Dana begrüßte die Frau, die sich als eine weitere Stadträtin mit dem Namen Shanda Faravan herausstellte, mit einem Lächeln. Es war zumindest erfreulich, dass wenigstens eines der Regierungsmitglieder dieses Ortes nicht vollkommen schlecht von Kendras Gästen dachte – wenn auch anzunehmen war, dass es nichts Gutes bedeutete, dass sie Danas Namen kannte.
Dana musterte die Stadträtin kurz, während Brann und Samuel sich vorstellten. Die Frau war schätzungsweise ein Jahrzehnt älter als sie selbst, was sie jedoch nicht wenig ansehnlich machte. Samuel gab sich Mühe, überhöflich zu schmeicheln und Shanda Faravan Honig um den Mund zu schmieren.
Dana unterdrückte es, ihrer Belustigung mit einem kleinen sarkastischen, wenn auch scherzhaften Kommentar bezüglich des Banns, in den Ravengro seine Besucher zieht, Luft zu machen, schließlich wollte sie sich nicht in die Nesseln setzen (immerhin könnte die Stadträtin so etwas negativ auffassen). Stattdessen beließ es Dana bei einem skeptischen Blick in Samuels Richtung, der sich allerdings in ein Lächeln und ein dankendes Nicken verwandelte, als er ihr mit einer nicht zu übersehenden Geste das Feld überließ.
„Ganz recht, ich bin Dana Gray“, antwortete sie Frau Faravan schließlich freundlich und reichte ihr die Hand.
„Es freut mich, Euch kennenzulernen.“
Es wäre an dieser Stelle ein Leichtes gewesen, die Stadträtin zu korrigieren und richtigzustellen, dass sie eigentlich „Dana Crane“ hieß, aber sie hatte sich unter gegebenen Umständen bewusst dagegen entschieden – nämlich, dass ihr Mann hier in der Stadthalle und im Dorf und auf dem Friedhof für Wirbel gesorgt hatte und dass sie sich auch nicht in Verlegenheit bringen wollte, die Angelegenheit mit ihrem Nachnamen erklären zu müssen, wenn sie auch nicht in aller Ausführlichkeit machen würde, schließlich ging das eigentlich niemanden außer sie (und Ichabod vielleicht) etwas an.
„Mir eilt anscheinend bereits ein Ruf voraus“, griff Dana die Begrüßung auf, die Shanda Faravan ihr bereitet hatte.
„Ist er gut oder schlecht, frage ich mich?“ Der Stadträtin blieb selbst überlassen, ob sie dies beantworten wollte oder nicht. Auch wenn Dana tatsächlich interessierte, was man über sie dachte, war die Nachfrage nicht viel mehr als eine Floskel, um das Gespräch anzukurbeln und auf das eigentliche Thema zu lenken.
„Ich hoffe, wir stören Euch nicht, denn wir wären froh, wenn Ihr ein wenig Zeit für ein Gespräch mit uns übrig hättet.“ Dana unterließ es erst einmal, darauf zu sprechen zu kommen, dass sie eigentlich hier waren, um mit Vashian Hearthmount zu reden, denn einerseits wollte sie nicht unhöflich sein, andererseits sah sie im Moment bei Shanda Faravan größere Chancen, auf Hilfsbereitschaft zu treffen.
„Wie Ihr sicher wisst, hat unsere Anwesenheit in Ravengro – und mit ‚uns‘ meine ich Miss Lorrimors Gäste – für Aufsehen gesorgt, und wir würden uns darüber freuen, wenn es uns gelänge, die Wogen wieder zu glätten. Man hat uns bereits nahegelegt, dass wir als Unruhestifter angesehen werden, und das können wir, zu unserem Bedauern, leider sehr gut nachvollziehen, obwohl es nie in unserer Absicht gelegen hat, derart für Aufsehen zu sorgen, wie wir es offensichtlich getan haben. Es führte eine unglückliche Fügung zu der nächsten. Uns ist dies, ehrlich gesagt, ziemlich unangenehm, auch weil wir dadurch unbeabsichtigt Kendra in Verlegenheit gebracht haben. Die Arme hat mit dem Verlust ihres geliebten Vaters schon schwer genug zu kämpfen, und wir sind hier, um sie in dieser schweren Zeit zu unterstützen, und nicht, um ihr auf unangenehme Weise noch mehr Kummer zu bereiten.“
Dana lächelte weiterhin höflich und freundlich. Auch wenn sie fand, dass sie sich bisher gut schlug, konnte ein falsches Wort oder ein falscher Gesichtsausdruck die gewünschte Wirkung ihrer Worte zunichtemachen.
„Sagt, wäret Ihr so freundlich, uns mit einem Rat zur Seite stehen? Unglücklicherweise erscheint uns die Situation ein wenig verfahren. Ich fürchte, besonders Vater Grimburrow, aber auch Euer werter Kollege Stadtrat Hearthmount, sind momentan nicht gut auf uns zu sprechen – was nach den gestrigen Geschehnissen nur allzu nachvollziehbar ist.“
Dana wusste nicht genau, was Shanda Faravan wusste, aber die junge Ärztin musste damitt rechnen, dass die Stadträtin als Stadträtin über alle Geschehnisse informiert war. Trotzdem bevorzugte sie es, nicht konkret zu werden, da dies ebenfalls eine Möglichkeit war, unschöne Dinge etwas zu beschönigen. Einen Gesprächspartner eigene Verfehlungen unter die Nase zu reiben, war keine gute Idee. Wenn Dana etwas von Kleinauf gelernt hatte, dann war es, mit gewisser, möglichst auf den eigenen Vorteil bedachter Taktik an Gespräche heranzugehen, auch wenn man immer einige Eingeständnisse machen musste, der Diplomatie willen.
„Da wir jedoch gedenken, den letzten Willen des Professors zu erfüllen“, fuhr Dana fort, „und Miss Lorrimor eine Weile Gesellschaft zu leisten, würden wir uns sehr viel wohler fühlen, wenn es uns möglich wäre, Friede zu schließen. Wir hatten nie böse Absichten im Sinn.“