• Drucken

Autor Thema: Neersand  (Gelesen 24215 mal)

Beschreibung:

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Daanje Firunkis

  • Beiträge: 204
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #90 am: 01.12.2010, 22:19:46 »
"Die Götter auch mit Euch, schöne Frau, ich hoffe, wir sehen uns wieder!" ruft Daanje Sjurjescha noch zu, während er leicht zusammen zuckt, als das Tor krachend zufliegt. Seufzend ob der verpassten Gelegenheit diese wunderbare Dame ein wenig näher kennen zu lernen, dreht sich Daanje um und gibt sich eine Weile seinen Überlegungen hin, den ekligen Nieselregen ignorierend, soweit es irgendwie geht. Schließlich aber packt er die Beine unter die Arme und begibt sich in Richtung des Efferd-Tempels, wo er zunächst Bericht erstatten und sich unterstellen will. Danach muss er schauen, wo ihn sein Weg hinleiten wird. Vielleicht wäre es gar keine schlechte Idee, sich mehr über die gestohlenen Wertsachen zu erkundigen und heraus zu finden, warum gerade sie gestohlen worden waren, denn augenscheinlich gibt es da keinen ersichtlichen Zusammenhang.

"Aber irgendetwas besonderes müssen sie gemeinsam  haben. Irgendetwas...irgendetwas..." murmelt Daanje vor sich her, während er durch die Straßen in Richtung Efferd-Tempel zieht. "Aber was... Das ist wohl die Frage." Daanje zieht durch die Straßen und wegen seiner tropfenden Haare in seinem Gesicht verpasst er schließlich die Abzweigung nach Osten, um zum Efferd-Tempel zu gelangen und landet stattdessen auf dem Marktplatz. "Ach, Mist! Auch das noch. Hmm..." Daanje legt den Kopf schief und betrachtet die Gebäude, die den Marktplatz umgeben. Dann spricht er einen an ihm Vorübereilenden an. "Entschuldigt bitte, aber könnt Ihr mir vielleicht sagen, was das für Gebäude sind?" Er deutet auf die größten Gebäude am Platze und versucht, ein wenig zur Seite zu sprechen, um seine wahrscheinlich immer noch leicht vorhandene Fahne nicht zur Schau zu stellen.
"Der Born fließt seit 1000 Jahren hinaus bei Festum in das Meer. Er trug so viel, so viele Tränen hinaus und gab sie nicht mehr her." - Der Born von Ragnar Schwefel

Thassilo von Salsweiler

  • Beiträge: 570
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #91 am: 04.12.2010, 13:57:39 »
Was sollte er von dieser Frau halten?
Thassilo war unschlüssig und richtete ein schnelles Stoßgebet an Rondra, dass sie seinen Füßen wohl gesonnen sein möge. Die Rückgabe an den Pferdeburschen verlief glücklicherweise recht schnell, da dieser noch immer in dem kleinen Stall wartete und so warf Thassilo ihm die Zügel bloß schnell zu.
"Die Herrin wird mich zu Fuß brauchen. Ich muss schnell weiter... hast 'nen gut bei mir!"
Mit einer angedeuteten und etwas übertriebenen Verbeugung verabschiedete sich Thassilo und grinste kurz verschmitzt. Der Tag versprach abenteuerlich zu werden. Er musste nur noch herausfinden, was die Edle Tissa wohl vorhatte.
Bei dieser angekommen, nahm er stramm Haltung an und salutierte angemessen.
"Edle Tissa, Korporal von Salsweiler meldet sich wie befohlen -ohne Pferd- abmarschbereit."
Er hatte über die Hektik völlig vergessen, ob er wohl tatsächlich in einer halben Minute wieder zurück war. Aber das liess sich eh nicht mehr ändern.
Wissbegierig schaute er seine Offizierin erwartungsvoll an und konnte seine Neugier kaum bremsen. Zum Glück zügelte er seine Zunge und schluckte die offenen Fragen herunter. Vorerst zumindest. Doch dieses brennende Nagen in seinem Hinterköpfchen...

Mit endlos geübten Griffen überprüfte er noch schnell den Sitz seiner Ausrüstung und wartete auf weitere Befehle.
Ob die Edle den halbwegs gut versteckten Stolz in seinem Blick erkennen konnte? Ob ihr bewusst war, dass er es als Ehre betrachtete, ihr zugeteilt zu sein?
Schließlich atmete er tief und gleichmäßig durch, um seine Gedanken auf das Anliegen der Herrin zu konzentrieren.
Freiheit, Gerechtigkeit, Ehre, Pflicht, Gnade, Hoffnung

Xiam

  • Moderator
  • Beiträge: 922
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #92 am: 08.12.2010, 12:13:56 »
Daanje Firunkis

Die ältere Bauersfrau, welche er angesprochen hat, stellt ihren mit Gemüse gefüllten Korb zu Boden, und schaut in die Richtung, in die Daanje deutet. „Seita nich von hier, wa? Natürlich kann ick euch erzählen, wassat für Häusa sind. Also det jroße da drüben, det mit dem kleenen Park, da wohnt unsere liebe Kronvögtin Tjeika von Jatleskenau. Wundaschön, niwa? Son Jarten hätt ick ooch jern. Und da hinten, det issat Hotel Neersand. Wennze nich einen sehr jroßen Dukatenbeutel dein Eijen nennt, Jungchen, denn kannste dir dort wahrscheinlich nicht ma nen Tee leesten.“ Über ihren eigenen Witz muss die Frau an dieser Stelle erst einmal kichern. Schnell fängt sie sich jedoch wieder. „Ja, also det langjezogene Jebäude jejenüber dem Palast isset Rathaus. Und da hinten, inn de Ecke da, dat issat Kontor der Familie Torvinnen – sehr reiche Händler.“ Dabei blinzelt sie Daanje verschwörerisch zu. „Suchste dann wat bestimmtes, Jungchen?“

Thassilo von Salsweiler

Tissa nickte nur knapp, als Thassilo ohne Pferd wieder antrat. Mit einer Kopfbewegung forderte sie ihn auf zu folgen und legte dabei einen Schritt vor, bei dem sich Thassilo schon anstrengen musste, mitzuhalten und dabei gleichzeitig würdevoll auszusehen. Wortlos marschierten die beiden Ritter den kurzen Weg durch die Siedlung zum Anleger der Fischerboote. Und mit nur wenigen Worten, dafür aber umso mehr Autorität in der Stimme, erreichte Tissa, dass beide sofort von einem der Fischer über den Walsach über gesetzt wurden. Erst jetzt begann die Ritterin zu sprechen.

„In Neersand werden wir selbstverständlich unseren obligatorischen Besuch im Rondratempel machen. Ich möchte, dass ihr das Gebet für uns dort sprecht. Dann werden wir beim örtlichen Efferdgeweihten vorstellig, Jesidoro oder so ähnlich heißt der Mann. Ich habe uns bereits angekündigt. Der Orden hat Kunde davon erhalten, dass etwas aus dem Tempelschatz gestohlen wurde. Leider wissen wir nicht genau was, nur dass es sich dabei um rondragefällige Opfergaben gehandelt haben soll. Für uns ist dies Grund genug, einmal genauer nachzufragen." Dann sprach die Ritterin nicht weiter, doch Thassilo hatte das Gefühl, dass sie noch etwas sagen wollte.

"Wusstet ihr, dass die Stadt Neersand einst sehr eng mit dem rondrianischen Glauben verbunden war? Kaum zu glauben, wenn man sich die träge gewordenen Bewohner heute anschaut.“

An dieser Stelle unterbrach sich Tissa erneut und blickte über die Wellen des Flusses. Auch Thassilo schwieg, denn er hatte abermals den Eindruck, dass sie auf keine Erwiderung wartete sondern nachdachte.

„Das Bornland war in den alten Zeiten ein gefährliches und wildes Land, beherrscht von den Rotpelzen, die hier in Scharen lebten. Vor über 1000 Jahren, nach der ersten Dämonenschlacht als das verdorbene Bosparan niederging, wurde im Theater zu Arivor ein Orden der Göttin gegründet, der Theaterorden. Den kennt ihr sicherlich. Was viele nicht wissen, ist, dass das Bornland einst ein Geschenk des guten Kaisers Gerbald an den Orden war. Der Theaterorden sollte, so die Absicht des Kaisers, Burgen und Siedlungen Gründen, die Rotpelze vertreiben und das Bornland sicherer machen, damit es besiedelt werden konnte. Als Gegenleistung erhielten sie die Herrschaft über das Land. Noch heute können fast alle adligen Familien des Bornlands – und damit sicherlich auch eure – ihre Linie bis zu den Theaterrittern zurückverfolgen.“

Wieder unterbrach sich die Ritterin und blickte versonnen über dem Fluss.

„Nun ja, diese alten Zeiten sind vorbei. Der Theaterorden existiert nicht mehr, seit die Ritter von den Priesterkaisern verfolgt und ermordet wurden. Doch unser Orden, der Widderorden, kann sich als direkter Nachfolger der Theaterritter von Arivor betrachten, zumindest hier in Bornland. Die Ordensburgen entlang des Walsach wurden von den Theaterrittern gebaut. Und auch viele Städte, Festum, Norburg, Notmark und ja, auch Neersand gehen auf Gründungen durch den Theaterorden zurück. Ihr seht also, wir haben eine heilige Pflicht, uns um die Sicherheit der Bürger zu kümmern. Und Ihr seht auch, dass die rondrianische Tradition in diesem Land tiefere Wurzeln hat, als der Uneingeweihte glauben sollte. Und deswegen müssen wir der Sache auch nachgehen, wenn aus einem Tempel Opfergaben gestohlen wurden, die eine rondrianische Tradition haben.“
In diesem Moment erreichte das Fischerboot das andere Ufer.
« Letzte Änderung: 08.12.2010, 12:17:17 von Xiam »

Daanje Firunkis

  • Beiträge: 204
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #93 am: 08.12.2010, 12:28:07 »
Daanje lauscht den Ausführungen der Frau sehr aufmerksam und lacht mit ihr über ihren kleinen Scherz. Er mag solche Menschen. Bevor er jedoch in seiner Freude über die einfache, gutmütige Frau versinkt, nickt er auf ihre Frage hin. "Allerdings, gute Frau. Ich war eigentlich auf dem Weg zum Tempel des Herrn Efferd, aber jetzt, da ich hier bin...Könnt Ihr mir sagen, wo ich vielleicht eine Art Bibliothek finde? Ich bräuchte ein paar Informationen. Chroniken wären nicht schlecht, aber mir reichen auch ein paar Historien über Neersand und die nähere Umgebung. Das Rathaus wäre da vielleicht eine Möglichkeit, aber ich vermute, dass ich da nicht einfach so hinein spazieren kann, was?"
"Der Born fließt seit 1000 Jahren hinaus bei Festum in das Meer. Er trug so viel, so viele Tränen hinaus und gab sie nicht mehr her." - Der Born von Ragnar Schwefel

Xiam

  • Moderator
  • Beiträge: 922
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #94 am: 08.12.2010, 13:19:45 »
Die Frau kratzte sich umständlich ihren Kopf, wobei sie um ein Haar ihren Dudd versehentlich öffnete.
"Im Rathaus is, jlaub ick, det Archiv unterjebracht. Ob de da so eenfach rinspatzieren kannst, wees ick aba nich." erklärte sie Daanje.

Daanje Firunkis

  • Beiträge: 204
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #95 am: 12.12.2010, 16:26:24 »
"Das habe ich mir schon gedacht, aber ich werde es mal versuchen. Müssen. Ach, gute Frau, wisst Ihr denn sonst vielleicht jemand, der sich hier in der Stadt mit der Geschichte der Umgebung auskennt und eher mit mir reden würde als der Archivar vom Rathaus? Ich halte mir gerne mehrere Möglichkeiten offen." Daanje zwinkert auf seine berühmt-berüchtigte Art und es wird deutlich, dass er damit nicht nur seine Recherche meint. "Ich bräuchte insbesondere Informationen über Rüstungen und Waffen, vor allem auch über Seefahrer und über verschiedene Sammler, die es in Neersand geben könnte, die sich vor allem jenen Dingen zugewandt haben."
"Der Born fließt seit 1000 Jahren hinaus bei Festum in das Meer. Er trug so viel, so viele Tränen hinaus und gab sie nicht mehr her." - Der Born von Ragnar Schwefel

Xiam

  • Moderator
  • Beiträge: 922
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #96 am: 12.12.2010, 16:31:38 »
Die Frau kratzt sich wieder umständlich am Hinterkopf und sagt dann schließlich: "Na, ick denk de Jeweihten von Efferd oda Rondra innen Tempeln kenne sick bestimmt jut mitte Jeschichte hier aus, niwa?"

Daanje Firunkis

  • Beiträge: 204
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #97 am: 12.12.2010, 16:46:21 »
Mit geneigtem Kopf betrachtet Daanje den ewigen Kopfjuckreiz der Frau und tritt unauffällig einen Schritt zur Seite, um sich nicht mögliches Ungeziefer aufzulesen, das die Frau mit ihren Kratzattacken wohl verteilen würde. "Das ist wahr, nur die Geweihten des Efferd..." Daanje hält sich zurück, bevor er zuviel verrät. "Könnt Ihr mir vielleicht auch noch sagen, wo ich den Rondra-Tempel finde? Dann werde ich mich da mal umhören. Ich bin sicher, dass sich da auch mehr über Waffen heraus finden lässt." Außerdem hegt Daanje die Hoffnung, in einem Rondra-Tempel auf ein paar nette Frauen zu treffen. Doch zuerst verneigt er sich tief vor der Frau. "Habt vielen Dank, werte Dame, ich bin Euch etwas schuldig. Benötigt Ihr einmal Hilfe, so scheut Euch nicht, Euch an mich zu wenden. Wenn Ihr mich nun entschuldigen würdet, ich werde mal schauen, ob ich nicht doch dem Archiv im Rathaus einen Besuch abstatten kann."
"Der Born fließt seit 1000 Jahren hinaus bei Festum in das Meer. Er trug so viel, so viele Tränen hinaus und gab sie nicht mehr her." - Der Born von Ragnar Schwefel

Thassilo von Salsweiler

  • Beiträge: 570
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #98 am: 12.12.2010, 19:01:15 »
Stolz auf die Wahl seiner Person und seine Offizierin begleiten zu können steht Thassilo neben ihr an Deck und hält sein Gesicht -wie so oft- keck in den Wind, das Kinn leicht vorgereckt. Aufmerksam lauscht er währenddessen der Geschichte seines Ordens, welche sich durch so viele, brutale Jahre zieht und so unrühmlich endet. Etwas schwermütig, an diesem Ende nichts mehr ändern zu können seufzt er zum Ende ihrer Ausführungen und kommt sich dabei plötzlich kindisch vor.
Sei nicht so ein Idiot, Du Schafhirte! schilt er sich gedanklich selbst, an seine frühen Kindheitstage erinnert, als er gegen unsichtbare Gegner auf den Schafsweiden seiner Eltern auf den Dämmen am Walsach kämpfte.

"Gern werde ich das Gebet sprechen, Herrin. Und wir sollten diese Verbrecher der Gerichtsbarkeit zuführen. Wer keinen Respekt vor den Göttern hat, verdient nur eine gerechte und harte Bestrafung. Ich werde tun, was ihr verlangt, damit einem solchen Frevel ein Ende gesetzt wird, Edle Tissa.
Mir ist die Sicherheit der Bürger Neersands  und des ganzen Bornlandes eine Herzensangelegenheit."


Thassilos Stimme ist etwas rau und doch ist erkennbar, dass er aufrichtig spricht und seine Motive -so pathetisch sie auch vorgetragen werden- durchaus ernst sind. Als patriotischer Einwohner, dessen Blick durch den volksnahen Adel geprägt ist, liegt ihm an der Sicherheit seiner Landsmänner und -frauen wirklich viel.
Freiheit, Gerechtigkeit, Ehre, Pflicht, Gnade, Hoffnung

Xiam

  • Moderator
  • Beiträge: 922
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #99 am: 28.12.2010, 15:56:05 »
Daanje Firunkis

Das stolze Rathaus von Neersand ist ein imposanter Bau: zwei hohe Geschosse aus rotem Backstein, gekrönt von einem steilen Dach. Die breite Vorderfront ist sogar etwas länger als die der gegenüberliegenden kronvögtlichen Residenz aus abweisendem schwarzen Marmor. Die Fassade ist mit blauen Kachelbildern geschmückt, die für die vertretenen Zünfte stehen. All diese Pracht wird aber durch einen leisen Missklang gestört, der zunächst kaum  auffällt, sich aber beim besten Willen nicht ableugnen lässt: Das Dach ist schief. Der Dachfirst ragt am südlichen Ende gut einen halben Schritt höher hinaus als im Norden.
Von den vier Schreibern, die in der Kanzleistube des Neersander Rathauses Dienst tun (und dabei nicht gerade überarbeitet wirken), wirst du bei deinem Eintreten mit wohlwollenden Interesse betrachtet. Es sieht ganz danach aus, als versprächen sich die Damen und Herren durch dich eine Abwechslung. Der Gedanke, dass sich hier an der Aufklärung des Diebstahls aus dem Efferd-Tempel mitwirken könnten, löst erst ungläubige Staunen, dann helle Begeisterung aus. Der dienstälteste Schreiber, Meister Miljan, heißt diese ehrenvolle Aufgabe nach kurzen Disput Ansicht: „Nun, lieber Herr, das ist uns… mir eine Ehre! Womit können wir… kann ich euch dienen?“

Thassilo von Salsweiler

Kaum dass euer Boot angelegt hat, springt Tissa bereits von Bord und macht eine zur Eile antreibende Handbewegung. Mit kräftigen Schritten geht sie voraus zum Rondra-Tempel.
Der Neersander Tempel der Kriegsgöttin ist in jeder Hinsicht
ungewöhnlich. Eine schmale Außentreppe führt in das Obergeschoss des Gebäudes, in dem sich die Bethalle befindet Der eigentliche Tempelraum umfasst das gesamte erste Stockwerk und ist vollkommen leer. Es gibt keinen Altar und keine Bänke: Die Göttinnendienste hält die Schwertschwester inmitten der Gläubigen stehend ab. Die Wände sind nicht mit Waffen oder Wappenschilden geschmückt, sondern einfach geweißt – nicht einmal Fackelhalter gibt es, bei nächtlichen Rondradiensten halten die Novizen Kerzen in den Händen. Durch die Leere allerdings wirkt der kostbarste Schatz des Tempels noch monumentaler: die Bleiglasfenster, die sich über die gesamte Stirnseite des Raumes im Süden ziehen. Rot ist die
vorherrschende Farbe in ihnen, und so ist die Halle den ganzen Tag in einen leichten rötlichen Schimmer gehüllt.
Stille herrscht, als ihr euch nieder kniet. Tissa hält ihre Augen geschlossen. Wahrscheinlich erwartet sie, dass du mit dem Gebet beginnst.

Thassilo von Salsweiler

  • Beiträge: 570
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #100 am: 03.01.2011, 17:55:23 »
Mit großen Schritten folgt Thassilo seiner Herrin und hängt seinen Gedanken nach. Was ihn wohl erwarten mag. Welche Prüfung hat er abzulegen?
Doch verbeißt er sich seine Neugier und bleibt diszipliniert. Eine Tugend, für die er seit jeher hart gearbeitet hat und auch zukünftig hart für arbeiten muss.

Das Gebet beginnt Thassilo noch im Stehen, die Augen geschlossen und seine Hände nach oben geöffnet, kleinen Schalen gleich.
"Herrin Rondra! Dir zur Ehre leben wir, walten wir und Dir zur Ehre schlägt unser Herz."
Nun kniet auch Thassilo sich auf den sauberen Boden und betet weiter, seinen Kopf in Ehrfurcht geneigt.
"Dir zur Ehre tragen wir das Schwert der Gerechtigkeit in unserer Feinde Länder. Dir zur Ehre lassen wir walten den gerechten Zorn Deines Urteils. Dir zur Ehre fahren wir wie Pflugscharen durch unsere Feinde. Dir zur Ehre fassen wir uns ein Herz und bestehen tapfer in Deinem Angesicht. Dein Reich ist herrlich und aufrecht. Dein Reich ist groß und tugendhaft.
Wir treten hier vor Dich und bitten um Gnade für die Seelen unserer Feinde, die wir in Deinem herrlichen Angesicht zu Boron schicken.
Wir treten hier vor Dich und bitten demütig um Gnade für unsere Verfehlungen. Denn sie zeigen unsere Schwächen, die wir bekämpfen werden, wie unsere Feinde. Wir werden nicht fehlen in Deinem herrlichen Angesicht."

Thassilo stockt einen Moment, denn ihm ist klar, dass er für Vergebung bittet und dies auch als Zeichen von Schwäche ausgelegt werden könnte. Doch spricht er weiter, fest im Glauben an seine Löwengöttin.
"Schenke uns die Kraft zu bestehen vor Dir, vor unseren Feinden und vor uns selbst. Richte uns und wir richten Deine Feinde."
Mit einer fließenden Bewegung zieht Thassilo sein altes Langschwert, welches seines Vaters Urgroßvater zuletzt getragen hatte, und bietet dem Altar förmlich das Heft des Schwertes. Das Zeichen dafür, dass er sein Schwert nur seiner Herrin Rondra schuldet.
Freiheit, Gerechtigkeit, Ehre, Pflicht, Gnade, Hoffnung

Xiam

  • Moderator
  • Beiträge: 922
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #101 am: 06.01.2011, 09:58:23 »
Thassilo von Salsweiler

Thassilos Blick streift nach dem Ende seines Gebetes über die sechs Fensterbilder, durch die die Sonne in den Raum scheint.



Die Sonne muss kurz von einer Wolke verdeckt gewesen sein – einen Moment lang sah es so aus, als würde das Fensterbild sich bewegen. Thassilo blinzelt und schüttelt rasch den Kopf. Aber es war keine Sinnestäuschung! Die prächtig gerüstete Kriegerin auf einem der Bilder ist… einen Schritt aus dem Fenster herausgetreten! Ein unsichtbarer Windhauch spielt mit ihrem Wappenrock und ihrem Haar. Ihr ebenmäßiges Gesicht hat einen besorgten, ratlosen Ausdruck angenommen. Sie schaut Thassilo an wie einen alten Waffenbruder und Freund und spricht mit fragender Stimme: „Wir haben es vor den Verblendeten in unseren eigenen Reihen verborgen. Soll es nun den verblendeten Praios-Dienern in die Hände fallen? Nein! Doch es mitzunehmen, wäre zu gefährlich – nur dieses Land kann es bewahren…“
Sie hebt die rechte Hand, in der sie ein kleines Segelschiff trägt. Der Wind wird stärker, die Segel beginnen sich aufzublähen. Zu der Brise kommt nur noch das rauschen der Wellen hinzu – nein, es ist das Rauschen des Blutes in Thassilos Ohren, als er das Bewusstsein wiedererlangt. Der jungen Krieger liegt auf dem Rücken auf dem Boden des Tempels und blickt in grenzenlos verwirrte, besorgte, aber auch aufmerksam interessierte Gesichter.
« Letzte Änderung: 06.01.2011, 23:14:29 von Xiam »

Daanje Firunkis

  • Beiträge: 204
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #102 am: 09.01.2011, 15:40:56 »
"Äh", Daanje ist sichtlich kurz irritiert über die Begrüßung, die er erhält. Er hätte damit gerechnet, sofort abgewiesen zu werden, denn in das Archiv des Rathauses darf mit Sicherheit nicht jeder sofort rein, besonders wenn er derzeit so aussieht und riecht wie er. Aber anscheinend sind die Schreiber hier tatsächlich so unausgelastet, wie sie auf den ersten Blick aussehen, und so freut es Daanje auch, dass er ohne große Probleme an die Informationen gelangen könnte, die er braucht, insofern sie vorhanden sind.

Er räuspert sich und beginnt, ein wenig umher zu laufen, wobei er die Architektur und eventuell herum stehende Nichtigkeiten interessiert begutachtet. "Womit Ihr mir dienen könnt, sind Auskünfte, werter Meister Miljan. Natürlich bin ich mit der Geschichte Neersands bestens vertraut, ich kenne viele Legenden und Sagen, bin weit herum gekommen, aber" - und im Augenblick des zackig vorgetragenen Abers hob Daanje, stehend bleibend, den Zeigefinger - "auch ein Herr meines Formates weiß selbstverständlich nicht alles und so wende ich mich vertrauensvoll an Euch, in der Annahme, dass Ihr alles, was ich Euch vortrage, worum ich Euch bitte und was ich Euch frage, für Euch behaltet." Daanje sieht Miljan ernst an, wobei ihn schon wieder der Schalk in den Nacken beißt und er darüber nachdenkt, wie er die gelangweilten Schreiber möglichst viel auf Trab halten und dabei noch Informationen sammeln kann.

"Doch wenn ich Euch so ansehe, dann sehe ich einen ehrlichen Mann, auf dessen stummes Wort ich wohl vertrauen kann." Daanje räuspert sich erneut und nimmt den Zeigefinger wieder hinunter, wobei er wiederum los läuft. "Solltet Ihr mich in der Hinsicht enttäuschen, so könnte das fatale Folgen für Euch haben. Nur als kleiner Hinweis." Um seine Drohung zu entschärfen, lächelt Daanje wiederum so charmant, dass ihm in diesem Moment wohl seine Bronnjarin widerstehen könnte. "Nun ja, also, ich brauche" - Daanje bleibt stehen, sieht an die Decke und tippt mit der rechten die Finger der linken Hand an. "Die Chroniken der Jahre von 990 BF bis zum heutigen Tage. Danach benötige ich noch Informationen über das Hause Pilavtis zu Schwertbergen, über den früheren Leiter der Kriegerakademie Jasper von Gorschnitz und ähm...eine kurze Abhandlung über Neersand, die nähere Umgebung und öhm, was sich noch dazu finden lässt. Bekannte Schifffahrer wären auch nicht schlecht."

Daanje hat keine Ahnung, ob er auch nur irgendetwas davon brauchen oder ob man es ihm besorgen kann, aber er hofft - neben der eigenen Belustigung über die Schreiber - auch endlich einen Hinweis zu finden, warum gerade diese Rüstungsteile gestohlen wurden. Natürlich muss es keinen Zusammenhang geben, aber es erscheint ihm unwahrscheinlich, dass einfach jemand den Efferd-Tempel bestiehlt, nur um an eine Rüstung, einen Helm und ein Schwert zu gelangen, wo solch Ausrüstung doch sicher überall billig oder weniger aufwändig zu beschaffen gewesen wäre.
"Der Born fließt seit 1000 Jahren hinaus bei Festum in das Meer. Er trug so viel, so viele Tränen hinaus und gab sie nicht mehr her." - Der Born von Ragnar Schwefel

Thassilo von Salsweiler

  • Beiträge: 570
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #103 am: 16.01.2011, 17:10:22 »
"Oh je.... was war das?"
Thassilo blickt ebenso erstaunt und fragend zurück, während er langsam wieder zur Besinnung kommt.
"Habt ihr das auch gesehen?"
Noch viel zu verdattert, als dass er begreifen könnte eine Vision gehabt zu haben, rappelt er sich wieder auf und versucht Haltung zu bewahren. Die Erinnerungen und Gedanken kreisen kreuz und quer durch seinen Kopf, dazu gesellt sich eine leichte Übelkeit, als er beginnt zu begreifen. Seine Knie sind weich, wie Andergaster Pudding und seine Sinne benebelt, wie Prem im Herbst.

"Herrin Tissa, wir... wir müssen reden. Und den Vater dieser heiligen Hallen sollten wir dabei haben. Ich habe etwas gesehen, dass...."
Fragend schaut er sich um und weiß nicht so recht, ob er weiter reden sollte, oder lieber schweigt. Schließlich hat die große Herrin Rondra ihn ausersucht, diese Vision zu erhalten. Ein Geschenk und Auszeichnung zugleich. Doch meist verbunden mit einer schweren Bürde, wenn er die Geschichte seines Ordens und der heiligen Krieger revue passieren lässt. Wie die zwei Seiten eines Schwertes gilt es nun abzuwägen, was er erzählen sollte und was nicht. Innerlich schilt er sich, dass er zuwenig der wissenschaftlichen Vorlesungen besucht hat, doch gilt es nun schnell Entscheidungen zu treffen und zu handeln.
Mit tiefen Atemzügen versucht er sich zu beruhigen und wieder Struktur in seine weichen Glieder zu bekommen.
Freiheit, Gerechtigkeit, Ehre, Pflicht, Gnade, Hoffnung

Xiam

  • Moderator
  • Beiträge: 922
    • Profil anzeigen
Neersand
« Antwort #104 am: 26.01.2011, 11:13:04 »
Daanje Firunkis

Geduldig hört sich der Schreiber die Liste der Werke an, die Daanje einzusehen beabsichtigt. An einigen Stellen nickt Meister Miljan, während er bei den Erwähnungen anderer gesuchter Schriftstücke leicht den Kopf schüttelt. Dennoch lässt er Daanje erst einmal zu Ende sprechen, bevor er seine Brille zurück auf die Nase schiebt, die Hände aneinander reibt und nachdenklich zu sprechen beginnt: „Das ist aber ziemlich viel… die Stadtchronik könnt ihr selbstverständlich einsehen. Allerdings fürchte ich, wenn ihr nicht wenigstens in etwa wisst, was Ihr sucht, wird das sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Chronik ist sehr umfangreich… was die Informationen zu den beiden Familien angeht, da kann ich… können wir euch wahrscheinlich nicht helfen. Die Namen sind mir… uns zwar dunkel ein Begriff, jedoch haben diese Familien keinen engeren Bezug zu Neersand. Ich wüsste nicht, dass ich… dass wir über die etwas in unseren Archiven hätten. Sicherlich kann euch aber die Akademie Auskünfte über ihren früheren Leiter geben… jedenfalls sofern ihre einen legitimen Anspruch auf derartige Auskünfte habt… Informationen über die Neersander Umgebung habe ich… haben wir natürlich hier. Zum Teil ist sie nämlich Teil der Stadtchronik. Bekannte Schifffahrer… nein so etwas habe ich… haben wir nicht im Archiv. Vielleicht kann euch da der Efferdtempel selbst weiter helfen.“

Daanje wird in das Archiv eingelassen und man weißt ihm ein Lesepult zu. Schon nach kurzer Zeit türmen sich Schriftrollen auf dem Pult. „Ab 990 bis heute? Das wäre es dann. Ich lasse euch mal damit alleine. Wenn ihr noch etwas braucht, dann ruft mich… ruft uns einfach.“

Seufzend vertieft sich Daanje in die Stadtchronik. Die Einträge sind nach Jahren zusammengefasst. Das ist natürlich gut, wenn man das Datum eines Ereignisses kennt, macht die Lektüre aber ziemlich langweilig, wenn man gar nicht so genau weiß wonach man sucht. Nach etwa einer Stunde hat Daanje die Chronik zumindest überflogen. Nein, nichts darin ist ihm ins Auge gesprungen. Wonach sollte er nur suchen?

Gelangweilt wendet sich Daanje einem Buch zu, welches laut Meister Miljan Neersand und die Umgebung beschreiben soll. Genau genommen handelt es sich dabei um den Reisebericht einer Abenteurergruppe, welche vor gut zwanzig Jahren von Neersand aus mit einem Flussschiff den Walsach stromaufwärts befuhr. Die Abenteurer waren angeheuert worden, um einen gewissen Stane Ter Sieveling, seines Zeichens jüngster Spross einer reichen Kaufmannsfamilie, anlässlich seiner Hochzeit mit der Tochter des Grafen Uriel von Notmark in eben diese Grafschaft zu begleiten. Bei der Erwähnung des Grafen Uriel stellen sich Daanjes Nackenhaare auf. Er wusste aus Erzählungen, dass Uriel sich vor einigen Jahren bei  Borbarads Versuch auch das Bornland zu unterwerfen auf dessen Seite geschlagen hatte aber glücklicherweise gescheitert war. Am Ende war es seine eigene Tochter, die sich gegen ihn gestellt hatte. Ja, Tjeika von Jatleskenau, die gegenwärtige Adelsmarschallin des Bornlandes, ist die Tochter Uriels von Notmark, die damals mit dem Kaufmannssohn verheiratet wurde. Aus dem Reisebericht geht hervor, dass Uriel schon zu damaliger Zeit ein ziemlich unangenehmer Zeitgenossen gewesen zu sein scheint. Seine Tochter hingegen erfreut sich im Bornland bis heute außerordentlicher Beliebtheit, war sie schließlich als Adelsmarschallin wiedergewählt worden. Sehr plastisch und abwechslungsreich wird die Reise auf dem Walsach beschrieben, sodass Daanje gar nicht merkt, wie die Stunden vergehen. Besonders spannend wird es, als das Schiff von den gefürchteten Walsach-Piraten angegriffen wird, deren Anführer der berüchtigte Mjesko Einhand ist. Auch von dem hat Daanje bereits finstere Geschichten gehört, denn auch Mjesko war vor einigen Jahren ins Lager der Borbaradianer gewechselt.

Daanje ist so vertieft in den Bericht, dass er gar nicht merkt, als Meister Miljan an sein Lesepult tritt und fragt: „Und, habt ihr gefunden was Ihr sucht?“
Tja, hatte er? Zweifellos hat Daanje mit dieser spannenden Lektüre einem kurzweiligen Nachmittag verlebt, doch in seinen Ermittlungen weiter gebracht hat ihn das alles nicht wirklich.
« Letzte Änderung: 26.01.2011, 11:16:50 von Xiam »

  • Drucken