"Also, du neugeriger Bursche, ich werde versuchen, dir etwas über Parera Robrado zu erzählen. Es wird Stückwerk sein, denn sein Leben ist Stückwerk. Du wirst du wünschen, dass ich die Lücken mit seinen Motiven erfülle, diesen Gefallen werde ich nicht tun. Ich stelle es hin, wie es ist. Nur in einer Sache wird er dir in seinem Innersten kein Recht geben. Er würde keiner seiner Lebensveränderungen abrupt oder stückhaft nennen. Aber Parera ist ein Träumer. Scheiß drauf. Parera ist ein Depp, damit musst du leben. Aber wenn du seine Geschichte hören willst, meinetwegen. Stell mir 'nen Humpen ist und erzähl' dir fünf Minuten was.
"Ich kann dir fast alles erzählen, guter Mann. Aber ich werde dir nie etwas darüber erzählen, wie ich denke, wie ich fühle, was ich will und was ich nicht will. Das hat dir am Arsch vorbeizugehen." Parera war selten harsch, aber dieser Priester war besonders hartnäckig gewesen. Seit zwei Tagen saß er an Pareras Bett und fragte, wie er in diesen Schwierigkeiten gekommen sei. Parera hatte ihm wahrheitsgemäß geantwortet. Er hatte Riccar den Müden herausgefordert, nachdem er Tilbar Tarnalar im wahrsten Sinne des Wortes auf die Stiefel gepinkelt hatte. Aber der Priester, ein Mann Lathanders war er, wollte natürlich die Hintergründe wissen. Auch die hatte Parera ihm erzählt, war er doch mit Tarnalar aneinandergeraten, nachdem sich rausstellte, dass Tarnalar dem Konzil von Dapplegate angehört und Parera sich ihm gegenüber für kleinere Diebstähle verantworten sollte. Tilbar Tarnalar hatte vom Halb-Elfen gefordert, dass er sich für zwei Jahre in dessen persönliche Dienste stelle. Diesen Affront vergalt der junge Mann indem er Tilbars Stiefel tränkte. Riccar hatte kurzen Prozess mit Parera gemacht und ihm die Tracht Prügel seines Lebens gegeben, ein paar gebrochene Rippen und einen gebrochenen, linken Unterarm eingeschlossen. Aber der Priester wollte wissen, was Parera innerlich dazu bewog. Er blieb hartnäckig und Parera wurde langsam wütend.
"Hör mal zu, du Pfaffe. Ich bin keiner deiner Chorknaben. In mir kannst du nicht pulen, wie es dir beliebt."Ein Sturm der Entrüstung folgte und der Priester verlor fast seine Countenance. Plötzlich wurde die Tür eingeschlagen, brechend fiel sie aus den Angeln und eine plündernde Meute Söldner stand in der Tür.
"Vom Regen in die Traufe...", seufzte Parera und schaute von seinem Krankenbett zu, wie der hartnäckige Priester, der ihm vielleicht sogar das Leben gerettet hatte, ebenso lazarettreif geschlagen wurde, wie der Halb-Elf noch war. Er erkannte den Grund ihres Aufenthalts sofort. Sie waren Presser
[1]. Sie faselten irgendwas von Lotusdrachen, Verbindungen, Chancen auf Gewinn. Parera gähnte, das nächste, woran er sich erinnert, ist dass er mit Salz auf den Lippen aufwachte, mitten auf Deck.
So ließe sich Pareras ganzen Leben beschreiben. Ziellosigkeit ist eines der großen Attribute, welche er sein Eigen nennen kann, neben einem zu großen Mundwerk und stahlharten Fäusten. Parera hat nie wirkliche Ziele gehabt, er hat sie auch nie gebraucht. Er hatte ein Talent dafür, von einer Situation in die nächste zu rauschen. Wo er geboren wurde, das weiß er nicht. Ob sein Vater oder seine Mutter ein Elf war? Er spürt nur die Sehnsucht zur offenen See. Aufgewachsen ist er als Pflegesohn eines Barden aus Derlusk, lernte die Grundzüge des Gesanges. Er erinnert seinen Namen, Faglor Immerrot nannte er sich und lief immer in lächerlichen roten Roben rum, aber als Parera noch jung war, wurde er von anderen Männern in dunklen, fast schwarzen Rüstungen erschlagen. Sie nahmen mit, Parera wuchs die weitere Zeit seines Lebens in einem Kloster des Tyrannos auf. Die Äbte und Brüder kamen und gingen, Parera konnte mit den wenigsten. Vor vier Jahren brannte das Kloster nieder, Parera floh statt gegen Cyricisten zu kämpfen. Hatte das Mönchsleben satt, schätze ich. Kam das erste Mal hier in Dapplegate an. Pisste gleich dem Rat auf die Stiefel, wurde auf 'nen Schiff gepresst. Trägt seit dieser Zeit ein Istishiazeichen. Ja, was willst noch wissen?
Ach ja, Lotusdrachen. Ich kenn die Hunde nicht. Parera war vor vier Wochen hier. Fragte nach diesen Hunden, suchte Kontakte. Wurde an irgend'ne Lavinia Vanderborn geschickt. Keine Ahnung. Scheint so, diesen Einblick in seine Gedankenwelt gebe ich dir, als kenne er zumindest Rachegedanken. Ist manchmal ziemlich emotional der Junge. Ach ja, ein Tipp noch. Er hat die Angewohnheit andauernd gut gelaunt zu sein und sogar freundlich grinsend ins Fallbeil zu laufen, aber wunder dich nicht. Der Junge hat 'ne harte Rechte. Und jetzt verzieh dich, sonst spürst du meine!"