Nach der beweglichen Stufe konnte Omrah keine weitere Falle entdecken. Tatsächlich wäre ihm wohl auch die magische Falle, auf die Esulilde hingewiesen hatte, verborgen geblieben. Trotz des Wissens um ihre Existenz konnte er sie beim besten Willen nicht sehen, und so tat er das Einzige, was ihm einfiel: Er mied die Stufe und schritt über sie hinweg.
Katarina hörte Esulilde zu, und zog dabei eine Augenbraue hoch.
"Die Vergangenheit hat mich noch nie besonders interessiert", erklärte sie,
"abgesehen von den Schätzen, die sie für die Gegenwart und Zukunft bereit hält. Ich meinte auch etwas anderes. Ich hatte ja erklärt, dass ich in der Bibliothek Hinweise auf den Tempel zu finden hoffe, in dem das Artefakt verborgen sein soll. Aber... seht euch die Stufen an. Sie passen nicht zum Rest des Gebäudes. Sie sind alt. Und dort unten ist mächtige Magie am Werk. Meine Vermutung? Die Jonaas-Anhänger haben nicht nur Hinweise auf den Tempel gefunden... sie haben dem Tempel selbst gefunden. Und ihr Gebäude einfach oben drauf errichtet, damit keiner etwas davon mitbekommt, während sie in Ruhe ihre Nachforschungen anstellen können."Sie lächelte.
"Es ist nur eine Vermutung, und ich mag falsch liegen. Aber wenn ich richtig liege, dann sind wir direkt am Ziel unserer kleinen Reise, und können im Anschluss sofort zurück ins Sanatorium."Während Katarina sprach, erreichte Omrah einen Bereich der Treppe, der ihm endlich einen genaueren Einblick in die unteren Räumlichkeiten ermöglichte. Am Fuß der Treppe konnte der frühere Straßenjunge einen staubbedeckten Marmorboden erkennen. Der Raum war groß, und setzte sich auch nach hinten fort - die Wendeltreppe war vermutlich etwa in der Mitte des Raums angebracht. Die Quelle des grünen Lichts und des Knisterns lag hinter ihm, so dass er sie noch nicht sehen konnte.
Was vor ihm zu sehen war, reichte allerdings bereits: Die Leiche eines Mannes in einfacher Straßenkleidung, das noch frische Blut auf dem Boden verteilt. Dahinter in einer Ecke des Raums eine gut zweieinhalb Meter große Statue, die eine geflügelte Kreatur zeigte, die direkt aus der Hölle zu kommen schien: Das Gesicht ähnlich dem eines Wolfes, die Klauen lang und messerscharf, der Körper muskulöser, als es irgendein Mensch je werden könnte. Die steinerne Kreatur stand auf zwei Hufen, und schien Omrah direkt anzustarren.
Rechts davon war eine metallische Konstruktion an der Wand angebracht: Sie ähnelte einem Kanonenrohr, das Metall bog sich jedoch nach außen, und aus dem Rohr kam eine beständige Flamme, die gut dreißig Zentimeter nach vorne ragte. Den Geräuschen und der hohen Temperatur in diesem Kellerraum nach zu urteilen, waren noch weitere solcher "Flammenwerfer" an den Wänden angebracht.
Noch weiter rechts stand ein Tisch, ausgestattet mit einem einst edlen, heute aber staubbedeckten Tuch, und je einer Öllampe zu jeder Seite des Tuchs. Auch die Lampen brannten.
Schräg hinter dem Tisch konnte Omrah zudem einen hölzernen Stecken erkennen, der scheinbar achtlos dort abgelegt worden war.
Das knisternde Geräusch schien aus der hinteren rechten Ecke des Raums zu kommen, und ein von dort kommendes unruhig flackerndes Licht hüllte den gesamten Raum in ein geisterhaftes grünes Leuchten.
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