Bereich messen, in dem sie euch überlegen sind. Gewalt erzeugt Gewalt, wenn auch verzögert.

Ich sehe es so, dass in beiden Fällen ungleich mehr von Euch sterben werden, als wenn ihr euch offen doch ohne Gewalt widersetzt.

Doch seid nicht dogmatisch. Seid nicht zornig gegen die Männer. Vergeltet ihnen nicht. Ja, beschimpft und verachtet sie nicht. Redet nicht einmal schlecht über sie. Seht sie nicht als Feind, sondern als Menschen die noch zur Einsicht kommen müssen.

Die Angelegenheit ist viel zu wichtig, um sie dem Dogmatismus zu überlassen. Es ist nicht 'ihr gegen sie', sondern 'ihr mit möglichst vielen'. Fragt euch stehts, ob eine Sache euren Interessen dient. Und seid auch nicht stolz, wenn ihr einen Wandel in ihnen erkennt. Bei allem was ihr tut, erinnert euch and die kraftvollen Worte des Meisters Chekawa Yeshe Dorje:


Gib allen Sieg und Gewinn den anderen,
nimm alle Niederlagen und jeden Verlust auf dich

Keiner der Soldaten wird aus tiefstem Herzen zu dem angetrieben, was er tut und sie sollen euch leid tun, denn sie leiden fürchterlich. Sie sind bemitleidenswerte Marionetten. Atmet ihr Leid als schwarzen Rauch ein und atmet goldenes Licht aus, das das Leid lindert.

Es gibt nur ein einziges Dogma, an dass ich uneingeschränkt glaube:

Mögen alle Wesen Glück erfahren.


Als er fertig ist zu schreiben, legt er den Federkiel zur Seite und das Pergament zum Trocknen auf den Boden vor sich. Angestrengt atmet Danshi aus. Das Schreiben hat ihn auf merkwürdige Art und Weise Kraft gekostet. Wieder schließt er die Augen, legt den Kopf auf die Brust. Sein Atem wird ruhiger und gleichmäßig. Kein Körperzeichen zeigt Bezug zu seiner Umwelt.
« Letzte Änderung: 20.11.2010, 12:21:07 von Xū Dǎnshí »

Menthir

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Das liederliche Spiel
« Antwort #83 am: 20.11.2010, 14:10:20 »
01.01.1042 - Tag des Skorpions - Späte Nacht

Ruhe war wieder zwischen den Denunzianten eingekehrt. Eine Ruhe, welche sicherlich nur eine trügerische war und mitnichten eine angenehme. Es lag Anspannung in ihr und damit keine Stille. Wahrscheinlich konnte man jedem Einzelnen die Anspannung im Gesicht stehen sehen. Was mochte in Sūn Ai vorgehen? Sie war jetzt die einzige Frau in diesem Gefängnis und ohne Rücksicht auf ihre Würde war sie eingesperrt mit gleich fünf männlichen Gefangenen. Noch war erst der Tag und sicherlich hatte jeder seine Triebe noch einigermaßen unter Kontrolle, aber hatte nicht Hong Gil-Dong heute schonmal seine Beherrschung verloren? Würden andere sie schützen? Steckte hinter den ruhigen Art Xū Dǎnshís ein bösartiger Yaoguai[1]? Vielleicht dachte Sūn Ai auch gar nicht an solche Dinge, aber die Angst könnte da sein, schließlich starb die Halbelbe vor ihren Augen, vielleicht sogar in ihrem Armen und obgleich es möglich war, dass Zhào Làn sich aus Versehen selbst vergiftete, blieb sicherlich ein Rest der Zweifel bestehen. Was wenn einer ihrer Mitinsassen der Mörder war? Hatte sie alle ausgiebig genug beobachtet? Das Gefühl von Einsamkeit mochte sie umfangen haben, vielleicht lag darin ihr Schweigen.

Schweigen war nicht immer ein Segen, oftmals war ein stilles Anklagen von größerer Bedrückung als jede geäußerte Beleidigung. Nichts erschien Fremden so schwer erlernbar, wie die Schweigekultur in Chuang. In solchen Momenten wurde sie zur Belastung, und obzwar Shǎzi sicherlich die Möglichkeit gehabt hätte, die hohen Herren in schnellere Abfolge in den Raum zu schicken, nutzte er augenscheinlich diese Schweigekultur aus, um das Schwebebeil bedrohlicher wirken zu lassen. Jede Minute kam der Tag des Drachen näher. Mit jeder einzelnen Minute wurde greifbarer, dass Schweigen eine Waffe sein konnte. Und auch das Schweigen zwischen einem Teil der Denunzianten verbesserte die Situation dabei wohl nicht.

Das Schweigen wurde noch in der Nacht durchbrochen, während die Denunzianten sich wahrscheinlich schon darauf vorbereiteten, in ihr hartes Bett zu gehen oder schon schliefen. Noch waren ihre freien Wünsche nicht erfüllt wurden, selbst Oda Zektau hatte noch nicht seine Werkzeuge erhalten und musste sich dementsprechend mit einer Mischung aus Argwohn, Sorge um das eigene Wohl und wahrscheinlich sogar Langeweile auseinandersetzen oder eben mit seinem Schlaf.
Doch das Quietschen der sich ansonsten leise öffneten Tür kündigte Besuch an. Das Abstellen eines steinernen oder tönernen Gegenstandes war zu hören, dann war die Tür bereits wieder geschlossen, ehe man einen Blick auf die überbringende Person werfen konnte. Doch aus seinem kleinen Zimmer schaute, konnte eine Vase sehen, von ungewöhnlich einfacher Machart, die schon mehrmals wieder zusammengefügt wurde und dementsprechend zerbrochen war. Auch ihre Form, war nicht absolut symmetrisch und schien auf die Herstellung durch eine nicht meisterhafte Hand schließen zu lassen. Alles andere als das Perfektionsideal der Kunst schien hierin erkennbar. Die Figur eines Kriegers war erkennbar auf der Vase, der Schild und Speer hielt. Die große Vase war selbst schwarz, die Verzierungen in gelblicher und rötlicher Farbe, bildeten ockerfarbige Akzente. Ohne Zweifel war dieses Stück, vielleicht um die fünfzig Zentimeter hoch, alt.[2]
In dieser Vase war Erde; grober, klumpiger, roter Sand und auf dem Sand war ein bisschen drapiertes Grün und zwischen diesem Grün wiederum eine einzelne Päonie[3].
An einem der beiden Henkel der großen Vase, die aufgrund des ganzen Sandes außerordentlich schwer war und es umso erstaunlicher macht, dass jemand diese Vase so lautlos in das Zimmer schaffen konnte, war ein Brief befestigt, er war mit Wachs versiegelt wurden, zeigte jedoch kein hoheitliches Zeichen. Er war auf kostbaren, parfümiertem Papier geschrieben. Es roch nach Rosen.
 1. Yaoguai
 2. 
 3. Päonie
« Letzte Änderung: 20.11.2010, 14:11:09 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Oda Zektau

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Das liederliche Spiel
« Antwort #84 am: 20.11.2010, 15:34:39 »
Oda hatte sich in der Diskussion zurückgehalten. Das Gift war zwar wirklich merkwürdig, aber wieso unnötigerweise den Verdacht auf sich selbst lenken, indem man wilde Beschuldigungen herausbrüllt. Hong schien in dieser Hinsicht weniger dezent gewesen zu sein und redet hier und dort auf die Leute ein.
So.. nun waren sie also eine Person weniger. Was kümmerte es ihn? Es bedeutete nur weniger Verdächtige.. außer sie war es selbst.
"spürst du schon die Diskrepanz? Deine Gedanken bedeuten hier nichts Oda, lass doch endlich einmal Taten spüren." , Oda schloss die Augen und ging nach einiger Zeit in sein Zimmer, auf das Werkzeug wartend.
"Pah.. du könntest nicht einmal etwas tun, wenn man versucht hätte dich zu vergiften.", Oda begann ein leises Lied zu summen und sich im Schlaf zusammen zu rollen, er kannte es noch von seiner Mutter.. ja damals..
Er wurde in der Nacht relativ sanft geweckt, während er noch leicht döste, hörte er das Geräusch? Was konnte das gewesen sein?
Er bewegte sich zur Tür und wie in Trance wirkte er einen kleinen Zauber[1] und murmelte dazu leise ein paar Worte. Niemand sollte es bemerken, solange er noch in seinem Zimmer war. Dann ging er vor und musterte die Vase näher,[2] mit leicht zusammengekniffenen Augen. Zwar war es noch recht dunkel, aber das störte den Gnom nicht im Geringsten.
 1. Detect Magic
 2. Wachsamkeit: 22
« Letzte Änderung: 20.11.2010, 15:35:40 von Oda Zektau »

Mako Jinsei

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Das liederliche Spiel
« Antwort #85 am: 20.11.2010, 17:43:49 »
Mako saß noch eine Weile mit leicht geöffnetem Mund auf dem Boden. Ab und zu zupfte er einen Akkord auf seiner Yueqin.
Verwirrt hatte er das Gespräch mit dem Arzt verfolgt. Es schien ihm unmöglich, dass sich die Frau selbst umgebracht haben sollte, aber wenn es ein Versehen war hätten die anderen soch etwas bemerken müssen. Und wieso hatte sie eigentlich Gift bei sich? War sie von jemanden beauftragt worden einen anderen Insassen zu vergiften? Nein, sie sagte doch etwas von einer Anschuldigung gegen sie. Hatte man ihr das Gift bei der Festnahme nicht abgenommen?
Gedankenversunken stand Mako irgendwann auf und ging in seinen Schlafbereich.
Ich hätte doch zur Tür gehen und mir ein weiches Kissen wünschen sollen. Naja, eine Nacht wird es wohl noch gehen., dachte er, während er sich hinlegte. Einige Stunden lag er aber noch wach und dachte über den vergangenen Tag nach, über seine Mitgefangenen und über den Tod der Halb-Elbin.

Nicht zuletzt wegen des unbequemen Bettes war er immer noch wach, als er hörte wie draußen etwas abgestellt wurde.
Er stand auf, ging zur Tür und sah hinaus. Der Gnom trippelte gerade zur Vase um sie sich näher zu besehen.
Mit ruhigem Schritten ging er aus seinem Raum und ebenfalls auf die Vase zu.
"Könnt ihr ebenfalls nicht schlafen, Oda-San?", flüsterte er dem Handwerker zu, aus Rücksicht auf die anderen, die vermutlich noch schliefen. Als er den Rosenduft roch löste er den Brief vom Henkel. "Na, was haben wir denn da?"
Ohne zu zögern brach er das Siegel, entfaltete den Brief und begann zu lesen.
« Letzte Änderung: 20.11.2010, 17:44:22 von Mako Jinsei »
"An einem edlen Pferd schätzt man nicht seine Kraft, sondern seinen Charakter." -Konfuzius

Xū Dǎnshí

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Das liederliche Spiel
« Antwort #86 am: 20.11.2010, 19:42:15 »
Irgendwann in der Nacht wachte Danshi auf. Es war schon dunkel und nachdem er sich orientiert hatte, wurde ihm bewusst, dass er auf dem Teppich des Raums eingeschlafen war. Es waren die Schmerzen seiner müden Knochen, die ihn geweckt hatten und auch seine Brust tat weh, wie schon seit längerem. Das feuchte und kalte Verlies tat ihm nicht gut, denn der Brustschmerz war stärker als sonst. Mühsam richtete er sich auf, nachdem er den Brief, der noch immer vor ihm lag, zusammengerollt hatte. Ob meine Mithäftlinge ihn wohl gelesen haben?, fragt er sich mit milder Neugier. Er begibt sich in seine Kammer.

Soeben hatte er seine Tür geschloßen, den Brief verstaut und sein Nachtgewand angelegt, da hörte er, wie die Tür geöffnet und sogleich wieder geschloßen wurde. Das Gehörte ließ Danshi vermuten, dass sich die Person noch im Zimmer befinden musste. "Nanu? Ein Besuch zu so später Zeit, Yu? Das wird doch wohl nichts Rechtes vermuten lassen?", sagte er leise zu Yu, den er mit zärtlicher Sorgfalt auf seinem Bett abgesetzt hatte, bevor er sich umzog. Yu quitschte, als wollte er dem alten Mann zustimmen und verkroch sich dann unter Danshis Sachen. "Ich mag es nicht, wenn Du Dich dort verkriechst, weil Du schon zweimal meine Bücher angefressen hast und ich befürchte, dass Du es wieder tun könntest. Aber gut, ich bin Dir nicht böse und ich glaube Dir, dass Du es nicht wieder tun wirst. Warte, ich sehe nach, wer unser Besucher ist."

Damit öffnete er leise die Tür zu seiner Kammer und blickte in den großen Raum, wo schon Makosan und Odasan waren und sich umsahen. Makosan hatte einen Brief in der Hand. "Ihr habt es anscheinend auch gehört", flüstert Danshi leise, "Habt Ihr schon alles durchsucht? Was steht in dem Brief?"
« Letzte Änderung: 20.11.2010, 19:46:55 von Xū Dǎnshí »

Lu Chieng

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Das liederliche Spiel
« Antwort #87 am: 20.11.2010, 21:58:35 »
Nach einer furchtbaren Nacht streckte sich Lu Chieng ersteinmal ausgiebig, nachdem er vor schmerzend ächzent aufgestanden war. Nicht das sein alter ihm zu schaffen machte, aber er war besseres gewöhnt als auf dem Boden zu schlafen. Nachdem die Schritte verklungen waren öffnete er seine Tür nur um drei seiner vier männlichen Mitgefangenen um die Vase versammelt zu sehen.

"Was ist das? Haben wir etwas Schönheit in unsere ungemütliche Zelle bekommen?" interessiert machte Lu Chieng einige Schritte in Richtung Vase: "Nun scheinen nur ein paar Blumen zu fehlen."
"Furchtlosigkeit ist die Tugend der Narren. Sie entsteht nicht aus Mut, sondern aus mangelnder Vorstellungskraft. Der Weise fürchtet sich und lässt sich trotzdem nicht von seinem Weg abbringen. Er wird nur vorsichtig."

Sūn Ai

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Das liederliche Spiel
« Antwort #88 am: 21.11.2010, 20:41:07 »
Sūn Ai brauchte Zeit bis sie sich wieder gefangen hatte. Es war schon in der Nacht und sie saß immernoch auf dem Teppich, dort wo kurz vor ihr die Halbelbin gestorben ist. An ihrer Abwesenheit konnte man deutlich merken, dass die Umstände ihr zu schaffen machten. Was würde wohl noch alles passieren? Ging es ihr ständig durch den Kopf. Die Frage war wohl mehr als berechtigt, denn es war bisher erst ein Tag vergangen und trotzdem ist etliches passiert. Die Tür eines anderen Denunzianten hatte sie aus der Starre geweckt und als erstes musste sie sich umsehen im Raum. Sie bemerkte Xū Dǎnshí und für den ersten Moment befürchtete sie schon, dass die nächste Person verstorben war, doch erkannte sie dann den Schlaf, zu ihrem Glück. Sie stand ruhig auf, etwas unschlüssig, ob sie den alten Mann wecken sollte. Schließlich ließ sie es. Ihre Blicken vielen allerdings auf das Pergament. Informationen waren, dass wovon sie lebte, also konnte sie sich die Blicke nicht verwehren und zu gleich schämte sie sich doch dafür auf Grund der Umstände. Immerhin war hier in den Wänden Vertrauen das wichtigste. Andererseits wirkte der alte Mann auch nicht so, als würde er das Pergament als Geheimnis betrachten und so las sie hastig weiter. Xū Dǎnshí würde bestimmt nicht böse auf sie sein. Viel mehr hatte sie Angst vor den Meinungen der anderen, die sie vielleicht sehen könnten und daher beeilte sie sich beim Lesen. Schließlich ging auch sie in ihre Kammer und verriegelte die Tür.

Das harte Bett kümmerte sie weniger, viel mehr aber die Dauer. Denn kaum war sie richtig eingeschlafen, wachte sie auch schon wieder auf. Hastig eilte sie zur Tür und lauschte kurz. Als sie leise die Stimmen der anderen Denunzianten hörte öffnete sie die Tür, um heraus zu finden, was dort vor sich ging. Von ihrer Tür aus betrachtete die Vase und wartete, was die Anderen machen. Vor allem war sie gespannt, was in dem Brief stand.

Menthir

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Das liederliche Spiel
« Antwort #89 am: 21.11.2010, 22:48:54 »
01.01.1042 - Tag des Skorpions - Späte Nacht

Der kleine, findige Spielzeugmacher nutzte seine arkane Gabe, doch konnte er nichts besonderes ausmachen. Es gab natürlich Grenzen, die der Magie gesetzt waren, Grenzen außerhalb der gesetzlichen Bestimmungen; und eine der wirkungsvollsten und zugleich für den Anwender ärgerlichsten war die Bestimmung der Reichweite, die solch ein Zauber haben konnte. Zu gerne nutzten Schatzsucher Odas angewendeten Zauber, um sich - häufig auch auf Kosten anderer - zu bereichern. Er konnte sehr hilfreich sein, auf Tausenden von Feldern. Es war wichtig für die Inquisition und er war wichtig, um überhaupt Wissen über das Arkane, vor allem die Magie, zu erreichen. Eine Art Grundvoraussetzung für das magische Handeln. Und doch war er in diesem Moment unbrauchbar. Keine magische Quellen wollten zu entdecken sein. Oda konnte den Zauber schon fast fallen lassen und dann spürte er plötzlich doch etwas, als er direkt an der Vase stand. Eine Spur von Magie mochte in der Luft liegen, war dort vielleicht nicht was? Etwas am Rande seiner Wahrnehmung kam ihm verdächtig vor, doch noch wusste er es nicht einzuordnen[1].

Derweil hatte Mako Jinsei schon das Siegel erbrochen und sah den Brief vor sich, der in durchaus ansehlicher Art verfasst wurde. Der Schreiber verstand das Kalligraphiehandwerk außerordentlich, was den Barden auf einen hochgebildeten Verfasser schließen ließ. Shūfǎ[2], die große Kunst des schönen Schreibens. Augenscheinlich hatte man sich Mühe gemacht, diesen Brief zu verfassen, welcher, wie es auch nicht anders zu erwarten war, in Chuangshé verfasst war.
Zitat
Seid gegrüßt im Glanze der ewigen Sonne[3],

welche einem jeden Wesen und einer jeden Pflanzen, die auf unserer schönen Erde streifen mag, die nötige Kraft verleiht.
Mag es augenscheinlich sein oder nicht, doch will ich euch die Aufgabe geben, dass ihr in den folgenden Tagen die Sorge um meine liebste Pfingstrose tragt.

Ich gebe sie euch für zwei Tage und sollte sie dann noch in der Schönheit zu sehen sein, wie ich sie aus meinen liebenden Händen gab, will ich euch ein großes Geheimnis verraten, bei dem sogar die Gestirne weinen werden.

Es mag euch absonderlich vorkommen und ihr mögt an meinen geschriebenen Worten zweifeln, könnt ihr doch weder in meinen Augen, meinem ganzen Gesicht oder an meinem Schweiß die Lüge festmachen.

Ich gebe zu, dass meine Aufgabe keine leichte ist und ihr nebenbei Wichtiges und Schmerzhaftes zu erdulden habt, doch schenkt ihr, meiner Aufgabe, die Aufmerksamkeit, die sie benötigt.

Ihr werdet sehen, dass ihr dann vielleicht das scheinbar Unmögliche schaffen könnt und solltet ihr das tun, werdet ihr mit voller Wonne sehen, dass solches auch mir gelingen mag.

Sollte euch meine Aufgabe nicht gelingen, dann braucht ihr auch keine Gedanken daran verlieren, ob ich das scheinbar Unmögliche schaffen kann und die Gestirne zum Weinen bringe.

In tiefster Ehrerbietung
Der Herr der Pfingstrose
[/size]
 3. Vecor

Was dieser ominöse Brief wohl bedeuten mochte? Oda konnte auch sonst nichts weiter an der Blume feststellen, außer dass sie noch äußerst prachtvoll war und stark duftete.
 1. Zauberkundewurf bitte
 2. Shūfǎ
« Letzte Änderung: 22.11.2010, 10:57:27 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

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