Ich würde Daishy teilweise recht geben, teilweise aber auch widersprechen. Mechanisch und vom Zeitmanagement her sind die Onlinerunden dafür eindeutig besser geeignet und da folge ich Daishys Argumentation, allerdings sind die Ongames auch verlockend und da sehe ich das von Groetus gesehene Phänomen genau umgekehrt. Am Spieltisch sind die Spieler schneller bereit sich "hinzunehmen", während durch die lange Nachdenkphasen, die man in Beiträge investieren kann, und die häufige Anonymität der Spieler diese gespielte Fremdartigkeit oder gar Feindseligkeit gerne ausgiebiger bespielt wird. Gleichzeitig vergeht im Onlinespiel weniger Zeit, sodass dies immer wieder als Argument hervorgehoben wird. Dadurch ist potenziell durch die nähere Betrachtung zwar mehr Entwicklung möglich, durch den engmaschigen Zeitrahmen erscheint den Spieler eine Entwicklung ihrer Charaktere immer unwahrscheinlich (häufig ist die Entwicklung des Charakters die Entwicklung des Spielers über die vielen Monate, die er braucht, um ein paar Ingametage zu spielen. Und diese Entwicklung ist häufig beträchtlich!
). Dieser Konflikt ist häufig schwer zu lösen oder zu vermitteln, ohne dass er dabei zwangsläufig spiellähmend sein muss.
Der Kardinal hat eine Variante genannt, die aber auch nicht immer sehr beliebt ist. Das bereits erfolgte oder das noch ausstehende Kennenlernen ist aber seltener der Grund dafür, ob man nun gut oder schlecht zusammenarbeitet. Vielmehr ist es ja häufig, dass sich mögen, sich tolerieren oder sich nicht mögen oder gar hassen. Dabei können alle Varianten für eine Runde sehr spannend sein, aber eben nicht für jede Runde. Das kommt ein wenig auf den Kampagnentyp oder Szenarientyp an. Und es gibt sicher auch genügend literarische oder filmische Vorbilder, welche da genutzt werden können.
Ein gemeinsames Ziel überbrückt dabei häufig die mangelnde Sympathie oder die mangelnde Kenntnis der Mitspieler (wenn auch nicht in allen Szenarien: Doppelagentenszenario bspw.
), oder ein gemeinsames, hartes Schicksal. Die gemeinsame, wahrscheinlich tödliche Gefangenschaft, welche die Charaktere gemeinsam entfliehen, könnte ein guter Ansatz sein, wenn die Spieler dieses zu schätzen wissen. Selbst wenn ein Charakter überaus misstrauisch ist, kann er ja immerhin erkennen, dass die anderen Charaktere ihn zu denselben Anteilen wie er sich selbst aus der Übermacht des Feindes befreit haben. Wenn die Gefahr also virulent bleibt, bietet sich hier an, im Dunstkreis der Gruppe zu bleiben, um die eigene Freiheit zu erhalten. Das gibt die Chance zur Entwicklung bei Beibehaltung einer grundsätzlichen Misstrauenshandlung und erhält die Gruppe als eine Art Schicksalsgemeinschaft.
Es gibt jedoch keine allgemeingültige Heransgehensweise. Vielmehr ist es wohl so, dass im Idealfall der Spielleiter einen groben Rahmen vorgibt und dann mit den Spielern in expliziter und/oder impliziter Verhandlung dieser Rahmen gefüllt wird (Dieser Rahmen kann natürlich auch beinhalten, ohne Kennenlernphase zu spielen). Das Ganze sollte ein wenig mit der Kampagne zusammenpassen. Grundsätzlich sehe ich die Unkenntnis über die Mitcharaktere und das Kennenlernen spannend, oder sogar das Spiel, in dem die Gefährten sich einigermaßen unbekannt bleiben. Es wäre ja auch nur eine Situation, wie wir sie im Leben kennen. Der Feuerwehrmann, der bei einem Großbrand einer anderen Wehr als Hilfe überstellt wird und mit diesen ihm unbekannten Kameraden eine gefährliche Teilaufgabe lösen soll, wie ein Atemschutzeinsatz. Der Katastrophenhelfer, der mit wildfremden Menschen in seuchengefährdeten Katastrophengebieten eine Lösung herbeibringen soll. Man denke an die Freundschaften, die im Laufe menschlicher Katastrophen oder in gefährlichen und schweren Situationen entstanden sind durch Mithilfe und Schutz. Und gleichzeitig sollte man nicht vergessen, dass eben diese Situationen auch für das Gegenteil sorgen können, manche nur noch auf "egoistischen Survivalmode" schalten oder ganz andere Agendas verfolgen. Beides kann spannend sein, doch es sollte auch gerade im Onlinerollenspiel immer wieder verhandelt werden. Denn leider gibt es einige Ausstiege aufgrund dieser Problematik.
Nicht immer gelingt also ein Konsens und eine Vermittlung der unterschiedlichen Position, gerade wenn man sich an Argumentationspunkten wie Zeit festkrallt. In diesem Fall kann ich durchaus mit eher "unrealistische Zusammenführungen" (wie Groetus es nannte) anfreunden oder einen deus-ex-machina-Mechanismus verstehen, welche die beiden oder mehrere Streithähne aneinanderketten soll (in Richtung Schicksalsgemeinschaft) oder ihnen eine neue Zusammenarbeitungsmotivation nahebringen soll. Im Zweifelsfall sehe ich nämlich das Gruppenwohl als höherwertig an als meine eigenen Interpretationen eines "realistischen" Charakters. Gerade diesen "Realismus"-Debatten sind dabei ja häufig sehr subjektiv geprägt und daher per se problematisch, wenn sie zwischen sehr vielen, sich anonymen Menschen vermitteln soll. Es bleibt dabei immer notwendig, diese Entscheidung nicht befehlsartig aufzuzwingen, auch wenn einige Spieler damit sicher leben können.
Das sind meine groben Gedanken zu diesem Thema.
Edit: Ein bisschen Rechtschreibkorrektur.