Doch aus Jask war es nicht gegeben die verschollene Aerys zu entdecken oder an diesem grauenvollen Ort noch etwas zu verrichten. Ohne große Umschweife wies er seine Gefährten darauf hin sofort zu Tolkwy zurückzukehren, da dieser alleine und verwundbar im Gang zurückgeblieben war und immer noch der Heilung und steten Pflege bedurfte. Der ehemalige Gefangene machte sich flinken Fußes auf, den anscheinend waren alle seine hier anwesenden Wegbegeleiter außer Lebensgefahr - aber Aerys war und blieb verschollen...
Einzig und allein Halas schien den richtigen Gedanken gehabt zu haben, denn nachdem der Mystiker Yarzoth machtvoll enthauptet hatte und Kwazeel gemeinsam mit Simue anfing die Halle zu durchsuchen, während Halas sich über das Hab und Gut der Schlange hermachte, wurden die anderen Beiden relativ schnell fündig:
Der schwarze Altar, welchen Halas Martain als unheiliges Objekt erkannte, von böser Magie durchflutet - er war es an dem die Gefährten fündig wurden. Hinter dem blutüberfluteten Altarstein lag ein kleiner lederner Rucksack, welcher ihnen ungewohnt bekannt vorkam. Und fürwahr deutete alles darauf hin, dass er Aerys gehört hatte - und diese, seine Besitzerin, nicht mehr hier war, vermutlich nicht einmal mehr unter den Lebenden weilte, auch wenn ein Leichnam weiterhin fehlte. Der Inhalt des Rucksacks war einfach und auf den ersten Blick von minderem Wert, doch Kwazeel und Simue erinnerten sich an ihr erstes Gemeinsames Aufwachen auf der Schmugglerinsel als Aerys sturrsinnig in ihrem Rucksack Pergamentblätter getrocknet und herausgekramt hatte - und eine leere Flasche Fussel. Die Glasflasche mit einem letzten Tropfen Hochprozentigen war auch hier vorhanden, ebenso wie ein kleiner Köcher mit ungefähr zehn meisterlich gefertigten Pfeilen
[1] und einige weitere Habseligkeiten. Aber eines war auffällig, und das waren die Schriftrollen, die sie auch hier wiederfanden. Sie waren inzwischen fein säuberlich gebündelt und ergaben in ihrer vollen Pracht ein wunderbares Bild, eine lyrische Sammlung von Gedichten und Gesängen, gesammelt und verfasst von Aerys Mavato. Sie schien eine wahre Künstlerin des Wortes gewesen zu sein - und die
Abendego-Gesänge, so war ihr Werk überschrieben, hatte kurz vor der Vollendung gestanden - doch schien von ihm eine Art magische Kraft auszugehen: Er würde seinen Nutzer schützen vor Zwängen und Willensbürden die andere mit Wort und Tat auf ihn auszuüben versuchten!
[2] Ein Jammer, dass sie hier anscheinend den endgültigen Beweis für das Schicksal der seltsam sturren, aber liebgewonnenen Aerys Mavato gefunden hatten...
Oblivio unterdessen hielt sich vorerst sehr zurück und suchte mit Kaspian gemeinsam die Kathedrale nach Fallen und weiteren Gefahren ab. Die beiden starken Kämpfer sicherten auch das Gitter im Osten ab, welches in eine Art natürlich Höhle mit Wasser gefüllt zu führen schien - es war in den Stein eingelassen und würde leichten Angriffen stand halten: Von hier konnte sie vorerst keine Gefahr oder hinterlistige Bösartigkeit dieses Tempels überraschen! Dennoch herrschte eine denkbar unangenehme Stimmung, hier unter Tage, unter dem roten Berg der Schmugglerinsel...
Halas Martain unterdessen kümmerte sich um Yarzoths sterbliche Überreste und untersuchte sie genauestens. Er wurde schnell fündig und konnte allerhand nützlich Ausrüstungsgegenstände sicherstellen.
[3] Unter diesen Gütern, wie er nach einigem Ausprobieren und Überlegen feststellte auch einige magische Gegenstände, welche sicherlich von durchaus bedeutendem Wert waren. Aber ihr Nutzen überstieg vermutlich das materielle Gut an sich. Doch am interessantesten war wohl das, was sich in den zahlreichen und vor allem in der wasserdichten Schriftrollenhülse befand, die an den Ledergürteln um Yarzoths zerfetzten Leib geschnallt war: Zahlreiche relativ frisch verfasste Schriftrollen, Schreibzeug fand sich natürlich auch, auf denen fein säuberlich eine Vielzahl an Informationen versammelt war. Nach einigem Hin und Her hatten sich die Gefährten darauf geeinigt, dass die fremdartige und unbekannte Sprache wohl Aklo sein musste und die Inschriften, Abschriften und Transkribierungen zahlreicher Reliefs, Inschriften und Fresken dieses Tempelkomplexes waren! Sie waren sicherlich für einen Gelehrten von unschätzbarem Wert und sie konnten sich nicht genau sicher sein, was sich für eine Geschichte dahinter verbarg: Welches Unheil auf sie warten mochte! Yarzoth musste genau danach gesucht haben, und sich über die Inschriften in diesem inneren Tempel hergemacht haben: Nur ihre Heimreise war ungewiss - ebenso wie die, der Gefährten! Ob es wohl im Lager der Kannibalen mit der Fertigstellung des Leuchtturms voranging?!
Der Tempel des Blutes bot mit seinem unheiligen Altar, der widerwärtigen Statue Zuras, der Dämonenfürstin der Vampire und Kannibalen und seinen über und über mit fremdartigen Inschriften versehenen Alkoven einen kultistischen Ort dar. Doch Halas Martain vermochte noch mehr Magie zu entdecken, die Statue erlaubte eine fremdartige Verwandlung, so man die Lippen der Figur, wie anscheinend bereits öfters geschehen mit Blut benetzte: Doch man war sich schnell einig, diesen Zauber lieber nicht auszuprobieren: Man konnte auch nicht sichergehen, dass hier keine böse Magie oder eine Falle verborgen war, ungewiss blieb die Magie der Statue. Die Alkoven selbst hatten wohl als Meditationsräume gedient und waren mit niedrigen Holzbänken ausgestattet, die dem Verfall der Jahre anheim gefallen waren. Ein von Motten und anderem Ungeziefer durchlöcherte und ziemlich muffiger Vorhang ermöglichte es die einzelnen Abteile abzutrennen vom großen Tempelschiff. Die Inschriften waren in Azlanti gehalten und eine Mischung aus Parabeln, Gebeten und Reliefs schmückten über und über die Wände...
Die südlichste Alkove berichtete von der Geburt des Zura-Kultes in der Dschungelstadt Saventh-Yhi. Genauere Ortsangaben oder weitere Details zu dieser anscheinend sagenhaften Stadt fehlten allerdings völlig. Sie waren hier nie notiert worden, nicht offensichtlich jedenfalls. Anscheinend aber war die Stadt von Azlanti erbaut worden. Die Apside liefert als letzte identifizierbare Information die Verbannung des Zura-Kultes aus dieser Stadt und einer anschließend entbehrungsreichen und gefahrvollen Überlandreise, die an der Küste eines fernen Eilands weit entfernt von der Heimat endete...
Die nordwestliche Alkove schien die Geschichte des Kults weiterzuerzählen: Jedenfalls berichtete sie recht ausführlich von der Erforschung und Entdeckung einer kleinen Insel - offensichtlich der Schmugglerinsel - durchgeführt von den verbliebenen Anhängern des Kults. Und der Zerschlagung einer großen Splittergruppe des Schlangenvolks! Anscheinend hatten sich die Schlangenmenschen dort seit der Vernichtung ihrer Art bei Saventh-Yhi vor langer Zeit hier versteckt gehalten. Abschließend berichteten die Inschriften von der Errichtung eben jenen Zura-Tempels, in dem die Gefährten jetzt standen...
In der verbliebenen Meditationsnische ließen sich allen Anscheins nach die Zukunftspläne des Kultes ablesen. Die Mitglieder des Kultes erhofften sich anscheinend von Zura das Geschenk des Vampirismus, indem sie besonders ausschweifende und abscheuliche Rituale vollführten. Sobald sie dieses Geschenk erhalten hätten, planten sie eine Rückkehr nach Saventh-Yhi um die Stadt mit diesem Segen Zuras zu 'befreien'...
Hier ließen sich auch noch ein weiterer Rucksack, vermutlich einer der Schlangenvolkdame feststellen, der weitere nützliche und teils sogar magische Gegenstände enthielt, welche sich die Gefährten anzueignen vermochten.
[4]Saventh-Yhi: Die Gefährten hatten diesen Namen nun schon mehrmals aufgefunden - es schien eine der sagenhaften, versunkenen Dschungelstädte Garunds zu sein. Wenn nicht sogar die meistgesuchteste. Das bekannte Wissen über das alte Imperium der Azlanti könnte revolutioniert werden, wenn diese, oder ähnliche Städte wieder aufgefunden werden könnten. Und auch die hier angesammelten spärlichen Informationen über die legendäre Stadt waren schon neue Erkenntnisse ersten Grades! Die eigentliche Lage aber von Saventh-Yhi wäre von ihrem Wert her sicherlich unbezahlbar - doch der wahre Inhalt von Yarzoths eigenen Abschriften blieb ihnen verborgen, sie vermochten nicht ihn genau zu entschlüsseln. Das würde größere Reserven an Zeit in Anspruch nehmen...
Für ein kleines Detail entschied sich die Gruppe der Gefährten allerdings noch bevor sie den Tempel gemeinsam verlassen würden und zum Kannibalenlager und ihren restlichen Schicksalsgenossen zurückkehren würden: Bereit dieses Eiland endgültig zu verlassen - was hielt sie noch hier! Sie wollten gemeinsam den unheiligen Altar zerstören. Er schien ihnen der Quell allen Übels und besser als eine reine Vernichtung der Priesterin Yarzoth allemal. Die Statue Zuras wollten sie lieber nicht anrühren, der Zorn der dunkeln Götter war unberechenbar, doch dieses Relikt der bösartigen Magie hatte sein letztes Stündlein in Vollständigkeit und Erhabenheit verbracht. Besonders Kaspian und Oblivio beteiligten sich tatkräftig an der Zerstörung des Unheiligtums - sie hieben mit ihren Waffen unablässig auf den schwarzen Stein ein, bis dieser schließlich mit einem ohrenbetäubenden Krachen zerbarst und in tausend kleine, schwarze Splitter zersprang! Unmengen an Blut ergossen sich aus den Überresten des Altas und fluteten beinahe die komplette Kathedrale - ein Seufzen, Stöhnen und Heulen erklang urplötzlich und ließ die Gefährten noch ein letztes Mal die Händen an die Ohren reißen. Dann versiegte der Blutstrom, das Sprudeln ließ nach, der Schmerzenschor verstummte mit einem letzten, erlösten Heulen. Und dieser Ort, aber vermutlich auch die gesamte Schmugglerinsel ward ein anderer geworden. Ein Kräuseln unsichtbarer und sehr mächtiger Magie schien über die Gefährten und die Umgebung hinwegzuwandern und sich dann zu verflüchtigen. Man konnte richtiggehend
fühlen, wie eine Last von der Insel genommen wurde, eine schwere Last, der Fluch Schmugglerinsel...
Der Fluch der Schmugglerinsel schien beendet zu sein...