Diese Hitze, sie ist kaum auszuhalten. Zu keinem Zeitpunkt offenbart sie etwas Angenehmes oder Lebensförderndes. Dieser Brodem, diese Essenz Tezcas, sie ist furchterregend. Furchterregend und hinterhältig. Tlacatl spürt die unsichtbaren, fernen Flammen, welche auch hier, vielleicht fern von diesem gelbroten Ball aus Glut und Feuer, atemnehmend und ausdörrend um sich greifen. Und so ist die Erinnerung an die Oase längst keine Verheißung mehr, kein Labsal, sondern ein Gefühl von Bitterkeit. Das Wissen um die Bequemlichkeit und Erholung, die diese Oase geboten hat, lässt jeden Schritt nur schwerer werden.
"Warum habe ich diesen Ort verlassen, wenn ich dort hätte länger ausharren können?" Der Fluss der Ereignisse trägt Tlacatl nicht nur fort, er hat das Weiterreisen gefordert und er weiß es. Er weiß, dass man die sichere Höhle verlassen muss, um Taten zu vollbringen. Tlacatl weiß auch, dass der Mensch Angst vor der Unendlichkeit bekommt, wenn er zu viel in den Sternenhimmel schaut. Manchmal muss man einfach in das Ungewisse gehen und kann trotzdem wissen, dass es das ist, was man tun muss. Ob dies bedeutet, ob es richtig oder falsch ist? Man muss es tun. Deswegen heißt es trotz der Hitze, einen Fuß vor den anderen zu setzen, einen Schritt nach dem anderen zu machen, soweit die Füße tragen. Und trotz der Hitze, trotz der Anstrengung; es werden noch viele Schritte sein, ehe Tlacatls Kraft versiegt.
Die kupferne Haut schweißnass, hält der alternde Hüne, keinen Mucks von sich gebend, keine Miene verziehend, mit seiner Leistung zufrieden, im Schatten des riesigen Kopfes inne und gönnt sich einen tiefen Schluck des warmen Oasenwassers. Erst dann setzt er sich nieder, um sich auch mit etwas Nahrung zu stärken. Tlacatl blickt in die Weite der unendlichen Dünen und weiß in diesem Moment der Hitze erstmals etwas Gutes abzugewinnen. Er schwitzt so stark und das eben Getrunkene, so scheint es ihm, will gleich wieder aus seinen Poren in die Hitze Tezcas schwinden, um dort kläglich zu verdampfen oder zusammen mit dem ewigen Sand unangenehme Scheuerungen an seinem Körper verursachen. Aber es bringt den Vorteil, dass er hier, wo es keine Möglichkeit der Schamverbergung gibt, nicht in dieser unendlichen Weite austreten muss. Das erste Mal seit Tlacatl mit dieser Gruppe unterwegs bildet sich an seinem Mund etwas, welches fast als Schmunzeln durchzugehen droht, welches jedoch in jenem Moment erstirbt, in dem er die große Steinstatue sieht. Unschlüssig legt er sein Gepäck in den schattenbeworfenen Sand, lediglich sein Beil bei sich behaltend und den Wasserschlauch, aus dem er noch einen Schluck zu trinken gedenkt.
Er ist sich nicht mehr sicher, ob er diese Statue auch auf seiner ersten Reise durch Tezcas Haus bemerkt hat. Wahrscheinlich nicht, andererseits ist er damals sehr müde gewesen und ist auf allen Vieren, mit salzverkrusteter Lippen, durch das Meer aus Sand gekrochen und hat gerade so überlebt. Er hat kein Auge für solche Erscheinungen gehabt, was er auch immer gesehen haben mag. Die Oase ändert einiges, er hat seine Gedanken beieinander und so umrundet er die Statue vorsichtig, sie abklopfend, befühlend, beriechend und untersuchend
[1]. Vorsichtig befühlt er die Ritzen und Markierungen des Steins. Dafür, dass die Wüste ihn halb verschlungen hat, sind seine Details noch gut erhalten, der Sand hat nicht viel an ihm geschliffen. Vielleicht war er vor nicht allzu langer Zeit noch von einer Düne verschluckt gewesen? Tlacatl überlegt fieberhaft, kennt er diesen Baustil? Kennt er den Nutzen dieses Kopfes oder ist sein einziger Nutzen der Schmuck? An irgendwas erinnert ihn dieser riesige Kopf. Er hält zurück im Schatten inne, um darüber nachzudenken
[2], für einen Moment seine Gefährten kaum beachtend. An Baukunst scheint Tlacatl übermäßig interessiert und schnell ist er ins Nachdenken vertieft.