Auch Varnas Nacht nach dem ereignisreichen Tag der ersten Inbetriebnahme der W.I.E.Ge-Maschine ist voller Träume. Seltsamerweise träumt die Heretek weder von aberwitzigen Schaltkreisen noch von wandelnden Toten. Nicht einmal ihre Mitketzer oder der so oft erwähnte Karnak Zul tauchen auf. Stattdessen sieht sie sich durch die weiten des Universums treiben - vorbei an milchigen Nebeln, gähnenden Abgründen und von Menschen oder anderen Wesen beheimateten Sternsystemen.
Alles wirkt sonderbar klar und zum Greifen nahe, und auf der anderen Seite irgendwie durchscheinend. Hinter der stofflichen Welt liegt die gesamte metaphysische für die Fabrikweltlerin offen. Sie sieht unsichtbare Kräfte, die Risse in der Wirklichkeit auftun, ebenso wie personifizierte Emotionen, die in die Hirne von Fürsten, Anführern oder auch niederen Knechten fassen. In ihrem Klartraum fühlt sich die Ketzerin so frei, erleuchtet und beflügelt wie noch nie.
Als ihr Körper in die Wachphase wechselt und sie den faszinierenden Traum nicht mehr festhalten kann, reibt sich die Techpriesterin mit einem seligen Lächeln auf den Lippen die Augen. "Das war ja irgendwie befreiend," denkt sie beim Aufstehen an das Erlebnis zurück. Kaum hat sie jedoch ihr Laboratorium betreten, fällt ihr auf, dass etwas von der Klarheit ihres Traumens noch geblieben ist. In der arkanen Vorrichtung aus Spulen, Stromquellen und Runen, die die Abtrünnige für einige Experimente benutzt hat, sieht sie bei genauem Hinschauen die Verbindungslinien aus fließender Energie, die sich im Fokus bündeln - genau dort, wo die Testprobe platziert wird.
"Interessant!," kommentiert Varna ihre Entdeckung. Sie erinnert sich an den kurzen Blick hinter den Schleier während der gestrigen Aktivierung der Maschine. Ja, sie hat die Hilfe angenommen? Hat sie auch noch etwas mehr mitgenommen? Neugierig beginnt die Maschinenseherin, ihre 'Nebenwirkung' auszuloten und zu prüfen. Sie sieht Eugenius an, konzentriert sich - und kann tatsächlich feine grünliche Linien in seinem Kopf erkennen, die Kräfte, die sie gewirkt hat, um seinen Geist in seinem Gehirn zu bündeln, damit jener es wiederherstellt.
Das beflügelte Gefühl aus ihrem Traum kehrt zurück. Die Ketzerin umarmt ihren Verlobten und huscht dann in die Halle mit der arbeitenden W.I.E.Ge-Maschinerie. Nachdem sie sich dort umgesehen hat, muss sie auflachen. Die Hälfte der aufgetretenen Fehler wären nicht passiert, wenn sie ihre neue Gabe schon eher besessen hätte. "Welche Ironie!"
Natürlich weiß die Fabrikweltlerin, dass ihr Gespür für das Immaterium bloß eine Sinnesempfindung ist und kein präzises Messinstrument, und doch ist es weit mehr, als den meisten Menschen vergönnt ist. Sie denkt noch einmal an den Traum zurück, wie sie mühelos durch die Weiten des Alls geglitten ist, stets wissend, was vor ihr liegt. "Könnte ich nicht bald Oracia ablösen?," kommt der Rotberobten ein Gedanke. Aber natürlich fehlt ihr das Wissen, das die Navigatorhexe besitzt.
Varna bleibt noch eine Weile in der Reanimatorhalle und sieht der Vorrichtung bei der Arbeit zu. Leichnam um Leichnam verlässt die Halle, um sich unermüdlich seinen Pflichten zu widmen. Und die Heretek fühlt sich guter Dinge - stolz auf das Erreichte und zuversichtlich für das, was kommen mag. Ja, ihre Verbündeten sind nicht immer einfach, aber sie haben gemeinsam dennoch das gesetzte, ziemlich ambitionierte Ziel erreicht. Und das ist erst der Anfang, die W.I.E.Ge-Maschine ist erst der Prototyp, der erste der vielen Lebensbringer, die noch folgen werden.
"Und diese Narren auf Terra haben einen einzigen Leichnam an eine goldene Maschine gebunden...und versagt. Aber vielleicht werde ich eines Tages mehr Erfolg haben," erlaubt sich die Techpriesterin einen überaus blasphemischen Gedanken, ehe sie aufbricht, um ihre Mitketzer zu suchen - schließlich gibt es noch eine Sache, die geklärt werden muss. Die Neutaufe des Zerstörers, der nun ganz und gar nicht mehr der Inquisition gehört.