Die Prüfung des Windes - Runde 2
Der Einstieg ihrer Kletterpartie erwies sich noch als relativ einfach. Die Felsspalte in der sich die Gefährten hochhangelten war wie dafür gemacht. Vielleicht hatten andere Abenteurer diese Prüfung Gozrehs ja schon vor ihnen meistern müssen! Ob sie es geschafft hatten? Die Unternehmung der Vier allerdings schritt gut voran und erwies sich als positive Entscheidung: Der Aufstieg gelang schneller als gedacht!
Nach einigen wenigen Stunden bereits - man hatte das angepeilte Felsband erreicht, und dort eine kurze Rast eingelegt - waren die Gefährten in die höheren Gefilde von Gozrehs Scheitel vorgedrungen. Einige Felsüberhänge machten ihnen das Leben schwerer, aber das Überleben nicht unmöglich.
Was allerdings eher unangenehm und vor allem unerwartet war: Ein Wetterumschung. Der Himmel war schnell mit dunkelgrauen Wolken überzogen und aus der trüben Masse ergossen sich erste Regenschauer, die zwar zumeist nur kurz, dafür aber umso heftiger waren! Ebenso frischte der Wind auf und kräftige Böen pfiffen den Abenteurern um die Ohren.
Die wenigen kahlen Gewächse, welche es hier oben noch gab bogen sich unter der Kraft des Windes hinweg und ächzten im aufkeimenden Unwetter - wie würde es weitergehen für die Gefährten?
Auf der Anhöhe, auf der sie nun ankamen gab es eine breite Vielfalt von weiteren Aufstiegsmöglichkeiten - aber auch eine kleine Ansammlung von Felsen und Vorsprünge: Konnten sie hier vielleicht schon eine Feder finden? Würden sie sich so den Aufstieg zum Nest sparen, das vermutlich noch viel weiter oben lag? Oder aber vergeudeten sie nur ihre Zeit und gaben dem Sturm einen Vorsprung!
War Gozreh ihnen wohlgesonnen?
Als das Wetter schlechter wurde, zog Simue ihre Handschuhe an. Das Leder würde ihr nicht nur einen besseren Griff erlauben, die ihnen innewohnende Magie würde ihr auch ganz direkt beim Klettern helfen: Wann immer ein Stein besonders nass und glitschig erschien, nutzte sie Zaubertricks, um das Wasser fortzuwischen oder verdampfen zu lassen, und der ein oder andere stabile Ast, den sie als Hilfe nutzte, neigte sich "wie von Zauberhand" ihr entgegen, während sie kletterte.
"Wir beeilen uns, nach oben zu kommen", bestimmte sie. "Wir versuchen, so weit wie möglich zu kommen, bevor das Wetter uns ein Vorankommen unmöglich macht. Mit etwas Glück schaffen wir es rechtzeitig."
Bevor es weiterging, sah sie noch einmal zu Tiyeri. "Pass auf dich auf, ja? Wenn du dich doch noch mit anbinden willst, kannst du das jederzeit tun."
Krakqualntopp befürchtete, daß die Kletterpartie bei dem Wetter bald in richtige Anstrengung ausarten würde.
Aber er genoß den Wind und den Regen, denn sie riefen Erinnerungen in ihm wach. Immer wieder mußte er die grüne Stimme zurückdrängen, um sich weiter auf den Aufstieg zu konzentrieren, statt sich einfach dem erfrischenden Naturgewalten hinzugeben.
Außerdem nutzte er, soweit es ihm möglich war, seine Verbindung zu den urtümlichen Kräften, um sich das weitere Klettern ein wenig zu vereinfachen. So sah er hier und da Schwierigkeiten voraus und konnte sich einen einfacheren Weg suchen. Wann immer einer der Kameraden in seiner Nähe war, ließ er auch ihnen von dieser Führung durch die Naturmächte zukommen und munterte sie auf.
Trovag Tilor nickte Simue etwas erschöpft zu. Obwohl er sich eigentlich sehr geschickt anstellte beanspruchte die Klettertour den kleinen Herrn doch mehr als erwartet. In einem Moment, in dem keiner zu ihm sah wischte er sich beschämt einige Schweißtropfen von der Stirn und atmete tief durch. Aber auch für ihn war klar, dass es das Nest und Gozrehs Scheitel schnell zu bezwingen galt!
Die Katzendame hingegen lehnte das Angebot von Simue ab, sich mit ans Seil anzubinden. Vertraute sie der Gruppe nicht mehr, oder war sie schlichtweg zu stolz und schaffte es nicht über ihren eigenen Schatten zu springen?
Schnell war dann jedenfalls die Entscheidung gefallen, dass man weiter hinaufsteigen wollte: Ehe ein Sturm über sie hereinbrach...