Simue vermochte es mit ihrer selbstlosen Kostprobe des kleinen Tranks wieder einmal ihre Gefährten zu verwirren, denn als der erste Tropfen ihre Lippen berührte begannen diese sofort zu altern und rissig zu werden! Waren kurz darauf auch zu ihrer eigenen Überraschung wieder verschwunden - alles auf Anfang: Ein Trank also, mit dem man Dinge altern lassen konnte, unberührt, unschuldig - spurenlos wirken lassen. Ein seltsames Wässerchen, dass sie da entdeckt hatte
[1]...
Tolkwy derweilen untersuchte noch einmal und gekonnt den Streitkolben, schwer wog die Waffe in seiner Hand - sicherlich konnte man gezielte und mächtige Schläge damit ausführen
[2], doch der Inquisitor bevorzugte seine Axt und reichte den Streitkolben an Jask weiter, der die ganze Zeit über schon interessiert auf die Waffe geschielt hatte. Dieser bedankte sich schließlich höflich dafür und versuchte sich kurzerhand an ein, zwei Schwüngen mit der neuen Waffe - sie würde ihm sicherlich gute Dienste leisten...
Auch Dan konnte Erfolge verzeichnen, er hatte einige gute Stellen für die Absicherung ihrer kleinen Klettertour entdeckt - sie würden ihre Seile benötigen, aber sie würden es wohl schaffen. Sie waren schließlich wieder einigermaßen ausgeruht und jetzt auch noch motiviert! Der Fund der vergrabenen Waffen und Güter war auch für den Matrosen etwas Glückliches: Es schien als wäre dieser Säbel, den er jetzt in den Händen hielt wirklich wie für ihn gemacht
[3]...
Die Pfeile nahm einstweilen Simue an sich und verstaute sie in ihrem Rucksack
[4], während der Stab an Kwazeel ging, welcher ihn kurzerhand nochmals auf seine Wirkung überprüfte: Sein geschulter Blick ließ klar werden, dass er nun wusste, um was es sich handelte - ein Heilstab
[5]! Auf so etwas würden sie mit Sicherheit angewiesen sein, wenn sich ihre schlimmen Befürchtungen wirklich bewahrheiten sollten...
Dann schließlich forderte Nevos zum allgemeinen Aufbruch auf - es war schließlich schon am späten Nachmittag und sie sollten wohl noch die Klippe erklimmen und sich dort nach einer Lagerstätte für dich Nacht umsehen: Gemeinsam ging die kleine Expeditionsgruppe dann zur Aufstiegsstelle hinüber, die sich Dan ausgeguckt hatte und folgten seinen Anweisungen. Tolkwy und Jask kümmerten sich darum den körperlich Schwächeren bei den ersten Metern zu helfen und Dan fixierte die weiter oben liegenden Sicherungspunkte. Auch Nevos stellte sich nicht ungeschickt an - doch ab und zu mussten die noch Unten stehenden einem kleinen Stein, oder losgetretenem Moos ausweichen. Doch sie ließen sich genügend Zeit und erreichten schließlich alle wohlbehalten das obere Ende der Steilwand. Doch ein wirklich guter Ausblick wollte sich ihnen nicht ergeben - im Norden führte der Pfad scheinbar weiter in Richtung Westen, tiefer in die Insel hinein, und im Süden gab es noch relativ viel Festland, völlig mit Wald bedeckt zu sehen: Ausschließlich im Südosten erblickten sie einen kahlen Berg, der einzeln und starr über alles Andere hinausragte. Sein Gestein war von einer rostroten Farbe und er war völlig frei von jeglicher Vegetation, schroff und kühn: Wie eine weitere Narbe dieser schauerlichen Insel. Über den westlichen Dschungel blieb ihnen der Blick versperrt...
Vor ihnen bauten sich wiederum große Gehölze und Bäume auf, doch tapfer schlugen sie sich abermals hinein und bahnten sich ihren eigenen Weg durch das Unterholz: Tolkwy gelang es sogar die Spur wieder aufzunehmen, die sie noch kurz zuvor Unten verfolgt hatten - immer tiefer ging es in den Dschungel hinein, doch schließlich lichtete sich das Gebüsch abermals. Abermals wurde ihnen ein Blick auf eine schauerliche Szenerie offenbar:
Sie hatten einen weiteren Dschungelpfad gefunden, kleiner und etwas verwildert, aber immerhin - scheinbar gehörte auch er zu dem ursprünglichen Pfad: Vermutlich hatte hier jemand tatsächlich eine Art Wegenetz angelegt. Hier auf der Lichtung stand, spärlich und mit einem Grünschimmer durch all die Blätter beleuchtet eine kleine eingestürzte Hütte. Das Dach eingefallen, die behauenen Baumstämme der Seitenwände angefault - das Ganze am Ufer eines gurgelnden Rinnsals, welches sich hier vorbeiwand und dann wieder im Dschungeldickicht verschwand. Einige Riemen verrotteten Segeltuchs hingen vom provisorischen Dachstuhl herab und auch die Tür hing bereits schief in den Angeln, war allerdings geschlossen...
Doch das wirklich Merkwürdige und Erschreckende war, dass die Hütte selbst und auch die Umgebung, also die Lichtung, über und über mit Totenschädeln und Knochen bedeckt und gewissermaßen geschmückt war! Der einzige Kratzer, im wahrsten Sinne des Wortes, dieser ganzen makaberen Zierde war, dass jeder einzelne dieser Knochen zahlreiche Kerben und, eben, Kratzer aufwies...