Es ist das Unausweichliche passiert. Es ist das passiert, was nie hat passieren dürfen. Yaotl hat sich sinnlos geopfert. Er hat sich zwecklos den Feinden zum Fraße vorgeworfen, ohne dass es einen Effekt außer Verletzung und Zerstörung nach sich gezogen hat. Tlacatl reißt sich von Xiuhcoatl los, der ihn gerade berührt hat.
Hat es je ein deutlicheres Zeichen gegeben, dass dies keine jener Geschichte ist, von denen die Ahnen erzählen? Dass Fremde kommen und man sich ihnen mutig entgegenstellt, um zu verteidigen, was man liebt, nämlich seinen Stamm, ist die gängigste Geschichte unter den Kriegern. Diese Fremde können jedwede Form annehmen und sie ist diesmal in der Form weißer Teufel gekommen. Doch es ist nicht diesselbe Geschichte. Nicht einmal dieselbe Art von Geschichte. Sie unterschedeit sich darin, dass keiner von ihnen, zumindest Tlacatl, ihre Heimat wirklich geliebt hat. Tlacatls und Yaotlchones Fixpunkt ist ihre Heimat wegen Yaotl gewesen, alleine der Dämon des Krieges und des Blutes selbst hat sie an ihre Heimat gebunden. Hat Yaotlchone wirklich seinen Stamm geliebt oder nur seine Familie? Hat er als Tochtli Yaotl geliebt oder Tlacatl?
Der Instinkt nimmt Überhand in Tlacatl, als er sieht, dass Mirrasshi zu den sterbenden Überresten Yaotlchones stürmt. Diese Geschichte ist eine andere, weil Tlacatl Lopango nicht mehr liebt. Gerne will er sagen, dass ihm der Untergang Lopangos trifft, aus einer alten Gewohnheit heraus, und doch, er spürt keine Trauer um jenen Ort, der einst seine Heimat gewesen ist, doch nur sein Leben gewollt hat. Er spürt jedoch, wie ihn die Trauer für Tochtli übermannt. Nicht für Yaotl, der immer an das Licht getreten ist, wenn Yaotlchone in Rage geraten ist oder Gefahr drohte, so wie in jenem Moment, der ihn just das Leben gekostet hat. Aber er erinnert sich des sanften Tochtlis, der immer wieder aufgetaucht ist. Und es betrübt Tlacatl, dass er ihm nicht gezeigt hat, dass er gewusst hat, wer es war. Dass er es von Anfang an gewusst hat. Dass der kupferhäutige Hüne versucht hat den Mantel des Schweigens über ihre Bekanntschaft zu legen, ist ein Unrecht gewesen, welches Tlacatl nicht mehr gutmachen kann. Hat dies Yaotl bestärkt?
"Mirrasshi. Bitte übersetze, damit sie mich nicht niederstrecken.", sagt er schließlich zur Hin. Tlacatl stellt sich vor sie, um sie zu schützen. Er kümmert sich nicht um die Aufständigen, er kümmert sich nicht um die Gefahr beschossen zu werden. Tlacatl lässt die Arme hängen, weit weg von seiner Bewaffnung. Er will keine Gefahr sein, aber er ist Tochtli etwas schuldig. Er blickt in die gebrochenen Augen seines Freundes. Ja, als Freund muss er ihn bezeichnen. Tochtli hat Tlacatl alleine nach Lopango führen wollen, um alles wieder werden zu lassen, wie es wahr. Er hat keinen Kampf gewollt, aber Yaotl hat Tochtli besiegt. Seine Augen verraten es. Er hat nur wieder Tochtli sein wollen. Tlacatl ist in seinem Verständnis Yaotl gewesen. Und er wollte dem gebrochenen, kupferhäutigen Hünen nur wieder Mut machen. Das alleine ist sein Ziel gewesen.
Tlacatl spürt wie Yaotl an ihm reißt. Tlacatl spürt, wie der blinde Zorn in ihm aufsteigt, als er sich niederkniet und die Nistplätze der Eier in der Brust Tochtlis sieht. Er nimmt Tochtli aus Mirrasshis Umarmung und will ihn sich über die Schulter legen. Es ist das einzige, was er ihm schenken kann: Yaotl muss sterben, damit nicht noch mehr Männer sterben. Es ist nicht mehr Lopango, welches Tlacatl liebt. Aber es sind seine Gefährten. Aber so ist er es Tochtli schuldig, ihn nicht zwischen Feinden vergangen zurückzulassen und so spricht Tlacatl die Worte, die Mirrasshi übersetzen soll. "Er ist tot. Nun ist er wieder ein Junge. Lasst ihn Junge sein und ihm seine Ruhe." Tlacatls Stimme bebt am Anfang etwas, und ihm stehen Tränen in den Augen. Doch langsam fasst er sich. Er wirft sich den blutenden Tochtli über die Schulter und stellt sich wieder aufrecht. Mit der rechten Hand nestelt er am Gürtel, sodass sein Kupferbeil hinabfällt. "Hier ist mein Beil, begrabt es für mich. Ich kämpfe nicht mehr." Tlacatl blickte jenem, den er als wichtigsten Vertreter empfand, in die Augen. Mit diesem Beil würde Yaotl endgültig begraben werden. Dann schließt Tlacatl die Augen, dreht sich um und geht zurück zu seinen Gefährten. Mit der freien Hand versucht er Mirrasshi vor sich herzuführen. Innerlich erwartet er, dass sie trotzdem auf ihn schießen. Was macht es jetzt noch? Es ist für ihn keine jener Geschichten mehr, in dem Mann seinen Stamm verteidigt. Nur noch jene, die man liebt. Und seine Reisegefährten sind seine neuen Freunde. Und ihnen ist er noch schuldig, dass er sich vor sie stellt und nicht zurücklässt. Tlacatl weint, das erste Mal seit er Lopango verlassen hat, auf den vielleicht letzten Metern seines Weges.