Aspekt: C’est la vieZitat: "Einer der Vorzüge der guten Stadt Paris besteht darin, dass man hier geboren werden, leben und sterben kann, ohne dass sich jemand auch nur im mindesten darum kümmert." (
Honoré de Balzac, "Le Père Goriot")
Beschreibung: Bereits geboren in Paris, ist Sébastien sich sicher, auch hier zu sterben. Er kennt nichts anderes, dies ist seine Welt, auch wenn er selbst dieser Welt egal ist. Er lernte früh, dass Träume und Wünsche von der harten Realität verzehrt werden und dass es kaum eine andere Möglichkeit gibt als von einem Tag zum nächsten zu leben. Großes hat ein Proletarier nicht zu erwarten, Großes wird er nicht vollbringen. Wie dieser Name schon sagt, hat er nichts anderes zu bieten als seine Arbeitskraft und seine Nachkommenschaft. Er ist kaum mehr als ein Sklave, er ist einer von vielen, er ist dem System von Geburt an unterworfen, eine Ameise in dem riesigen Nest, das für die einen die Stadt der Liebe, für die anderen Ballungsort der Kunst und Kultur und für wieder andere ein lebensfeindlicher Ort ist. Hier in Paris ist das Glück mit den Tapferen und jenen, die sich selbst zu helfen wissen. Hier in Paris überlebt die Seele eines Arbeiters die Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten, die Sorgen und den täglichen Kampf um Brot, so frustrierend dieser auch sein mag, mithilfe von Glauben, Hoffnung, Liebe und Freundschaft. Sébastien hat viel gesehen, selbst viel durchlebt - schlimme Dinge, aber auch solche, die ihm Grund zur Zuversicht gaben. Ist es nicht gerade das, was einen menschlich macht? Alles, was einen nicht tötet, macht einen stärker. Bisweilen macht es einen sogar zu einem besseren Menschen. Sébastien weiß, wie es ist, am Abgrund zu stehen, weiß aber auch, dass es nicht wenigen schlechter geht als ihm. Er ist kein Heiliger, er ist ein einfacher Mann, der das Leben so nehmen muss wie es kommt, doch für Mitleid ist immer Platz in seinem Herzen und Brüderlichkeit ist für ihn der Schlüssel zu einem besseren Leben.
Aspekt: Das Herz auf der Zunge, mit dem Kopf durch die WandZitat: "Man findet Mittel, den Wahnsinn zu heilen, aber keine, um einen Querkopf einzurenken." (
François VI, Duc de La Rochefoucauld)
Beschreibung: Sébastien ist nicht schüchtern, sondern sagt meist offen, was er denkt. Selbstbewusst und bisweilen auch trotzig steht er für seine Meinung ein - was ihm einerseits hilfreich sein, aber auch anderseits sehr im Weg stehen kann. Wenn Sébastien entschlossen ist, seinen aktuellen Willen durchzusetzen oder seine allgemeine Auffassung zu vertreten, kommt ihm Einsicht zu zeigen so gut wie nie in den Sinn. Für wortreiche Debatten ist er zu haben - im Ernstfall auch für buchstäblich schlagfertige Argumente, sollte ein Streit eskalieren. Unter Umständen macht ihn diese Einstellung zu einem schlechten Gefolgsmann, sollte er Anweisungen erhalten, die seinen Ansichten zuwiderlaufen. Sébastien tut, was Sébastien für richtig hält. Die einen sagen, er sei ein Mann, der keine Kompromisse eingehen wolle - die anderen nennen ihn einfach einen sturen Esel.
Aspekt: Meine Faust, mein FreundZitat: "Ich fühle eine Armee in meiner Faust [...]!" (
Friedrich Schiller, Die Räuber II, 3 / Moor)
Beschreibung: Sébastien scheint ein Talent dafür zu haben, genau dort aufzutauchen, wo es Ärger gibt. Oft ist er nicht der Auslöser, obwohl das selbstverständlich auch vorkommen kann und schon vorgekommen ist. In den meisten Fällen hat er jedoch einfach das Pech, zur richtigen Zeit am falschen Ort zu sein. Sébastiens Grundstimmung ist selten aggressiv, doch Diskussionen können ausufern und besonders Beleidigungen machen ihn wütend - und wenn jemand ihm gegenüber handgreiflich wird, zögert er nicht, dies mit gleicher Münze heimzuzahlen. In manchen Kreisen gilt Sébastien als Raufbold, obwohl er, selbst im trunkenen Zustand, sehr selten aktiv nach Streit sucht. Wenn ihn jemand fragen würde, würde er, unter anderem auch, weil er sich dies selbst nicht eingestehen will, antworten, dass es ihm nicht gefällt, sich zu prügeln. Jedoch weiß jeder, der ihn kämpfen sieht, dass es ihm sogar Spaß macht. Dabei täuscht man sich jedoch, wenn man dies auf Grausamkeit zurückführt, vielmehr spornt Sébastien die Hitze eines Gefechts an, weiterzumachen. Wenn das Adrenalin durch seine Adern schießt, fühlt er sich wahrlich lebendig, und kaum etwas beflügelt Sébastien mehr. Feige ist er, auch angesichts einer Überzahl von Gegnern, nicht. Nicht ohne Stolz weiß Sébastien, dass pure Entschlossenheit, Flinkheit, seine Fäuste und, nicht zuletzt, auch Übung auf seiner Seite sind. Ein Sieg zum Schluss ist da nur die Krönung - und zusätzlich Balsam für sein Ego.
Aspekt: Doch doch, ich liebe meine Frau, aber... Zitat: "Ich bin durch meine Laster Sklave und frei durch meine Gewissensbisse." (
Jean-Jacques Rousseau, "Émile oder über die Erziehung")
Beschreibung: Niemand könnte sagen, dass Sébastien nicht für seine Frau Joséphine und seine Kinder Jules und Viviane da sei. Seine Lieben gehören zu ihm und er zu ihnen - und er würde alles geben, um sie zu schützen. Er wäre wohl ein Gatte und Vater wie ihn sich jede Familie wünschen würde, wäre da nicht der Teil von ihm, der nur schwer Vergnügen und Verlockungen (jeglicher Art) widerstehen kann. Obwohl Sébastien nicht viel Geld hat, feiert er gern. Anlass findet sich immer, sei es aus Freude oder um seine Sorgen zu vergessen. Er neigt dazu, über seinen Durst zu trinken, sollte sich die Gelegenheit bieten, und auch hin und wieder seinen hart verdienten Lohn für Glücksspiele zu vergeuden - aber auch fleischlichen Genüssen außerhalb des Ehebetts ist er nicht abgeneigt, wenn er bereits ziemlich angeheitert ist und ihm ein leichtes Mädchen frivol zuzwinkert. Nicht nur einmal wankte Sébastien in den frühen Morgenstunden mit leeren Taschen heim. Doch, neben einem dröhnenden Schädel, verfolgt ihn nach seinen Eskapaden auch stets sein schlechtes Gewissen. Er weiß, dass Joséphine besseres verdient. Sie ist schön und klug und wundervoll zu ihm - auch wenn er natürlich Schelte von ihr erhält, wenn der Sirenengesang seiner Laster ihn erneut in den Bann hat ziehen können. Sébastien hat ihr nie gestanden, was genau ihn des Nachts herumtreibt, denn er will sie, trotzdem er seine Schwächen hat und diese nur schwerlich bekämpfen kann, nicht verletzen.
Aspekt: Ungleich ist UnrechtZitat: "Die Proletarier haben nichts zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben dafür eine Welt zu gewinnen." (
Karl Marx)
Beschreibung: Als
Proletarier weiß Sébastien, wie frustrierend es sein kann, das Leben am fast untersten Ende der Gesellschaft führen zu müssen. Für das wenige Einkommen, das er hat, muss er hart arbeiten, und trotzdem ist das Geld immer knapp und reicht kaum aus, um über die Runden zu kommen. Er sieht die Not um sich herum, spürt sie an schlechten Tagen am eigenen Leib, und bemerkt andererseits nicht ohne Neid, wie gut es den Mitgliedern der besitzenden Klasse geht. Während das Proletariat schuftet und arbeitet, um sich sein Brot zu verdienen, ermöglicht es damit der
Bourgeoisie ein Leben frei von Sorgen und Existenznöten – nicht anders als die Herrschaft des Adels vor der
Revolution lässt sich dies wohl, offen ausgedrückt, als Ausbeuterei und damit auch Tyrannei bezeichnen.
[1] Nicht verwunderlich ist also, dass Sébastien die Idee der
Diktatur des Proletariats etwas abgewinnen kann. Dass die Arbeiterklasse als Mehrheit der Bevölkerung erhört wird, scheint ihm nur gerecht, und eine klassenlose Gesellschaft mit gleichen Bedingungen für alle ist für ihn ein erstrebenswertes Ziel. Dass dieses Ziel nicht ohne Weiteres zu erreichen sein wird, ist er, sich ein Beispiel an den Revolutionären nehmend, willens und bereit dazu, einen radikalen Weg einzuschlagen, um das, was seiner Ansicht nach Recht ist, durchzusetzen. In diesem Fall schreckt er vor dem Einsatz von Gewalt nicht zurück, denn ein effektiveres und überzeugenderes Argument, das die besitzende Klasse dazu bewegen werden würde, von ihrem Reichtum abzurücken, gibt es seiner Auffassung nach nicht. Letztendlich dienen Fäuste und Waffen in diesem Fall, auch wenn es ohne den entsprechenden Kontext nicht so scheint, den folgenden drei Werten:
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.