Rhamedes war dieser Gruppe gefolgt, verduzt und nichtssagend gefolgt, einfach aus Reflex oder Verwirrung, wohl sicher auch aus Überlebensinstinkt. Ja, wäre er alleine gewesen, der Todlose hätte ihn ebenso überrascht, überfallen und bei lebendigen Leib verschlungen, wie sie es hier überall taten. Warum taten sie dies? Und warum waren es so schnell so viele?
"Rhamedes, du hast doch wahrscheinlich keine drei oder vier Stunden geruht." Einfache Magie war zu dieser Gräueltat doch nicht fähig, oder doch? Im Vorbeilaufen schaute Rhamedes auf den Kältebrandfleck auf der Haut des nun hoffentlich ruhenden Soldaten.
"Ja, du hast selbst Magie gewirkt. Du kannst zaubern. Seit wann kannst du zaubern, alter Mann?"Unwillkürlich fiel Rhamedes Blick auf den mit der Axt malträtierten Kopf des Soldaten. Mühsam schluckte der alte Mann seine Magensäure wieder runter und wandte den Blick ab, den anderen schnell nach draußen folgend.
Doch bevor sie, auf der Straße angekommen, weiter konnten, hielt er den Soldaten, der höchstwahrscheinlich gerade seinen untoten Waffenbruder erschlagen hatte, an, in dem er ihm am Wappenrock zupfte. Vorsichtig erhaschte er einen Blick in das Antlitz des jungen Mannes.
"So ein junges Gesicht und so ein verhärmtes Verhalten...", urteilte der alte Mann in Gedanken über die...situationsbedingte Gleichgültigkeit, die der junge Soldat zumindest an den Tag zu legen versuchte. Rhamedes war sich nicht sicher, ob er für die anderen Menschen um ihn nur stark wirken wollte, oder stark war. Zweifelsohne war sein Waffenarm stark. Rhamedes wollte überleben. Diese Stärke würde Rhamedes vorerst reichen müssen, wenn er das hier überleben wollte.
"Habt Dank für die Rettung. Ich weiß es zu schätzen.", flüsterte Rhamedes etwas lispelnd aufgrund vieler ob des Alters und seiner Armut fehlender Zähne, gerade so laut, dass alle ihn Umgebenden ihn hören konnten. "Ich seh nicht mehr danach aus", versuchte sich der alte Mann an einem Scherz, "aber ich bin ein Arzt. Wenn wir einen sicheren Ort haben, will ich nach euren Wunden sehen. Dass ist wohl alles, wie ich im Moment helfen kann."
"Abgesehen davon, dass du auf einmal Magie wirkst, alter Narr..." , donnerte wieder diese fremde Stimme in seinem Kopf.
"Bist du meine Stimme?" Stille.
Rhamedes blickte sich um, und obwohl zu erkennen war, dass er sich zusammenzureißen versuchte, zitterte der alte Mann. Die Angst war ihm beinahe unerträglich, aber er versuchte die Anwesenden zu mustern
[1] und freundlich, zuversichtlich zuzulächeln, vor allem dem Mädchen, dass sich bleich zeigte. Sie versuchte auch tapfer zu sein. Dann wollte Rhamedes es auch tun, obwohl er wusste, dass er keinen Grund gab, tapfer zu sein. Eigentlich hätten sie lieber schreiend um ihr Leben laufen sollen. Aber jetzt hatten sie Rhamedes gerettet, und so fühlte er sich verpflichtet, auch tapfer sein zu wollen. Dennoch blickte er sich um
[2], wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und versuchte trotz des Feuers sowas wie frische Luft aufzunehmen. Er versuchte zu erkennen, ob er ein nicht brennendes, steinernes Gebäude ausmachen konnte oder zumindest etwas, was sehr in Wassernähe liegen mochte. "Wir müssen einen sicheren Ort finden. Aber...die Todlosen sind überall. Überall. Seht ihr da drüben. Die haben sie direkt unter meinem Fenster angefressen. Vor meiner Zimmertür haben sie auch eine angefressen. Im Nebenzimmer. Überall. Wir müssen einen sicheren, steinernen Ort finden. Wir schaffen es bei der Feuersbrunst sonst nicht schnell genug aus der Stadt!"
Rhamedes vergaß schlichtweg seinen Namen zu nennen. Er vergaß für einen Moment auch die ungewöhnliche Stimme, oder dass sein geweihtes Thwab nun vom Blute eines unschuldigen Kindes besudelt war. Er hatte einfach Angst und wollte an einen sicheren Ort.