Die Gegner kämpften nun sichtbar gegen die unendliche Müdigkeit an, die Lexis Zauber bei ihnen hervorgerufen hatte. Der Powrie und einer der Spriggans schlugen träge auf Ramar ein, der sich erfolgreich hinter seinem Hammer verschanzte. Den unbekannten Zauberer im Gebüsch hatte Lexi allerdings nicht erwischt, und ein weiterer Lichtstrahl erschien zwischen den Kämpfenden, um zahllose Grashalme und Ramars Hinterkopf zu versengen. Dann kippte der Powrie mit einem letzten Gähnen um und blieb reglos liegen.
Unterdessen schlug sich Nebin immer noch mit dem anderen Spriggan und der Kobra herum, die sich plötzlich viel abgehackter bewegte und in deren grün leuchtenden Augen er ein Flacken bemerkte. Es war ihm ein leichtes, den beiden auszuweichen. Das Flackern wurde stärker und plötzlich erloschen die Augen; die Kobra fiel zu Boden. Nur ihre Schwanzspitze zuckte immer noch hin und her.
Auf dem See hatte der Flinkling endlich das zweite Paddel bereit gemacht und fing an, panisch um sein Leben zu rudern.
Einen Moment lang starrte Jared den kleinen Kerl vor seinen Füßen an: war er tot? Nein, er schlief! Ein magischer Schlaf? Aber Jared hatte Lexi gerade gar nicht zaubern sehen. Vielleicht handelte es sich um eine jener seltsamen Schwächen, an denen Feenwesen in Geschichten immer litten: die einen mussten, wenn man eine Schale Getreidekörner vor ihnen ausleerte, jedes einzelne davon zählen; andere wurden geblendet, wenn man ihnen einen Spiegel vorhielt; wieder andere fielen tot um, wenn ein Mensch ihren wahren Namen aussprach: dieser hier schlief offenbar ein, wenn... wenn was? Ein bestimmtes Wort gesagt wurde, 'Blut' vielleicht?
In den Geschichten nutzten die "Helden" die Schwäche der Feen immer gnadenlos aus; schon als Junge hatte Jared das als feige und ungerecht empfunden, nicht als schlau und überlegen, wie die Geschichten einem glauben machen wollten.
"Werd' endlich erwachsen!" hörte er Daviks Stimme in seinem Kopf. "Im Leben muss man jeden Voreil ausnutzen, der sich einem bietet, sonst bleibt man auf der Strecke. Deine Skrupel bringen dich noch unter die Erde."
Nein, so hätte der Zwerg sich nicht ausgedrückt, eher so: "Bist du Mann oder Memme? Jetzt schneid' ihm endlich die Kehle durch!"
Jared tat sein Bestes: er zielte auf die Stelle, an der er das Herz des Powrie vermutete, und stach zu, doch entweder lag das Herz bei dem Kerl woanders, oder Jareds Hand hatte gezittert: das Blut spritzte zwar, aber nicht so, wie es gespritzt hätte, wenn man das Herz oder eine Hauptschlagader erwischte. Auch atmete der Powrie noch: tief und ruhig wie ein Schläfer.
Das viele Blut erinnerte Jared daran, dass er auch gerade zuviel davon verlor. Er taumelte einen Schritt zurück, wobei er mit der Dolchhand die Dornen vom Schwert des anderen Feenfuzzi aus seinem Fleisch riss und hinterher ein Taschentuch gegen die Wunde presste. Dabei versuchte er, sich ins Gras zu ducken, doch vor Schmerz kam er nicht tief genug. Jede Bewegung kostete ihn viel mehr Kraft und Konzentration, als es normalerweise sein dürfte: langsam und linkisch kam er sich vor. Schwach...
Wenn er nicht bald etwas gegen das Gift der Kobra unternahm, wäre es egal, ob der Heiler überlebte oder nicht!
"Ein zweites Paddel!" Leofe legte schnell zwei Pfeile auf, welche wie zuvor mit einem Krachen in das Holz des Ruders einschlugen und es zerbrachen. Nun hatte der Quickling wirklich keine Fluchtmöglichkeit mehr.
Nebin wurde klar, dass er sich erst den Dornen entledigen musste, bevor er sich auf die Kobra konzentrieren konnte. Mit einem gezielten Hieb streckte er den Spriggan vor sich nieder und ohne abzusetzen nutzte er den Schwung seines Hiebs aus, um auch der Kobra einen ersten Kratzer zu verpassen.
Wie in Trance hob Ramar sein rechtes Bein, um auf das zuschlagende Kurzschwert des Gnomen zu treten. Zwar gelang es Ramar, darauf zu stehen zu kommen, aber als der Gnome kräftig daran rüttelte, gab Ramars Fuß nach und er fiel nach hinten ins Gras. Mühsam rappelte er sich wieder auf und ließ dabei sein Verbandsmaterial fallen. Als er sich gerade wieder aufgerichtet hatte, erwischte ihn an der Schulter ein grüner Lichtstrahl, der ein rauchendes rundes Loch In seiner Rüstung (und auf der Haut darunter) einbrannte. Schmerz durchfuhr den Kordpriester.
So langsam verlor Ramar wirklich die Geduld; er musste sich zusammenreißen.
"Herr Kord, schau auf Deinen Diener herab. Diese Wichte können doch nicht das letzte sein! Hilf mir!"
Ein roter Nebel quoll aus den Wunden und tatsächlich: die meisten seiner Wunden waren verheilt. Doch die klaffende Schenkelwunde, die er nicht stoppen konnte, freute sich über das firsche Blut, und es rann in Strömen sein Bein hinunter.
"Haltet durch, Ramar!" rief Lexi und rannte durch das Gras in Richtung Priester. Neben diesem lag der schlafende Powrie, für den Lexi allerdings im Moment überhaupt kein Mitleid übrig hatte. Sie beugte sich über die reglose Gestalt und schrie sie mit Baphonets Machtworten an. Dann wandte sie sich schnell ab, bevor der Schlag kam, um nichts in die Augen zu bekommen. Als sie sich wieder umdrehte, lag der Spriggan in einer fast einen Fuß tiefen Mulde und sah nicht so aus, als würde er jemals wieder aufstehen.
Grimmig wandte sich die Eladrin noch dem deaktivierten Schlangenkonstrukt zu, um es mit einer Donnerwoge auf die Lichtung zu befördern.