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Autor Thema: Casus Belli  (Gelesen 84922 mal)

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Menthir

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Casus Belli
« Antwort #270 am: 18.04.2012, 22:50:25 »
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:14 Uhr - Gut Emkendorf

"Interessant. Das ist höchst interessant. Nicht nur, weil ich Ihnen glaube, Herr von Lütjenburg. Sondern weil es die Bestätigung dessen ist, was ich als Mensch schon immer gefürchtet und verachtet habe. Meine Hoffnung legt mir immer wieder nahe, an Prinzipien und Werte glauben zu können, die Realität zeigt mir, dass man selbst an sowas glauben kann und sollte, aber man sich aufgrund dessen nicht darauf verlassen sollte, dass anderes dies tun. Das ist völlig unabhängig, ob sie äußerlich dieselbe Couleur tragen, sich denselben Prinzipien verpflichten und manchmal sogar unabhängig davon, ob sie einen Eid geschworen haben oder nicht. Wie häufig gilt dann leider: Verlass dich auf andere und du bist verlassen." Der Herzog stützte den Kopf nachdenklich auf die Faust, während er sprach, sein Ellenbogen war dabei auf den Schreibtisch aufgestützt. Er atmete tief ein, es wurde deutlich, dass der Herzog ein sehr negativistisches Weltbild haben mochte. Wer seine Lebensgeschichte kannte, der konnte sich schnell zusammenreimen, woran das wohl lag. Er nahm den Kopf wieder hoch und schnitt sich noch ein Brötchen auf. Während er es mit Butter bestrich, sprach er weiter.
"Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich nicht so positiv über die preußische Mithilfe denken mag, solange Sie sich nicht bestätigt hat. Beim letzten Krieg verließ Preußen schnell wieder unsere Seite verlassen, und sie sind diplomatisch durchtrieben. Alleine die vielen Gerüchte über ihre neue Geheimpolizei, die sich in Holstein befindet, gefällt mir gar nicht." Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Entschuldigen Sie und verstehen Sie es bitte nicht als Verurteilung."

Schnell landete eine Bratenscheibe auf dem Brötchen, darauf etwas Katenschinken und ein Stück Gewürzgurke. Genüsslich biss er rein und musterte den preußischen Offizier vor sich. "Das ist das Werk des Teufels, wie man so schön sagt. Er verführt unsere Brüder zu Taten, die einfach furchtbar sind, für die Mitmenschen oder vor allem für jene Menschen in deren Vertrauen. Was Marius Pedersen wohl begehrte, dass er die Studentenschaft verriet? Und was er wohl falsch machte, dass sein Verrat so schnell gerächt wurde? Es spricht in der Tat dafür, dass einiges gehörig schief gegangen ist. Und auch dafür, dass er vielleicht davon wusste." Er biss nochmal ab. "Wenn Sich dieser Verdacht erhärtet... Wissen Sie was? Ich glaube, es ist das Beste, wenn Sie nach dem Frühstück unsere Gäste noch einmal befragen. Diese beiden Schotten, sie werden mehr wissen."

Der Herzog aß die Hälfte auf und lehnte sich zurück. "Ich denke über Ihre Worte nach. Ja, natürlich haben die Dänen davon gewusst, dass für Sie eine Abschrift angefertigt wird, wie auch die Preußen. Ihre Botschafter haben jeweils darauf gewartet. Das ist ein eeiteres Problem, ich vertröste sie seitdem. Beide Botschafter fordern natürlich auf diplomatischen Wege die Herausgabe und ich muss mich winden wie ein bayerischer Aal. Allerdings wussten Sie nicht vom genauen Ort, das ist wahr. Ich werde meine eigenen Männer überprüfen müssen, da haben Sie wahrscheinlich recht. Das werde ich veranlassen, wenn Sie nachher die Schotten befragen." Er legte wieder das nachdenkliche Haupt auf eine Faust, sein morgendlicher Frohsinn wich wieder dem Trübsal. Doch dann kam ihm eine Idee, seine Augen funkelten fast listig, als er die Frage stellte.
"Carl, wenn Sie jetzt Herzog von Schleswig-Holstein wären. Was würden Sie jetzt tun?"
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Samuel Weissdorn

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Casus Belli
« Antwort #271 am: 19.04.2012, 00:08:27 »
Als seine Zuhörer nach der Vorlesung zu ihm kamen, nahm Samuel seine Unterlagen vom Redepult und klemmte sie unter seinen Arm. Wer darauf achtete, mochte bemerken, dass diese „Unterlagen“ in Wahrheit nichts anderes waren als ein Stapel leerer, weißer Papierzettel.

Geduldig beantwortete Samuel alle Fragen und nahm sich die Zeit, auch kleinste Details zu erklären und sich auf kleine Folgediskussionen einzulassen. Doch machte er nicht den Eindruck, als würde er das Bad in der Menge genießen; vielmehr schien es ein wenig wie ein notwendiges Übel, das er über sich ergehen ließ. Er wirkte nicht ganz unglücklich, doch wer genau auf ihn achtete, konnte merken, dass er die Vorlesung nun am liebsten hinter sich bringen wollte.

Insbesondere die Lobesbekundungen und die Wiederholungen des von ihm in der Vorlesung Gesagten schienen ihm tatsächlich unangenehm zu sein.

Sichtlich genoss er es dann, nicht mehr ganz so im Fokus der Aufmerksamkeit zu stehen, als sich der Kreis der Professoren bildete – ebenso offensichtlich war er allerdings irritiert darüber, dass die Menge den Saal verließ, während der auserlesene Kreis der Gelehrten, bewacht von ausgebildeten Soldaten, sie offenbar bewachten. Er schien zwar nicht eingeschüchtert, aber zumindest schien er die Situation anfangs nicht ganz einschätzen zu können, und eine gewisse Anspannung an ihm war kaum zu übersehen.

Als die Gespräche sich dann der Bundesexekution und dem Schicksal Schleswigs und Holsteins zuwendeten, dämmerte dem frisch gebackenen Dozenten allmählich, was es mit dieser Versammlung auf sich hatte. Neugierig wanderte sein Blick über die Anwesenden, und er hielt sich die ganze Zeit über vornehm zurück, beobachtend und die Lage einschätzend.

Schließlich fand Karsten zumindest einige Worte für ihn. Ihm fiel durchaus auf, dass der Mineraloge das Wort „Vorstellung“ anstelle von „Vorlesung“ gewählt hatte – ein kleines Detail, das ihm jedoch eine Menge verriet. Vielleicht gab es ja doch ein oder zwei Zuhörer, die verstanden hatten, was er in der Vorlesung gemacht hatte.

„Vielen Dank“, entgegnete er knapp, als Karsten ihn als Dozent willkommen hieß. Er schien nicht wirklich überrascht, aber doch ein wenig erleichtert über die Bestätigung.

Wie sein Direktor ihn anwies, lauschte Samuel anschließend sehr genau den folgenden Ausführungen. Als Alfred Nobel sich vorstellte, blieb in seinem Blick jedes Erkennen aus – vermutlich war er tatsächlich der einzige im Saal, der keine Ahnung hatte, wer der Chemiker war, und suchend sah er sich in der Runde um, als würden ihm die Gesichter der anderen Professoren Aufschluss über die Identität dieses Mannes geben.

Bei Alfreds Erzählung hingegen wurden seine Augen groß – und mit jedem zusätzlichen Detail wirkte Samuel entgeisterter. Es war offenkundig, dass er mit so etwas nicht gerechnet hatte.

„Ich weiß sehr wohl, was ich Karsten zugesagt habe“, ging es ihm durch den Kopf. „Aber das… ich hätte nicht gedacht, dass ich in so etwas verwickelt werde. Und vor allem nicht so schnell. Erpressung, Attentate, ein zerstörtes Schiff… aber immerhin weiß ich jetzt, was es mit dem Schiffsunglück auf sich hatte.“

Und auch, wenn Alfreds Berichte ihn schon auf einiges eingestimmt hatten, genügten Conrads Offenbarungen, ihn zu einem überraschten Kratzen am Hinterkopf zu bewegen. Vermutlich war Samuels Bild von der politischen Lage und den damit verbundenen Verwicklungen am unvollständigsten von allen, die im Saal waren, und er hatte sichtlich Mühe, die Mosaiksteine zu einem großen Ganzen zusammenzufügen.

Als Conrad dann wie selbstverständlich davon sprach, Magie einzusetzen, schrak Samuel sogar ein wenig auf, und betrachtete den Soldaten mit undeutbarer Miene. Erst nach einigen Sekunden wandte er seinen Blick wieder ab, als Mommsen das Wort ergriff.

Schließlich war es Himly, der sich direkt – zumindest unter anderem – an Samuel wandte.

Wieder kratzte er sich am Kopf, und sah dem Kollegen etwas mitgenommen, aber doch direkt in die Augen. „Ich muss zugeben, dass ich von der Vielzahl der Eröffnungen in dieser Runde ein wenig… überrumpelt bin. Dennoch möchte ich mich für das von Ihnen allen gezeigte Vertrauen bedanken und als allererstes betonen, dass ich nicht vorhabe, es zu enttäuschen.“

Er nickte, mehr zu sich selbst als zu Himly. Die Machtergreifung des Herzogs war tatsächlich etwas, das ihm bitter aufgestoßen war, und wenn es jemanden gab, der für Selbstbestimmung und freie Entfaltung war, dann wohl Samuel selbst.

Er hatte ganz gewiss nicht vorgehabt, sich mitten in den womöglich anstehenden Krieg hineinziehen zu lassen. Und doch, sofern er nicht gerade als Soldat an vorderster Front würde kämpfen müssen, musste er zugeben, dass es einen gewissen Reiz auf ihn ausübte, Einfluss zu nehmen. Es war zum einen der Reiz des Neuen, dessen, was er würde lernen können. Was er würde perfektionieren können. Aber es war auch der Reiz, für die Freiheit zu  kämpfen. Hatte er das nicht letztlich sein ganzes Leben lang getan?

Wieder nickte er, diesmal selbstsicher und bestimmt. „Nun, meine Studien des Hebräischen werde ich dann wohl etwas abkürzen müssen. Sie können auf mich zählen, meine Herren, unter der Voraussetzung, dass ich von der Durchdachtheit der Pläne überzeugt bin. Jedoch würde mich zunächst eines interessieren. Ist bekannt, wie der von Herrn…“ Er zögerte kurz. „Nobel? Wie der Vertrag zustande kam? Was hat Christian von Dänemark dazu bewegt, einen Teil seines Reiches abzutreten? Glaubt er, größeren Ärger vermeiden zu können, wenn er das Land einem dänemarkstreuen Herrscher übergibt, den das Volk eher akzeptieren wird? Oder gibt es andere, verdecktere Gründe für diesen Vertrag? Ich bin trotz eines gewissen Grundwissens kein großer Politiker und wäre für eine Aufklärung wirklich dankbar.“

Als Alfred sich dann kurz entfernte, wandte sich Samuel zwar der Runde der Professoren zu, lauschte aber mit einem Ohr dem Gespräch zwischen den beiden Brüdern.

Menthir

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Casus Belli
« Antwort #272 am: 22.04.2012, 21:21:45 »
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 12:11 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Emil ließ sich ohne Widerrede von Alfred die paar Schritte wegführen, doch sein Blick blieb nach unten gerichtet, sein Verhalten war auf Schweigsamkeit ausgerichtet und Alfred spürte zurecht, dass etwas nicht stimmte. Emil schien eine gewisse Furcht zu spüren und diese strahlte er auch aus. Die Professoren hatte der Bitte sich zu beraten ohne Weiteres zugestimmt und verfielen in aufgeregtes Palavern über die Situation, was er Samuel unmöglich machte, aufzuschnappen, was die beiden Nobels wohl besprochen mochten. Diese hochrangigen Hochschullehrer sahen sich vor einer besonderen Situation und dementsprechend angespornt sprachen sie über die Werte des Liberalismus. Wie freudig es doch wäre, wenn man Friedrich zum Rücktritt brächte und ein Parlament von frei gewählten Menschen über ihre Geschicke beraten würden! Und mit dem neuen Wissen aus den Jahrhunderten würde man die alten, attischen Demokratie[1] mehr als vergessen machen, ja selbst die amerikanischen Kongresse würden erblassen. Im Überschwang der Freude würde das Andenken der Olshausen sogar die Herren Adams[2] und Jefferson[3] und vielleicht den ganzen zweiten Kontinentalkongress[4] vergessen machen. Genau so würde es werden, da waren sich die hohen Herren sicher, zumindest für jenen Holsteiner würde es so sein und für jeden Schleswiger.

Doch während die Professoren noch immer schwärmten, mahlte Emil Nobel mit den Zähnen und nahm langsam den Blick hoch. "Ich zweifel, Bruder.", sagte er schließlich leise, dass es sogar Alfred schwer fiel, die Worte bei dem aufgeregten Austausch der Professoren zu hören. "Diese Höflichkeit bedient doch nur eine Etikette und in Wirklichkeit wollen sie doch nur den Vertrag. Wenn wir ihn zu schnell hergeben, werden Sie uns fallen lassen. Allesamt werden sie uns fallen lassen, nicht wahr? Diese hochrangigen Schwafler sind doch auch nur Söldner ihrer Ideen. Wir müssen sichern, dass es unserem Vater und unseren Brüdern gut gehen wird. Sie sollen das nicht nur zusichern, wir müssen das irgendwie schriftlich haben und wir brauchen einen unbefangenen Zeugen, Alfred! Sie sind alle eine Horde, sie sind das Wolfsrudel, welches uns armen Schafe umringen..."
Emil blickte wieder zu Boden, aber Alfred spürte, dass Emils Sorgen echt waren. Die Sorge, abermals ausgenutzt zu werden für fremde Zwecke, sie ließ ihn schier melancholisch werden und jegliche Zuversicht verlieren. Emil blickte kurz zu der Gruppe von Professoren, die sich aufgeregt unterhielt und Samuel Weißdorn gerade die Situation zr erklären versuchten.

Derweil beruhigten sich die Professoren, als auf einmal Wilhelm Seelig seine Stimme erhob. Er hatte keine tiefe oder sehr eindringliche Stimme, es war nicht die Stimme eines geborenen Redners. Sie hatte auch nicht die Schärfe eines Mommsen und die Rohheit eines Karsten und auch nicht die freundliche Sanftheit eines Carl Himly, sie war beinahe etwas heiser. Es war die Stimme eines geselligen Rauchers oder Trinkers und seine etwas massigere Gestalt unterstrich diesen Bild. Kein Mann lauter Töne, aber ein höchst geselliger Mann. Dafür war Wilhelm Seelig bekannt und so waren im allgemeinen Gemurmel und Gespräch seine ersten Worte nicht zu hören. "...ge gestellt. Und eine solche Frage will beantwortet werden, ehe wir uns irgendwelchen Hirngespinsten hergeben. Unsere Hoffnung darf uns nicht den Blick auf die Wahrheit vernebeln. Und sie, meine Herren, vernebeln gerade aber ganz gehörig. Der Herr Weißdorn hat ihnen eine wohlersinnte Frage gestellt."
Theodor Mommsen kniff die Augen zusammen und kurz schien es, als wollte er eine scharfe Antwort geben, doch er atmete dann genervt aus. "Sie haben ja recht, mein guter Seelig. Sie haben ja recht!" Die Professoren blickten sich an, wer das Wort ergreifen sollte und beinahe wäre es Samuel über das Schweigen der Professoren gelungen, ein paar Worte von den Nobels aufzuschnappen, doch bevor ihm das gelang, sprach Mommsen weiter. "Nun, die Wahrheit ist, dass Ihre geäußerte Vermutung, Herr Weißdorn, die ist, die wir alle annehmen. Aber wir können das nicht vollkommen beweisen. Es gibt Indizien, es gibt dänische Schriften, die das nahelegen, aber niemals können wir das absolut wissen. Aber darüber dürfen wir nicht in die Versuchung kommen, erst handeln zu wollen, wenn wir ein Höchstmaß an Informationen haben. Natürlich wollen wir nicht blind handeln, verstehen Sie uns nicht falsch, aber wir haben nun einmal jetzt den Zugriff auf den Vertrag, wenn der Herr Nobel unserer Causa zustimmt. Ich gehe jedoch mit vollem Ernste und vollster Überzeugung davon aus, dass der Herzog von Augustenburg-Sonderburg eine dänische Teillösung ist, um die Ruhe zu wahren und den Einfluss zu behalten. Eine Art schlechter Kompromiss, weshalb er auch jetzt auf dänischem Land sitzt."
Hänel nickte Mommsen zu und übernahm den Gesprächsfaden. "Wahr ist zudem, dass Christian das nicht veranlasst hat, sondern der politisch uninteressierte Vorgänger Frederik, also Friedrich von Dänemark, der vor kurzem gestorben ist. Christian kann jetzt nicht einfach die Hoffnung der einflussreichen Eiderdänen[5] in seinen Kabinetten zerschlagen. Da er als neuer Herrscher seine Herrschaft erst einmal sichern muss, sich also einen gewissen Stand erarbeiten muss, kann er es sich nicht von jetzt auf gleich mit seinen Untertanen verscherzen und die Eiderdänen sind leider sehr einflussreich. Vielleicht war diese Lösung jene für Christian, welche am ehesten sein Gesicht wahren würde und gleichzeitig am ehesten einen Krieg verhindern würde. Das würde bedeuten, dass es einen Spalt innerhalb Dänemarks gäbe, doch darauf...können wir uns kaum verlassen. Aber es ändert nichts daran, dass es unsere letzte Chance ist, zu handeln, denn gerade Holstein gehört nicht dem dänischen König, sondern er ist Herzog von Holstein und damit deutscher Reichsfürst und kein dänischer König hier. Ich weiß, das ist vertrackt und schwer zu erklären, aber nun gut. Es ist unsere Chance und die sollten wir nutzen, völlig unabhängig davon, ob Dänemark nur eine Schwächephase durchmacht und uns droht, um falsche Stärke zu beweisen oder wahrhaft tyrannisch-repressiv gegen uns vorgehen will."
Seelig erhob noch kurz wieder seine heisere Stimme und fügte langsam hinzu.
"Unsere Pläne sind jedoch noch nicht durchdacht. Das können sie nicht, Herr Weißdorn. Die Situation hat sich so günstig verändert in so wenigen Stunden, dass wir jetzt bei'n'ander stehen, um sie zu durchdenken. Sie dürfen daran natürlich kräftigen Anteil nehmen."
Die Professoren klopften auf dem Pult ihre Zustimmung. Sie brauchten jede gute Idee, so eine Chance gab es wahrscheinlich kein zweites Mal.
 1. Attische Demokratie
 2. John Adams
 3. Thomas Jefferson
 4. Kontinentalkongress
 5. Eiderdänen
« Letzte Änderung: 22.04.2012, 21:53:28 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Conrad Rosenstock

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Casus Belli
« Antwort #273 am: 22.04.2012, 22:20:52 »
Conrad hatte die ganze Zeit die Arme verschränkt und hatte erst einmal nichts weitergesagt. Er wurde sogar teilweise nicht von Professoren bemerkt, als sie sich so angeregt unterhielten. Trotzdem versuchte Conrad eine neutrale Miene zu bewahren. Er hatte Sorgen und Bedenken, aber er wollte sie nicht allzu offen zur Schau tragen. Zumindest noch nicht. Zu ein paar Sachen musste noch Stellung bezogen werden. Jetzt war ein guter Zeitpunkt um sich erst einmal mit einer Frage und Bemerkungen in die Diskussion einzuschalten und Conrad löste die Verschränkung seiner Arme. Mit lauter Stimme gab Conrad folgendes von sich:

"Herr Professor Hänel, wie kommen Sie darauf, dass Österreich einer Demokratie in Schleswig-Holstein positiv gegenüberstehen könnte? Wenn ich Sie nicht völlig falsch verstanden habe, wollten Sie ja gerade dies zum Ausdruck bringen. Eines wundert mich außerdem schon sehr: Sie sagen, dass Herzog Friedrich in Wirklichkeit ein Bauer auf dem dänischen Schachbrett wäre, aber es ist schon merkwürdig, dass Herzog Friedrich gerade Dänen hinter dem Anschlag vermutet. Ja, es könnten zwar Eiderdänen Friedrichs Meinung nach gewesen sein, die hinter dem Attentat stecken, auch wenn er das gar nicht behauptet hat, aber auch sonst machte er auf mich auch keinen Pro-Dänemark Eindruck, von dem Sie alle so selbstverständlich ausgehen. Er schien mir ein Patriot Schleswig-Holsteins zu sein und ein Mensch mit gutem Herzen. Ich könnte mir wirklich schlimmere Herrscher vorstellen, aber diese Bemerkung mag für sie womöglich keine allzu große Bedeutung haben. Herzog Friedrich könnte zwar ein geschickter Lügnern sein, aber das glaube ich nicht, wenn sie mich fragen. Doch bevor ich nun auf ihren Demokratie-Gedanken zu sprechen komme, warte ich erst einmal auf ihre Reaktionen, zu dem von mir gesagtem und vor allem zu meiner Frage am Anfang." 

Carl von Lütjenburg

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Casus Belli
« Antwort #274 am: 24.04.2012, 03:54:42 »
Carl legte sein Brot sichtlich erstaunt auf seinen Teller zurück. Die Frage des Herzoges hatte ihn unvorbereitet erwischt. Was qualifizierte ihn dazu sich solche Gedanken zu machen? Andererseits saß er hier mit Herzog Friedrich zusammen und teilte diesem dennoch seine Sicht der der Dinge mit. Schon immer war er ein Mann der Tat gewesen und auch in dieser Situation hatte das Unerwartete nur für einen Augenblick Macht über den preußischen Offizier, so dass er sich schnell wieder fing und zu einer Antwort ansetzte.

"Wäre ich an Ihrer Stelle, würde ich zunächst sicherstellen, dass meine Leute von jemanden überprüft werden, der über jeden Zweifel erhaben sein muss.

Was die Papiere angeht, so sollten wir schon bald Nachricht von Conrad erhalten. Er ist mein Freund und mehr Schleswig-Holsteiner als ich es je sein könnte, auf ihn wird Verlass sein. Und auch Herr Nobel schien mir sehr vernünftig zu sein. Er hat zwar keinen ideologischen Bezug zu dieser Situation aber, wenn Conrad ihm erklärt, dass man ihm nach dem Leben trachtet wird er einen emotionalen Bezug dazu haben. Außerdem ist er neben seiner Wissenschaft auch ein Geschäftsmann, wenn ich es richtig verstanden habe, dann möchte er in Holstein eine Fabrik eröffnen. Die Dankbarkeit des Landesherrn ist ihm sicher ein zusätzlicher Anreiz ihnen die Verträge zu übergeben. Eigentlich sollte an dieser Front also nichts mehr schief gehen können."


Carls Worte über Conrad und Alfred waren selbstverständlich ernst und aufrichtig gemeint, aber dennoch machte sein Tonfall deutlich, dass er es nicht für zulässig hielt die Hände in den Schoß zu legen und abzuwarten.

"Dennoch bleibt die Möglichkeit, dass etwas Unerwartetes eintritt. An ihrer Stelle wäre ich also bemüht einen Ersatzplan zu haben, falls der jetzige an irgendeiner Stelle nicht funktioniert. Haben sie denn noch mehr Männer neben dem Braunschweiger in Kiel und eine Möglichkeit diese schnell zu erreichen?"

Carl sah den Herzog an und versuchte einen Hinweis darauf zu bekommen, ob es das war, was der Herzog von ihm hören wollte. Nebenbei widmete er sich wieder seinem vernachlässigten Frühstück.

"Was die preußische Durchtriebenheit angeht, so denke ich, dass auch Preußen sehen muss wo es bleibt. Natürlich ziehlt ihre Politik auch auf das Erreichen ihrer eigenen Interessen ab, aber das muss kein Nachteil bedeuten. Preußen hat aus der letzten Konfrontation mit den Dänen seine Schlüsse gezogen. Außerdem sieht es sich immernoch und mehr denn je als deutsche Schutzmacht an. In allen Landen ob hier oder im Rheinland oder in Bayern wohnt der deutsche Geist, doch nur durch Preußen kann er wirken. Wer sich nach einer Lösung der deutschen Frage sehnt, der muss in diesen Tagen zweifelsohne nach Berlin sehen und auch dort nach Hilfe suchen. Aber diese Antwort haben sie sicherlich sowieso erwartet."

Carl lächelte milde wurde aber sofort wieder ernst. "Wenn sie doch noch in diese Richtung denken wollen, so versichere ich ihnen, dass ich mich gerne für sie einsetzen werde so gut ich kann. Das politische Gewicht eines Leutnants mag zwar nicht sehr viel wiegen, aber nun können sie immerhin nicht mehr behaupten, es rede keine Preuße mit ihnen. Sollten sie also einen verlässlichen Boten suchen, der für sie nach Berlin aufbricht, so sitzt er gerade vor ihnen." Carl nahm dem Herzog seine vorsichtige Haltung gegenüber Preußen nicht im geringsten übel, aber dennoch war offensichtlich, dass er nichts auf seine Wahlheimat kommen lassen wollte.
 

Samuel Weissdorn

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Casus Belli
« Antwort #275 am: 24.04.2012, 20:06:54 »
Samuel nickte, als Conrad seine Kritik vorbrachte. "Ich muss unserem jungen Soldaten hier zustimmen", erklärte er. "Welche Herrschaftsform auch immer gelten mag, sie ist nichts wert, wenn sie von jenen an der Spitze korrumpiert wird. Und das ist auch in einer Demokratie durchaus möglich. Außerdem möchte ich den Begriff des Schachspiels aufgreifen. Woher wissen wir, was von dem Geschehenen glücklicher Umstand, und was ein geplanter Schachzug war? Die Rede ist von Politikern, von Erpressern und Attentätern. Wäre es da so unwahrscheinlich, zu glauben, dass der Vertrag in diese Runde kommen sollte?"

Er ließ die Worte einen Moment im Raum stehen, bevor er weiter sprach. "Ich würde zu diesem Zeitpunkt keinesfalls davon ausgehen, dass die Herren Nobel außer Gefahr sind. Und, meine Herren Kollegen, so wertvoll die Chance sein mag, die sich uns bietet, welchen Wert hätte eine neue, freiheitliche Demokratie, die ebenso frei die Leben Unschuldiger opfert, die sich keinesfalls freien Willens entschlossen haben, an diesem Schachspiel teilzunehmen und um deren Heimat es nicht einmal geht."

Er warf einen kurzen Blick zu den Nobels. Es war gar nicht so sehr Mitleid, das ihn antrieb, sondern vielmehr der Gedanke, dass er selbst höchst ungern in einer solchen Situation stecken würde. Zum Glück wäre es bei ihm deutlich schwerer, ihn dermaßen aufs Korn zu nehmen...

Noch einmal rief er sich die vielfältigen Informationen ins Gedächtnis, die man ihm mitgeteilt hatte. Wie kleine Puzzlestücke setzten sie sich zu zusammen zu einem Bild, einer Formel, die jedoch zu viele unbekannte Variablen enthielt, um ihre Lösung zu ermitteln.

"Wenn Sie mich fragen, sollten wir als Erstes einmal prüfen, welche wirklich entscheidenden Informationen uns fehlen, und uns eben diese Informationen beschaffen. Dazu gehört die Frage, aus welchem Grund der Vertrag aufgesetzt wurde, aber auch die Frage nach dem Antrieb, den die Erpresser haben. Weiters wäre zu klären, wer tatsächlich als Verbündeter in Frage käme - hier würde ich mich nicht auf nette Worte oder gar Vermutungen, sondern einzig auf schriftliche Zusicherungen verlassen."

Kurz musste er ein Lächeln unterdrücken. Er war in die Rolle eines Beamten gefallen: Tun Sie nichts ohne schriftliche Anweisung, verlassen Sie sich auf nichts ohne schriftliche Bestätigung. Es entsprach nicht ganz seinem Wesen, und doch war es in dieser Situation angebracht.

"Und bei allen Plänen, die geschmiedet werden mögen, sollte man bei jedem einzelnen Zwischenschritt einberechnen, dass man scheitern könnte, und die Konsequenzen vorausahnen. Immerhin sind es Konsequenzen, die nicht nur Unschuldige" - wieder wanderte sein Blick zu den Nobel-Brüdern - ", sondern ein ganzes Volk betreffen. Schnelligkeit und Schläue sind angebracht, Leichtsinn aber nicht."

Vor seinem inneren Auge betrachtete er die Formel dieses politischen Ränkespiels. Ja, es würde ihm Freude machen, diese Formel zu lösen.

Menthir

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Casus Belli
« Antwort #276 am: 24.04.2012, 20:35:32 »
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:19 Uhr - Gut Emkendorf

Der Herzog Augustenburg blieb in seiner nickenden Haltung, als Zeichen dessen, dass er beständig und aufmerksam zuhörte. Dennoch erkannte der preußische Offizier, dass der selbstproklamierte Herzog von Schleswig und Holstein in unterschiedlicher Intensität zuhörte und sich auch für die Worte Carls interessierte. Immer dann, wenn Carl von Preußen sprach und seine Liebe zu Preußen äußerte, seine Loyalität wie eine Stute ritt, wirkte der Herzog trotz seines bekräftigten Nickens abgelenkt und ein Stück weit konnte Carl es dann auch in der Leere von Friedrichs Blick sehen, dass seine Gedanken dann immer abschweiften.

"Sie nach Berlin?", fragte er erstaunt über die letzte Äußerung Carls, ohne die vorherigen Worte mit Kommentaren bedacht zu haben. "Das ginge nicht, Herr von Lütjenburg. Das ginge nun wahrlich nicht. Oder zumindest erst dann, sobald wir jemand anderes hätten, der für meinen nun leider notwendig gewordenen Schutz sorgen könnte. Er lehnte dieses Angebot des preußischen Offiziers für den jetzigen Augenblick kategorisch ab. "Aber es gibt nur einen, der über jeglichen Zweifel erhaben ist, Herr von Lütjenburg. Einer, der auf ihre gerechte Hoffnung antworten könnte, aber bei allem Respekt, ich bezweifel, dass der Herr selbst mir ein solch deutliches Zeichen gibt. Menschen aber, Menschen sind immer befangen. Ich hänge irgendwo in einer Thronfolge, Sie sind so preußisch, dass ihr Urteil auch nicht als völlig objektiv gelten dürfte. Der Braunschweiger war dazu nicht in der Lage und meine politischen und persönlichen Freunde, wie auch Feinde, sind dazu auch nicht in der Lage. Ich glaube, wir erleben einen Fall in der Geschichte, bei dem wirklich jeder Mensch, der mit Schleswig-Holstein lebt und fühlt, politisiert ist und sich einer Idee einer Nation anhängen will oder maximal alten, autokratischen Werten anhängen will. Ich werde mich also auf meine Menschenkenntnis verlassen müssen und im regen Austausch mit anderen, wie mit Ihnen, hoffen, dass ich den Kreis der Schurken, die mich umgeben, eingrenzen und kontrollieren kann."
Unablässig notierte der Herzog weiter, vielleicht schrieb er Carls Worte auf oder seine eigenen Gedanken.

"Ich danke Ihnen für Ihre Gedanken. Aber erlauben Sie mir, dass ich sie, abgesehen von dem jetzt Gesagten, nicht weiter bewerten möchte. Es ist töricht auf dem Stuhl eines Herzogs zu sitzen und die Qualität der Worte seines Gegenübers bewerten zu wollen. Das steht mir nicht zu, weil erst in der Nachlese die Qualität der Aussagen bekannt werden wird. Doch seien Sie sich sicher, dass Ihre Worte meinem Denken wertvolle Impulse gegeben haben. Dafür gebührt Ihnen mein Dank. Erlauben Sie mir auch, Herr von Lütjenburg, dass ich noch ein wenig darüber nachdenken werde, während Sie die beiden Schotten noch einer Befragung unterziehen. Darum würde ich Sie auch als nächstes bitten." Schon während der Herzog sprach, klopfte es am Türrahmen der offenen Tür. Erst als der Herzog seine Worte beendet hatte, zeigte der Herzog der Person in der Tür, dass Sie sprechen sollte. Carl sah, dass ein Reiter in der Tür stand. Er trug wie Carl jetzt auch, eine holsteinische Tracht. "Durchlaucht, ich bin früher als gefordert zurückgekehrt aus Altona, und mit wichtiger Kunde. In der Vorhalle steht Gustav von Stiehle[1] und möchte dringendst zu Ihnen vorgelassen werden, Durchlaucht. Er sagt, er bringe Nachrichten von der Bundesexekution, und habe zudem Nachrichten aus Berlin vom Ministerpräsidenten[2]. Warum dies nicht per Depesche[3] geschehen ist, sagte er nicht, jedoch betont er die Dringlichkeit dessen, was er mitzuteilen hat."
Der Herzog zog ein schwer lesbares Gesicht. "Carl, Sie werden am Besten die Gefangenen befragen, während ich mich auf das Gespräch mit Herrn von Stiehle vorbereite." Er blickte zu dem holsteinischen Reiter. "Thoralf, sagen Sie dem Herrn von Stiehle, dass er es sich in dem Lesezimmer bequem machen kann und ich ihn in einer halben Stunde empfange und weisen Sie dem Herrn von Lütjenburg den Aufenthaltsort bevorzugt zu behandelnder Gäste." "Jawohl, Durchlaucht.", antwortete der Reiter knapp. Der Herzog verabschiedete sich von Carl für den Moment und fügte nur an, dass er auf gute Ergebnisse hoffe, während Carl dem Reiter folgte.

Dieser Reiter war noch recht jung, doch an den O-Beinen konnte Carl erkennen, dass der vielleicht zwanzigjährige, junge Mann viel Zeit auf einem Gaul verbrachte. Sein blondes Haar war ungewöhnlich lang gewachsen, dem Gesicht eines Milchbuben haftete ein gewisser Freigeist an, das spürte Carl. Die Anrede des Herzogs ließ darauf schließen, dass dieser Reiter adeliges Blut in sich trug. Der junge Mann mit den eisblauen Augen führte Carl anstandslos in die Halle, wo Carl ihn auch sah: Gustav von Stiehle[4]. Er trug preußische Uniform und wirkte bei weitem nicht so abgehetzt wie der Reiter. Vielleicht war er in einer Kutsche gefahren. Er hatte die Mütze abgenommen und hielt die in den Händen, die hinter dem Rücken verschränkt waren. Ein Blick auf die Rangabzeichen genügte, Carl von Lütjenburg hatte einen Major vor sich. Er nahm seine Hand von der Mütze und strich sich durch den schwarzen Vollbart. Stiehle hatte etwas Ehrwürdiges an sich, obwohl er noch nicht so alt war. Er wirkte wie ein gelehriger Mann und blickte aufmerksam drein. "Sein Sie mir gegrüßt.", begrüßte von Stiehle Carl recht unmilitärisch in der Vorhalle von Gut Emkendorf.
Der Reiter blickte den Major an und sprach, bevor Carl die Begrüßung erwidern konnte. "Ich soll Sie in den Lesesaal führen, dort können Sie auch die Galerie bewundern, Herr Major. In etwa einer halben Stunde steht Ihnen der Herzog dann zur Verfügung." Der Reiter deutete den Weg in den rechten Flügel des Gutshauses, doch die linke Hand von Stiehle machte eine verneinende Geste. Er war nicht sehr groß gewachsen, hielt sich aber aufrecht und machte einen ernsten Eindruck. "Lassen Sie gut sein. Ich bleibe hier. Vielleicht mag der gute Herr Leutnant in ihrem Schlepptau mir die Zeit vertreiben, in der eigentlich herzöglicher Eile geboten wäre?" Dem Reiter war klar, dass diese Frage nicht von ihm zu beantworten war, doch wollte er abwarten. "Ich würde mich gern unter vier Augen mit dem Herrn Leutnant unterhalten." Der Reiter neigte das Haupt mit einem Gesichtsausdruck, der sich um Freundlichkeit bemühte. "Herr von Lütjenburg. Ihre beiden anderen Gesprächspartner", der blondhaarige Reiter mit den eisblauen Augen zeigte auf eine Tür nahe des Eingangs, "warten im Keller auf Sie." Dann zog er die Tür und zu ging wieder den Gang herab, wahrscheinlich zum Herzog.
Der Major blieb stehen und musterte Carl und fragte dann noch ein paar Sekunden freundlich. "Sie haben doch eine Minute?"
 1. Gustav von Stiehle
 2. Gemeint ist natürlich Bismarck
 3. Depesche
 4. 
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Alfred Nobel

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Casus Belli
« Antwort #277 am: 26.04.2012, 20:57:39 »
Mit gerunzelter Stirn sah Alfred seinen Bruder an. Dieser plötzliche Bedarf nach bürokratischer Sicherheit war ein ungewohntes Verhalten des jüngeren Schweden. Dabei war Emil doch impulsiv, ein kreativer Geist, der eigentliche Erfinder und Bastler unter den vier Brüdern. Für einen Moment antwortete Alfred nicht und sah Emil tief in die Augen[1]. Erst als er tief Luft geholt hatte, setzte der Ältere zu einer Antwort an.

"Emil, wir geben uns gar nicht in die Hände der Schleswig-Holsteiner. Wir sind ihnen nicht ausgeliefert, wir handeln mit ihnen. Diese Männer sind die ersten in der ganzen Sache, die uns auf Augenhöhe begegnen. Auch was Himly bisher für uns getan hat, dürfen wir nicht vergessen. Ich verstehe Dich nicht, warum ausgerechnet ein Vertrag mit diesen Professoren uns vor den Erpressern schützen soll, vor Erpressern, Emil, vor denen wir uns sehr wohl auch selbst beschützen können!"

In den Augen des älteren Nobel lag ein wundersames Flimmern, ein Funken zwischen Übermut und Ehrgeiz. Ohne zu energisch zu werden griff Alfred Emil am Arm und sprach nachdrücklich aber mit einem Lächeln weiter.

"Vater und unsere Brüder sind in Sicherheit, sie können auf sich selbst aufpassen. Zum Teufel, ich glaube ja gar nicht, dass die Erpresser überhaupt Forderungen an sie gestellt haben. Was sollen sie denn verlangen, dass sie höchstpersönlich nach Kiel fahren? Was sollten Ludvig und Robert aus Sankt Petersburg tun, um den Vertrag in die Hände der Dänen zu befördern? Und Du hast es doch selbst gehört - Lavalle ist hier. Wir sind der Dreh- und Angelpunkt. Aber wir sind in Sicherheit."

Noch ein letztes Mal drückte er seinen Griff, ehe er von seinem Bruder abließ, doch sein aufmunterndes Lächeln verschwand noch nicht. Alfred straff seine Haltung wieder, ehe er sich wieder an die Professoren im Kreis wenden wollte.

"Du sagtest, De Meza soll den Vertrag erhalten. Wenn dies das Objekt ihrer Forderungen ist, dann wollen wir sehen, was wir tun können. Wollen wir nur hoffen, dass der General eine Kopie nicht von seinem Original unterscheiden kann."

Einen abschließenden brüderlichen Blick schenkte Alfred seinem Bruder, ehe er wieder seine neutrale Haltung annahm. Fragend zog er die Brauen hoch und wartete darauf, ob Emil noch reagieren wollte, ehe er sich wieder den diskudierenden näherte.
 1. Hunch 23
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 - A Riddle, 1851

Carl von Lütjenburg

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Casus Belli
« Antwort #278 am: 02.05.2012, 03:47:23 »
"Gewiss Herzog Friedrich", antwortete Carl auf den Wunsch des Herzoges er solle die Gefangenen befragen und ließ sich von Thoralf dem Reiter hinaus geleiten. Zu den vorangegangenen Worten Friedrichs hatte er nichts gesagt. Der Herzog seine Ausführungen nicht kommentieren wollen und Carl sah keinen Grund darin seine eigenen Aussagen in ein anderes Licht zu rücken. Natürlich war er preußisch und somit befangen. Der Herzog hatte ja schließlich gefragt, was Carl machen würde er selbst an des Herzogs Stelle wäre. Auch der Verweis auf den Herrn war für Carl eine indirekte Beendigung des Gesprächs. Natürlich war er kein Atheist und war sehr wohl der Meinung des Herzoges, dass nur dieser Eine wirklich frei von allen Zweifeln sein konnte, aber dennoch, sobald sich ein Gespräch in die himmlischen Sphären verabschiedete, war es für Carl meißtens beendet. Zu endgültig, zu ultimativ erschien ihm der liebe Gott in solchen Dingen, als dass er noch ein Widerwort geben wollte.

Thoralf hatte Carl inwzischen in die Halle geführt und der junge Leutnant nahm Gustav von Stiehle wahr. Dessen preußische Uniform gab Carl ein gutes Gefühl, fast als würde er in fremden Gestaden auf einen Landsmann treffen und so gleich schöpfte er ein wenig Optimismus. "Vielleicht ist es ja eine gute Nachrichten, die Herr von Stiehle überbringt", überlegte er, während er dem Major entgegenschritt.
Bei Thoralf hatte er sich mit einem Nicken bedankt, doch auch wenn das Gebahren des Majors wenig militärisch schien, blieb Carl seinem Gelernten treu und salutierte gewohnt zackig mit Hackenschlag.

"Leutnant Carl Heinrich von Lütjenburg, Herr Major. Vierte Kompanie, Garde-Pionier-Bataillon[1]. Bitte um Verzeihung für verkehrte Uniform. Die mit der ich hier eintraf ist momentan nicht vorzeigbar."
 1. Garde-Pionier-Bataillon

Menthir

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Casus Belli
« Antwort #279 am: 10.05.2012, 19:44:53 »
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:24 Uhr - Gut Emkendorf

Von Stiehle erwiderte den Salut und winkte dann ab und legte die Hände wieder hinter dem Rücken zusammen. "Machen Sie sich nichts draus, Herr Leutnant. Ihr Aufzug ist nicht so bedeutend wie Ihre Gesinnung, und wenn die preußische Tracht trägt, können Sie meinethalben die Stammestracht eines Zulu[1] tragen, mein guter Leutnant." Der Major lachte freundlich und reichte dann dem Leutnant die Hand. "Als ich mich am heutigen Morgen anmeldete, fragte ich mich schon, warum ich zuerst davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein preußischer Leutnant hier verweilen würde, bevor mir Auskunft darüber gewährt wurde, dass der Herzog hier sei. Eigentlich wäre ich auch schon am gestrigen Tag hier gewesen." Von Stiehle blickte zur Tür, welche der Reiter vor wenigen Momenten geschlossen hatte. Seine Stimme wurde etwas leiser. "Die Einschlaglöcher von Gewehrkugeln in den Wänden zeugten von dem Angriff, von dem ich hörte. Dazu gab es erste Zusammenstöße zwischen holsteinischen und dänischen Studenten in Dänischenhagen, es wurde wohl vor mehr als einem Tag sogar eine Brigg im Kieler Hafen versenkt. In Dänemark selbst werden Pionierregimenter aus dem Boden gestampft, und das Land ruft augenscheinlich nach Krieg. Das sind ziemlich viele beängstigende Nachrichten in relativ kurzer Zeit. Und ein Zeichen davon, dass viele Menschen ihre Nerven in Zeiten der Krise verlieren." Das freundliche Gesicht von Stiehles bekam jetzt die Härte, die man einem preußischen Offizier zutraute, dennoch erlaubte er sich gleichzeitig die Lockerheit sich gegen einen der Pfeiler der Eingangshalle zu lehnen. "Entschuldigen Sie also vielmals, wenn ich nicht für Weibergewäsch hier bin. Obzwar sich unser Treffen als höchst zufälliger Akt entpuppt, soll es sich nicht um eine vertan'e Chance handeln. Leutnant von Lütjenburg, hiermit sein Sie in Kenntnis gesetzt darüber, dass die Bundesexekution keine vollständige Bundesexekution im Bundessinne ist. Obzwar sie ausgesprochen sein wird, werden nur Preußen und Österreich, Garantiemächte des Londoner Protokolls von 1852 die Vollstreckung dieser Exekution übernehmen."

Er ließ diese offenen Worte wirken und nahm wieder eine strammere Stellung ein, um ein paar Schritte zu gehen. "Sie müssten sich also bei nächstbester Gelegenheit zurückmelden bei ihrer Einheit. Oder anders ausgedrückt, was verschlägt Sie nach Holstein statt in Berlin bei Bataillon zu sein?" Er blickte Carl jetzt in die Augen und fragte sich das scheinbar ernsthaft. "Die Truppen werden mobilisiert, Herr Leutnant. Sie sollten sich diesen Vorbereitungen anschließen. Wenn Sie mögen, werde ich Ihnen einen schriftlichen Befehl erteilen, der Sie sofort nach Berlin sendet und Sie Bahn und dergleichen nutzen lässt. Doch vorher habe ich ein paar Fragen, Herr von Lütjenburg. Sehen Sie, ich bin kein Diplomat in erster Linie und ich mag diese französische Sanftzüngigkeit in Unterredungen nicht. Können Sie mir also sagen, in preußischer Direktheit, was hier genau vorgefallen ist?"
 1. Zulu
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Menthir

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Casus Belli
« Antwort #280 am: 10.05.2012, 23:27:47 »
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 12:15 Uhr - Christian-Albrechts-Universität - Alter Hörsaal

Die Professoren hörten Conrad und Samuel interessiert und genau zu. Angeregtes Gemurmel schwoll wieder an, welches dafür sprach, das gerade Samuels Worte unter den liberalen Lehrern für Unmut sorgten oder zumindest nur widerwillig aufgenommen wurden. Conrad jedoch, nötigte den Professoren das ein oder andere Murmeln ab. Dennoch brauchte es der schlagende Handfläche des vollbärtigen Albert Hänels, um die Professoren wieder aufmerksam zu machen. "Bewahren Sie die Countenance, meine Herren!" Wieder schlug der Staatsrechtler mit der flachen Hand auf das Holzpult, während Alfred wieder zu den Diskutierenden fand. Auch Emil folgte zwei Schritt dahinter, nachdem er Alfred dankbar die Hand gedrückt hatte und mit einem verhaltenen Lächeln bekräftigte, dass er seinem Bruder traute und wieder etwas Hoffnung geschöpft hatte. Die Professoren verstummten wieder und Albert Hänel begann mit seinen Ausführungen. "Herr Weißdorn, ihr Urteil ist etwas voreilig und vor allem leidlich simplifizierend! Sie können nicht pauschal jegliche Problematik in pessimistischer Sicht egalisieren. Eine Demokratie ist per se nicht von oben zu korrumpieren, denn dazu müsste sie etwas haben, was über ihr ist. Zudem lässt sie sich in der Hinsicht von Korrumpierbarkeit nicht auf eine Stufe mit monarchischer Herrschaft setzen. Lassen Sie mich das Ganze anhand des Herrn Herzog von Sonderburg-Augustenburg erläutern. Herr Rosenstock hat sich für die Integrität dieses Menschen ausgesprochen, und ich nehme für dieses Beispiel mal an, dass Friedrich eine engelsgleiche Seele besitzt. Was haben wir dadurch gewonnen? Ist seine Güte ein Zeichen der Qualität seiner Herrschaft? Jeder Mensch ist grundsätzlich fehlbar, da dürften wir uns doch einig sein und der Herzog hat keine Erfahrung vorzuweisen. Selbst unter den Gütezeichen der Gnade und Weitsicht wäre der selbstproklamierte Herzog anfällig für Fehler und nur eine einzelne Person, die sich maximal Berater an seine Seite holen könnte. Selbst jene müssten besten Gewissens sein, um des Herzogs Herrschaft ehrlich zu unterstützen. Wie kann er damit ein junges Volk zwischen Königsau und Elbe schützen, er alleine? Wie kann er womöglich alle Listen der Eiderdänen und eventuell anderer Feinde durchschauen? Wer sagt, dass er nicht korrumpierbar ist? Niemand. Jetzt lassen Sie mich den Sinn einer Demokratie erläutern. Ausgehend von der Tatsache, dass alle Menschen fehlbar, bisweilen irrational und in fast allen Fällen vor allem dem eigenen Wohl verpflichtet sind, hat jeder Mensch seinen materiellen oder ideellen Preis[1]. Die Demokratie versucht diesem Menschen ausgleichend durch die Herrschaft des Volkes zu begegnen. Natürlich hat sie auch Gründen der Praktikabilität Repräsentanten, aber alleine daran erkennen Sie, dass viele Einzelmeinungen schwerer zu korrumpieren sind als eine einzelne Stimme. Natürlich, und da gebe ich Ihnen recht, Herr Weißdorn, Rousseau[2] hat unrecht, wenn er glaubt, dass die breite Volksmenge gleichbedeutend mit Gerechtigkeitswille ist und immer das Beste im Sinne hat. Da halte ich Ihnen die noch junge Schrift[3] von John Stuart Mill entgegen. Die alten Griechen kannten schon die Gegenüberstellungen von Herrschaftsarbeiten, so hatte fast jede Regierungsart einen korrumpierten Gegenpart. Die Monarchie die Tyrannei, die Aristokratie die Oligarchie und nicht zuletzt hatte in vielen Bildern auch die Demokratie ein Gegenbild. Auch in seiner aktuellen Schrift warnt der liberale Mill vor der Tyrannei der Mehrheit und stellt sich der -  nach Polybios[4] -  Antithese der Demokratie, der Ochlokratie: der Pöbelherrschaft. Mill stellt sich Polybios dabei auch durch den Ausweg der Bildung. Die Römer beriefen sich auf Polybios, um die Republik als beste Regierungsform zu legitimieren, genauso machen es die Amerikaner dieser Tage. Mill stellt sich dem, indem er Demokratie und dessen Repräsentanten von Bildung und Ausbildung abhängig macht. Aber alleine daran ist auch zu erkennen, dass die Demokratie eher von unten her korrumpiert werden kann durch einen schädlichen Gemeinwillen, wohl aber kaum in ihrer Reinheit von oben, denn dort reinigt sie sich durch Legislaturperioden und Gewaltenteilung selbst. Nun also ist der Herzog, selbst wenn er integer ist, als systemischer Schwachpunkt auszumachen."

Albert Hänel kraulte sich zufrieden den Bart, auch wenn er nur einen kurzen Abriss gegeben hatten. Dennoch setzte er noch ein paar Worte hinten ran, riss das Gespräch nun völlig an sich, während er zustimmendes Gemurmel von den Professoren bekam. "Der Herzog könnte also, selbst wenn er Patriot sei, durch Anschläge, wie der von Ihnen verhinderte, Conrad, sterben und dann hätten wir wieder ein Thronfolgerprobleme, da seine Kinder kein ausreichendes Alter haben. Weil er in die dänische Thronfolge gehört, würde dies doch wieder in einen direkten Eingriff und Zugriff der Dänen legitimieren. Deswegen auch der Vertrag, meine Herren! Er ist ein gutes Geschäft für die Dänen, selbst wenn der Herzog hehre Absichten verfolgt! Er nimmt dem Konflikt doch nur für eine gewisse Zeit die Schärfe." "Davon ab, dass der Herzog ja nicht mal mit seinen patriotischen Landsmänner über seine patriotischen Absichten spricht.", wand Professor Mommsen beißend ein, aber Hänel führte das Gespräch weiter, wobei er zu Alfred blickte. "Zudem sind wir uns bewusst darüber, dass die Nobels noch in Gefahr sind, Herr Weißdorn. Wie sie vielleicht zu Beginn dieses Gespräches mitbekommen haben, ist das der Grund, warum wir hier sind." Er nickte Alfred zu. "Aber um nochmal auf die momentane Situation zu kommen. Am heutigen Tag wird der Deutsche Bund die Bundesexekution verabschieden, dessen können wir uns sicher sein. Warum sollte Österreich, Herr Rosenstock, also ein Interesse an der Freiheit Schleswig-Holsteins haben. Ganz einfach: Österreichs Grenzen brodeln und die reaktionären Kräfte in Österreich warten nur darauf, provoziert zu werden. Gleichzeitig kämpfen sie gegen die Vormachtstellung Preußens, und alleine um zu verhindern, dass Preußens Einfluss auf Schleswig und Holstein größer wird, sind sie dazu gezwungen, sich mit unserem Fall zu beschäftigen. Also ja, Österreich ist ein möglicher Verbündeter."

Die Professoren murmelten wieder zustimmend. Es war erkennbar, dass es schwer war, diesen Kreis von Kieler Gelehrten davon zu überzeugen, von einer demokratischen Entwicklung abzusehen zugunsten eines Quasimonarchen. Sie hatten sich ihren Fall sehr genau überlegt und handelten danach. Die Hoffnungen, die Ideale von 48[5] Wirklichkeit werden zu lassen, sie waren stark spürbar. Wilhelm Seelig erhob das Wort, drang wieder nur schwer durch, doch erleichterte sich dieses Vorhaben mit einem hörbaren, mehrfachen Räuspern. "Ich danke Ihnen für Ihre Ratschläge, Herr Weißdorn." Seelig hatte auf einmal einen ziemlich scharfen Blick, der Karsten fast abfällig streifte. "Aber Sie sind nicht der kameradschaftliche Typ, oder?" Die Professoren blickten verwirrt Seelig an, dem sie solch scharfe Worte gar nicht zugetraut hatten. "Sie sprechen wir ein preußischer Schulmeister mit seinen Knaben. Wir haben seit Jahrzehnten für diese Sache gekämpft!", echauffierte der untersetzte Mann sich nun. "Und sie geben uns derartig triviale Eingebungen? Halten Sie uns für töricht, Herr Weißdorn? Ich finde Ihren Ton höchst beleidigend und Ihre Wortwahl schon nicht mehr beleidigend, sondern nur noch dreist! Wir stehen am Vorabend eines Krieges, wir haben die Verantwortung in der Hand und Sie wollen uns das Alphabet beibringen? Das ..." Mommsen schlug mit der Faust auf das Pult. "WILHELM! WILHELM!" "Es ist doch wahr! Dieses oberflächliche Palaver! Dafür hat Gustav ih!" "WILHELM!", bellte Mommsen wieder. "Jetzt beruhige dich endlich!" Seelig stampfte auf und schüttelte den Kopf und murmelte wütend vor sich hin, während Karsten das Wort erhob. "Leider kann man nicht wissen, welche Informationen wirklich entscheidend sind. Nach unserer Meinung jedoch, ist der Grund für das Aufsetzen des Vertrages geklärt. Es ist eine Besonderheit dieser Situation. Friedrich von Sonderburg-Augustenburg ist tatsächlich dem Dänentum zugeneigt. Er hätte eigentlich dänischer Thronfolger werden können, aber das Londoner Protokoll entschied sich für Christians Linie, der nun König ist. Daraufhin wandte sich Friedrich dem Deutschtum zu. Auf der anderen Seite steht Christian, der zwar dänischer König ist und durch sein Parlament gezwungen wird, das Dänentum zu unterstützen, insgeheim heißt es aber, dass er dem Deutschtum zugeneigt ist und am heimischen Tisch nur deutsch spricht. Der Vertrag ist also der Versuch Christians diesen Konflikt zu verschleppen, bis die Eiderdänentum zurückstecken muss oder er auf dem Thron Fuß gefasst hat. Es ist gleichzeitig der Versuch den selbstproklamierten Herzog zu saturieren, damit er für den Moment Ruhe gibt, da Christian IX. auch dem deutschen Bund zugeneigt ist und dieser Friedrich maximal als Herzog anerkennen wird, aber niemals als freiheitlicher Herrscher eines völlig autonomen Schleswig und Holsteins. Dann gibt es noch die Preußen und die Österreicher, welche wollen, dass das Londoner Protokoll erfüllt wird. Das bedeutet zwar, dass die Dänen sich zurückziehen haben, aber Friedrich auch keinen Thronanspruch hier hat. Dafür werden sie wohl auch bei der Bundesexekution votieren. Preußen, weil es Friedrich nicht will und Österreich, weil es verhindern will, dass preußische Stiefel alleine bis zur Königsau marschieren. Warum lassen also die Preußen diesen Vertrag also ratifizieren? Das wäre noch eine interessante Frage. Aber eine, die wir nicht klären können in so kurzer Zeit. Die Wahrheit ist nämlich, dass der Bund gerade tagt. Wahrscheinlich müssen wir Friedrich innerhalb der nächsten zwei Tagen überzeugt haben, sonst werden die Armeen beider Seiten schon mobilisieren, das dürfte klar sein. Die Frage nach den Verbündeten ist sicher auch interessant, aber schwer zu realisieren. Deswegen brauchen wir Friedrichs freiwilligen Verzicht, weil dann der deutsche Bund uns legitimieren würde und auch beschützen müsste. Da Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in deutschen Landen ringen,  werden auch sie sich weiter mit uns befassen müssen. Die Eiderdänen blieben feindlich, aber sie würden von den anderen Großmächten zurechtgewiesen werden oder einen Vielfrontenkrieg führen. Das ist das, was wir sagen können. Aber entscheiden müssen wir uns trotz der wenigen Informationen. Wenn wir also Informationen sammeln wollen, bleibt uns maximal noch der heutige Tag. Konkrete Vorschläge, wo wir das machen können oder wie?" Karsten und Mommsen hatten es geschafft, wieder in die Politik zu kommen, doch Seelig murmelte noch immer genervt. Himly schuf trotzdem eine Zäsur. Seine Brille zurechtrückend, nahm er Alfred wieder ins Gespräch. "Und? Haben sich die Herren beraten?"
Die Professoren schauten interessiert zwischen Alfred, Emil, Conrad und Samuel hin und her, nur Seelig war noch immer bedient.
 1. Eindeutig ein Ansatz nach Thomas Hobbes.
 2. Gemeint ist Jean-Jacques Rousseaus Hauptwerk Du Contract Social ou Principes du Droit Politique und die Grundannahme, dass es einen unkorrumpierbaren Gemeinwille eines Volkes gäbe.
 3. gemeint ist John Stuarts Mill erschienenes Werk On Liberty von 1859.
 4. Polybios
 5. Märzrevolution
« Letzte Änderung: 10.05.2012, 23:29:23 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Alfred Nobel

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Casus Belli
« Antwort #281 am: 14.05.2012, 15:48:36 »
"Ja, vielen Dank," antwortete Alfred dem Professor, als er wieder an die Runde getreten war. Neugierig war er dem durchdachten Exkurs Hänels und dem aufgebrachten Gezeter Seeligs gefolgt. Die aufgeregte Diskussion der Kieler schien nicht um Uneinigkeit und Streit zu bestehen, Alfred war überrascht, wie klar der Konsens der gebildeten Herren zu sein schien.

"Es gibt noch einige Dinge zu erwähnen," sprach Alfred also in die Runde, während er wieder an den Pult trat und auf das Dokument tippte. "Ich rechne fest damit, dass Preußen einigermaßen über den Verbleib dieses Vertrages informiert ist. Seine Existenz ist dem Kaiserreich ganz offensichtlich, schließlich steht, wie schon betont, der Name des Grafen Usedom unter der Urkunde. Vor allem jedoch war, sofern mich nicht alles täuscht, die Preußische Geheimpolizei maßgeblich daran beteiligt, Friedrich von Augustenburg über die Situation der Urkunde zu informieren. Der Haftbefehl, den der Herzog ausstellen ließ, erwähnte den Preußischen Dienst ausdrücklich."

Erwartungsvoll sah Alfred die Professoren an, als erwartete er eine Reaktion, einen Hinweis darauf, was diese vermeintliche Kooperation zu bedeuten haben könnte. Zaghaft begann der Chemiker selbst mit einer Interpretation.

"Lassen Sie mich für einen Moment wild denken: Ich halte es für nicht ausgeschlossen, dass Herzog Friedrich als Agitator der preußischen Interessen funktionieren könnte. Die Hinweise sind zwar gering, und vielleicht ist sich Friedrich selbst seiner Rolle nicht bewusst. Doch mit der angekündigten Bundesexekution im Nacken frage ich mich, wie souverän sich der Herzog der Sache Schleswig-Holstein zeigen können wird, oder ob er machtlos dem Einmarsch der preußischen Armee zusehen muss. Hmm," brummte Alfred unzufrieden und rieb sich mit den Fingern die gerunzelte Stirn. Er lehnte sich mit seinen Gedanken weit aus dem Fenster, und kam doch zu keinem plausiblen Ergebnis. Und die Zeit drängte.

"Hören Sie, meine Herren," betonte Alfred schließlich, als er weitersprach, "Ich halte nicht viel von Heimlichkeiten. Es mag zwar sein, dass solche Methoden einem Italien zu einer Einigkeit verholfen haben[1], doch ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Art der Diplomatie diejenige sein soll, die Vertrauen und Sicherheit bedeutet. Teufel, diese Ungewissheit fühlt sich doch so an, wie wenn ein Haufen Blinder im Minenfeld auf Steine schlägt, um die Sprengkörper zu finden!"

Entrüstet schüttelte Alfred Nobel seinen Kopf, sein Blick war dabei fast vorwurfsvoll auf das Dokument unter seinen Fingerspitzen gerichtet.

"Herr Hänel, halten Sie es für möglich, dieses Dokument unverwechselbar zu kopieren?", fragte Alfred, als er den Vertrag wieder aufnahm und ihn kritisch beäugte. "Sie haben schließlich auch nicht vergessen, meine Herren, dass der ursprüngliche Grund, weswegen mein Bruder und ich zu ihnen kamen, nicht der war, die unabhängige Einigkeit Schleswigs und Holsteins zu finden. Seit wir dieses Dokument bei uns halten, fürchten wir um unser Leben. Lassen Sie mich eines betonen: Ich bin nicht bereit, den politischen Machenschaften unserer Erpresser nachzugeben. Es erfüllt mich mit Widerstreben, Lavalle und ihre Männer als Gewinner aus dieser Situation gehen zu sehen, wer auch immer ihre Auftraggeber sein mögen. Auf der anderen Seite," fuhr Alfred fort und hob bedeutsam die Augenbrauen, als er tief Luft holte um weiter zu sprechen. Die nächsten Worte kamen selbst ein wenig ungewohnt verschwörerisch über seine Lippen. "Auf der anderen Seite habe ich selbst ein persönliches Interesse daran, Schleswig und Holstein als starkes und unabhängiges Land zu sehen. Wie bereits erwähnt bin ich Sinne, ein Unternehmen in Holstein zu gründen. Nicht nur, dass meine Financiers die Gründung meiner Fabrik auf deutschem Boden verlangen, ich wäre natürlich äußerst dankber, wenn ich meine Lieferungen aus Stockholm oder London nicht erst durch die Repressalien des Zollvereins[2] schicken müsste. Ganz konkret, meine Herren: Unsere Interessen liegen gar nicht so fern außeinander, mit dem Unterschied, dass meine Familie im Moment als lebende Zielscheibe fungieren muss."

Wie um seinen Worten Nachdruck zu verleihen wechselte Alfred einen kurzen aber bedeutenden Blick mit seinem Bruder. Noch ließ er nicht zu, dass man ihm ins Wort fiel, und sprach weiter.

"Herr Himly, ich dachte bereits früh daran, dass der Vertrag seine Macht auf mich und meinen Bruder so lange auszuüben vermag, wie er als politisches Druckmittel Bedeutung hat. Was denken Sie, meine Herren, würde es bedeuten, wenn wir dem Vertrag seine Heimlichkeit entnehmen? Flugblätter, Zeitungsdrucke, Briefkopien an Wien, London, meinetwegen auch Berlin und Kopenhagen: Nehmen wir gerade damit nicht den gierigen Großmächten den Wind aus den Segeln, in dem wir publik zeigen, dass ihre Politik nicht in der Lage ist, im Einverständnis über Schleswig und Holstein zu richten? Bitte, meine Herren, Sie werden meine Idee besser einzuschätzen wissen als ich."
 1. Der Risorgimento (it.: Wiedererstehung) des Köngreichs Italien gingen einige wesentliche Geheimbünde (z.B. die Carbonari) und Geheimverträge (z.B. der Vertrag von Plombières-les-Bains) zuvor.
 2. Deutscher Zollverein
« Letzte Änderung: 14.05.2012, 17:23:39 von Alfred Nobel »
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Carl von Lütjenburg

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Casus Belli
« Antwort #282 am: 17.05.2012, 22:44:19 »
Carl lächelte, als von Stiehle ihm zu bedeuten gab, dass er sich nicht an der Uniform störte, erwiderte jedoch zunächst nichts darauf und hörte dem Major in Ruhe zu.

"Preußen und Österreich also?" Carl nahm die Neuigkeiten die von Stiehel mit sich brachte gefasst aber deutlich interessiert auf. Es lag auf der Hand, dass in den nächsten Tagen oder vielleicht auch nur Stunden über Krieg und Frieden entschieden wurde, und Carl war mittendrin.
Trotz seiner Arbeit für den Herzog war es unvermeidlich, dass er nach Berlin gehen musste, da sein Regiment mobil machte. Er freute sich nicht darauf dies dem Herzog mitteilen zu müssen, immerhin hatte er den alten Mann inzwischen ein wenig besser kennengelernt und nichts lag ihm ferner als diesen enttäuschen zu müssen. Doch es gab keine höhere als seine Pflicht Preußen gegenüber und das hatte er bei ihrem ersten Treffen dem Herzog gegenüber deutlich gemacht.

"Der Grund für meinen noch nicht erfolgten Aufbruch, liegt in der Tatsache, dass mich diese Nachricht erst jetzt, durch sie Herr Major, erreicht hat. Ich studiere in Kiel, habe die Stadt aber in der Nacht verlassen, als besagte Brigg versenkt wurde. Wenn sie mich fragen, warum ich hier bin und was hier vorgefallen ist, dann muss ich mit dieser Nacht anfangen. Trotz preußischer Direktheit, ist die Geschichte aber dennoch nicht mit ein paar Sätzen erzählt wie sie feststellen werden."

Damit begann Carl zu erzählen. Den Anfang machte er mit der Katastrophe auf der Kieler Förde und dem Rettungseinsatz durch die Studenten. Er berichtete von Alfred und Emil Nobel, den Vertrag den letzterer bei sich trug und das Treffen mit dem Braunschweiger. "Da wir dem Mann nicht ohne Weiteres trauen konnten und dieser einen Haftbefehl gegen Nobel vorlegte griffen wir zu einer List, so dass sich Herr Nobel nun im Gewahrsam von OWM van Widdendorp befindet und nicht hierher kam."
Mit steinernem Geischt berichtete Carl vom Tod seines Freundes der bei dem Attentatsversuch erschossen wurde und legte von Stiehle seinen momentanen Kenntnisstand um die Zusammenhänge zwischen den Nobels, den Attentätern und der Situation selbst dar.

"Und nun bin ich hier geblieben, um auf den Herzog zu achten. Allerdings habe ich schon vorher klargestellt, dass ich mich dadurch niemals meinem Eid gegenüber Preußen und dem König entlöst sehe. Für einen schriftlichen Befehl von ihnen wäre ich sehr dankbar, aber eine Frage hätte ich an sie, Herr Major. Wie kommt es, dass sich meine Anwesenheit hier so sher herumzusprechen scheint, dass sie zuerst von dieser und dann erst von der des Herzogs erfuhren? Schließlich bin ich kein Soldat von großer Berühmtheit oder hohem Renomée."

Menthir

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Casus Belli
« Antwort #283 am: 20.05.2012, 15:33:26 »
7. Dezember 1863 - Am Morgen des Krieges? - 05:38 Uhr - Gut Emkendorf

Major von Stiehle hörte dem Leutnant von Lütjenburg sehr aufmerksam zu, als dieser die Ausführungen über die Geschehnisse machte. Von Stiehle stand dabei äußerst stramm, der Rücken war durchgedrückt und der aufmerksame Blick und die tiefen Furchen in der Stirn dieses Mannes zeugten von der Konzentration, mit der er den Ausführungen des preußischen Soldaten folgte. Als würde er versuchen jedes Detail in eine imaginäre Steintafel meißeln oder zumindest als würde er schon jetzt die nächste Depesche nach Berlin formulieren. Am Ende von Carls Ausführung lachte er freundlich. "Nein, Ihr Renommee ist auch nicht das, was Ihre Anwesenheit bedeutender scheinen ließ, als die Anwesenheit des Herzog dies tut. Aber der Herzog weilt, so wurde ich informiert, eigentlich häufiger als Gast in diesen Räumen, wenn er nicht in seinem Stammhäusern weilt, während ein preußischer Offizier in dänischem Hause wohl deutlich seltener sein dürfte. Was heißt dänisches Haus, also im Haus der Reventlows, die vor allem als Holsteiner in dänischen Diensten bekannt sind. Da fällt ein Preuße dieser Tage folglich auf, als sei er ein bunter Hund inmitten eines preußischen Gardekorps. Deswegen berichtete man mir dies zuerst. Das Besondere vor dem Gewöhnlichen, wenn Sie so wollen."

Major von Stiehle kramte in der linken Innentasche seines Anzug und holte einen Briefumschlag heraus und drückte ihn Carl in die Hand. "Das ist ein Generalbefehl, er war eigentlich für einen anderen Offizier, der in Rendsburg weilt, bestimmt. Als Generalbefehl ist er jedoch nur auf Ihren Offizierstatus beschrieben, nicht auf Ihren Namen. Sie können den Befehl also vorzeigen und gleichzeitig ist er auch hier Fahrschein für die Eisenbahn und Kutschdienste, die sich auf Ihrem Weg in Anspruch nehmen müssen." Dann verschränkte der preußische Offizier aus Erfurt die Arme und blickte auf die Tür. "Wahrscheinlich wird der Herzog mich jeden Moment empfangen, lassen Sie mich meinen Danken für Ihre Information aussprechen. Sollten Sie auf Ihrer Reise also Probleme haben mit anderen Offizieren, lassen Sie ihm Wissen, dass er Sie im Willen von Major von Stiehle reisen würde und wenn der Problemgeber einen höheren Rang als meinen hat, scheuen Sie sich nicht, zu betonen, dass Generalfeldmarschall von Wrangel[1] Sie beauftragt hat durch die Worte von Stiehles!" Wieder griff er in seine Innentasche, um wiederum einen Brief hervorzunesteln. "Das sind Ihre neuen Befehle. Überbringen Sie diesen Brief bitte an so schnell, wie es Ihnen möglich ist zu Moltke[2]. Noch bevor Sie zu Ihrer Einheit zurückkehren! Danach kehren Sie in Ihre Einheit zurück und warten dort auf den Marschbefehl." Er ging zwei Schritte auf Carl zu, überreichte ihm den versiegelten Brief und klopfte ihm auf die Schulter. "Machen Sie Ihre Sache gut."

Von Stiehle blickte zu der Tür und wartete einen Augenblick, dass er abgeholt wurde, doch als er merkte, dass der Herzog ihn noch weiter warten ließ, wandte er sich doch nochmal an Carl. "Ich finde Ihre List bemerkenswert.", sagte er schließlich. Scheinbar hatte er dieses Thema zuerst nicht anschneiden wollen, vielleicht wollte er diesem sogar ausweichen, doch als das Warten und die Stille doch unangenehm wurde, sprach er es doch an. "Ich halte, da muss ich es so drastisch sagen, es nicht mit Söldnertum. Warum setzt man also einen Braunschweiger hier ein? Warum lässt der Herzog sich von Männern aus allen Herren Länder vertreten, aber nicht von den eigenen Holsteiner Buben? Das will mir persönlich nicht in den Kopf." Bezeichnenderweise schüttelte der Major den Kopf dabei. Wahrscheinlich lag es an dem Vertrag, dass von Stiehle desbezüglich schwieg. "Herr Leutnant", rang er sich schließlich durch, "dieser Vertrag verkompliziert das preußische Vorgehen ungemein. Es geht das Wort herum, dass Graf Guido ihn unterzeichnet haben soll. Ich halte das jedoch für eine Fälschung, für eine ziemlich stumpfe Fälschung. Man hat in Berlin darüber beraten und hat die PGP geschickt, um den Sachverhalt aufzuklären. Das ist auch Grund für meine Anwesenheit hier. Ich werde den Herzog zur Rede stellen und wenn ich so darüber nachdenke und höre, dass Sie an diesem Fall irgendwie beteiligt sind, würde ich Sie bitten, mich gleich zum Herzog zu begleiten und mir zu helfen, diesen zur Rede zu stellen. Auch wenn das vielleicht bedeutet, dass...ich die Befehle, die ich Ihnen eben gab rückgängig machen müsste und Sie, je nach Verlauf, nicht nach Berlin gehen könnten, sondern weiter in meinem Auftrag vor Ort handeln müssten. Darüber will ich Ihnen aber keinen Befehl erteilen, Herr Leutnant. Sie haben ausreichend deutlich gemacht, dass Preußen Ihnen eine Herzensangelegenheit ist. Also frage ich Sie, würden Sie mich begleiten, wenn auch das, was Sie tun müssen, Ihr Leben außerhalb eines Schützengrabens kosten könnte?" Major von Stiehle zeigte auf seine Seite, wo eine kleiner Revolver hervorlugte. Flüsternd fügte er an. "Ich erwarte einen Angriff, und dass der Herzog eine Falle vorbereitet oder zumindest einen Ausweg."
 1. Friedrich von Wrangel
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Carl von Lütjenburg

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Casus Belli
« Antwort #284 am: 20.05.2012, 18:04:45 »
Carls Verblüffung war offensichtlich als er die geflüsterten Worte des Majors vernahm. Von Stiehle vermutete Gefahr im Verzuge und das ausgerechnet durch den Herzog? Es fiel Carl schwer dies hinzunehmen, doch zwang er sich zur Ruhe und dachte einen kurzen Augenblick nach. Es stimmte, der Herzog beschäftigte ungewöhnlich viele nicht-Holsteiner in seinen Diensten, dem Namen nach schien der junge Reiter auch eher aus dem skandinavischen Raum zu stammen. Dazu kam noch diese Lokalität und die allgemein ablehnende Haltung des Herzogs, wenn es in ihren Gesprächen um die Deutsche Sache ging. Natürlich konnte Carl anhand dieser Indizien für sich noch keine Schlüsse ziehen, aber sie reichten für einen begründeten Zweifel. Gleichzeitig kam Carl für einen Augenblick der Gedanke, dass von Stiehle ja seinerseits ebenso ein verkehrtes Spiel mit ihm treiben könnte. Doch diese Idee ruhte keine Sekunde in Carls Kopf. Wenn er begann an der Ehrbarkeit eines Preußens zu zweifeln, dann könnte er genauso gut nach Hause gehen und die Hände in den Schoß legen, bis der Konflikt vorrüber war.

Sein Gesicht zeigte nun keine Verwirrung mehr sondern eine verschwörerische Entschlossenheit "So etwas muss man auch nicht befehlen, Herr Major, das ist eine Selbstverständlichkeit." sprach er mit gedämpfter aber eindringlicher Stimme. Wie hätte er auch seine Befehle nehmen können und Major von Stiehle hier allein und im Stich lassen?
Kurz gab er noch einmal den Inhalt des Vertrages wieder "Eine Unterschrift von Graf Guido findet sich tatsächlich darunter, Herr Major. Aber wenn sie gefälscht ist, dann nützt das Papier doch allerhöchstens um Zeit zu gewinnen?"

Carl fiel eine der Überlegungen des Herzogs ein, die dahin ging, dass wenn die Söldner die sie überfallen hatten von Preußen gesandt waren ebenfalls Zeit erkaufen konnten. Der Herzog hatte jedoch eingeschränkt das Preußen mit anderen Mittel Zeit schinden konnte und dies wohl auch gar nicht wollte. Wofür würde der Herzog Zeit benötigen? Wenn er den Vertrag öffentlich machte würde eine Bundesexekution zumindest solange ausgesetzt bleiben, bis die Fälschung des Vertrages bewiesen war. Dem Herzog ging es um Schleswig und Holstein und um seine eigene Legitimation. Mit einem gefälschten Vertrag war dies nur für kurze Zeit möglich und würde danach alles zu nichte machen. Es musste also noch etwas nachfolgen. Angestrengt dachte Carl nach. Konnte es etwas mit dem Reiter zu tun haben? Er hatte gesagt er wäre aus Altona gekommen. Befand sich dort etwas, dass die Legitimation des Herzogs langfristig sichern konnte, oder jemand? Vermutlich mit dem Schiff eingetroffen. Wenn es nicht über Kiel kam, dann kam die Sache nicht aus dem Ostseeraum und durfte wohl auch nicht durch dänische Gewässer geschifft werden. Er wusste zuwenig, um seine Thesen fortzuspinnen, also teilte er sie kurz und bündig mit von Stiehle.

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