Simue zögerte tatsächlich. Es schien ihr schwer zu fallen, über die Geschehnisse zu sprechen. Und so begann sie zunächst an einem Punkt der Geschichte, der nicht ganz so dramatisch war - zumindest in Relation zu dem, was später geschah.
"Ich war auf einem Schiff unterwegs... von... von Zuhause geflüchtet, glaube ich. Es gab ein Unglück. Jedenfalls dachten wir das zunächst. Wir erlitten Schiffbruch, die meisten an Bord starben. Die wenigen Überlebenden schafften es auf eine Insel. Wie ich später erfuhr, nannte man sie die Schmugglerinsel. Wir hatten es dort mit verschiedenen Gefahren zu tun... aber das Schlimmste waren die Inselbewohner. Sie hatten den Verstand verloren und waren zu Kannibalen geworden."
Sie atmete tief ein und wieder aus. Ja, das war wirklich weniger dramatisch... Simue schüttelte den Kopf. Es gab keinen Weg, die unangenehmen Teile der Geschichte zu umgehen, weil eigentlich die ganze Geschichte schrecklich gewesen war. "Nicht alle von uns überlebten. Aber das ist nicht alles. Wir fanden heraus, dass eine Frau für den Schiffsuntergang verantwortlich gewesen war. Yarzoth. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass diese Frau in Wahrheit etwas anderes war, sie gehörte zum Schlangenvolk und beherrschte dunkle Magie. Und sie betete Zura an, die Dämonenfürstin der Vampire und Kannibalen. Ihre Macht hatte die Inselbewohner wohl auch zu dem gemacht, was sie geworden waren."
Ihr Blick wanderte von Trovag zu Krakqualntopp, dann zu Nkechi. Sie sprach leise, konzentriert, doch das leichte Zittern ihrer Hände offenbarte, dass sie innerlich nicht so gefasst war, wie ihre Worte es vermuten ließen.
"Aber es gelang uns, Zuras Macht auf der Insel zu brechen. Leider ist das erste die eine Hälfte der Geschichte... denn es ging nicht nur um Zura. Yarzoth, die Schlangenfrau, hatte ein ganz bestimmtes Ziel auf der Schmugglerinsel gehabt. Mit der Hilfe von Zuras Macht wollte sie etwas wiedererwecken, etwas uraltes... sein Name ist Ydersius. Der Halbgott gilt als Urvater der Schlangenvolks, ein wahnsinniger Gott der Wut und Zerstörung, aber auch listenreich. Er wurde enthauptet, doch seine Macht ist nicht völlig verloschen."
"Wir wurden irgendwann von der Schmugglerinsel gerettet, aber die Wege meiner Gefährten zerstreuten sich. Scheinbar war ich die einzige unter uns, die sich nicht sicher war, dass die Gefahr vorüber war. Also entschloss ich mich, den Hinweisen weiter nachzugehen. Ich wäre am liebsten davon gelaufen, aber..." Sie sah zu Nkechi. "Offensichtlich hatte ich Recht. Es ist noch nicht vorbei. Das Schlangenvolk versucht, Ydersius zurückzubringen und damit die uns bekannte Welt ins Chaos zu stürzen. Sie wollen ihr altes Imperium wieder errichten."
Sie griff nach ihrem Rucksack, kramte kurz darin, und holte dann die Aufzeichnungen Yarzoths hervor. "Dies sind die Notizen von Yarzoth, der Schlangenfrau. Die Schlange aus unserer Vision sah ihr übrigens ähnlich, deshalb wusste ich, dass die Schlange nur eine Manifestation sein konnte, denn Yarzoth ist eindeutig tot. Ich arbeite noch an der Übersetzung, aber die Aufzeichnungen zeigen den Weg nach Saventh-Yhi, und genau dahin sind wir unterwegs. Und wir müssen dort mit wirklich gefährlichen Gegnern rechnen."
"Halas Martain, einer meiner damaligen Gefährten, war ein Orakel und Gelehrter, und wusste vieles über das Schlangenvolk zu berichten. Offenbar gibt es etwas, das sich die höchste Kaste nennt. Der Legende nach fließt in ihren Adern das Blut von Sterblichen und Unsterblichen gleichermaßen. Genial, übernatürlich schnell, mit einer Haut wie Stahl und mächtigen angeborenen magischen Fähigkeiten. Angeblich schlafen sie tief in ihren Kammern unter der Erde. Oder haben es zumindest bislang. Ich weiß es natürlich nicht genau, aber es könnte sein, dass diese Wesen uns in Saventh-Yhi erwarten."
Sie hatte Tränen in den Augen, als sie wieder aufblickte, und sie war bleich geworden. Bittend, fast flehentlich, sah sie zu Krakqualntopp und Trovag. "Werdet ihr mich noch immer begleiten?"