Das Schwert entgleitet Midoris Händen. Einige Sekunden lang starrt sie den Mann nur mit offenem Mund an. Sie hatte jemanden getötet. Würde sie damit leben können? Was sollte sie nun tun?
Plötzlich durchzuckt es sie wie ein Blitz: Sie muss irgendwie dafür Sorgen, dass Yao nicht auch noch seinen Wunden erliegt. Er hatte seine Zähigkeit schon mehrfach unter Beweis gestellt, doch in diesem Moment liegt er zu ihren Füßen und verblutet. Seine Wunden hätten jeden geringeren mit Leichtigkeit getötet und auch er schwebt nun in höchster Gefahr.
Hilflos schaut sie umher. Sie hat weder Verbands Material noch weiß sie wirklich, wie man Wunden richtig behandelt, aber sie muss es versuchen. Kurzerhand zerreißt sie ihren Yukata, um ein großes Stück des teuren, vormals schönen Stoffes als einen Verband zu nutzen. Dann fasst sie mit einer Hand um den Schaft des Pfeiles, um ihn vorsichtig und ohne weitere Verletzungen zu verursachen aus Yaos Hals zu ziehen. Nur mühsam unterdrückt sie den Würgereflex als sie sieht, hört und spürt, wie sich die Spitze Stück für Stück aus dem Fleisch zieht. Schnell presst sie den Stoff auf die Wunde und hält ihn dort fest. Es fällt ihr nicht leicht, eine Möglichkeit zu finden, den Verband so an zu legen, dass er zwar auf die Wunde drückt, den Samurai dabei aber nicht erwürgt. Schließlich jedoch gelingt es ihr, ihn an seiner Schulter zu verknoten und damit die Blutung zu stoppen.
"Ich kann ihn nicht hier im Schnee liegen lassen. Er wird erfrieren.", wird ihr klar und so macht sie sich daran, ihn an zu heben, um ihn zur Sänfte zu tragen. Doch der starke Samurai ist viel zu schwer für ihre begrenzte Körperkraft und so gibt sie ihr Vorhaben schnell wieder auf. Unter unendlich erscheinenden Mühen und nach ewig erscheinender Zeit gelingt es ihr aber, ihn durch den Schnee zur Sänfte zu ziehen, wobei sie jedoch ihre Geta verliert. Indem sie ihre Beine gegen seinen Körper stemmt, schafft sie es sogar, Yao hinein ins Trockene zu schieben. Behutsam befreit sie seinen Körper vom Schnee und schließt die Sänfte dann, um den schwer verletzten Samurai wenigstens vor dem bitter kalten Wind zu schützen.
Mit der Erleichterung, Yao versorgt zu haben trifft sie nun aber der Schock des zuvor Erlebten mit voller Härte. Sie schafft es noch gerade zwei Schritte zu laufen, bevor sie im Schnee zusammen bricht und sich übergibt. Danach erst beginnt sie wieder die Kälte des Schnees an ihren Füßen zu spüren und den Wind, der durch ihren zerrissenen Yukata streicht. Resigniert sucht sie nach ihren Geta, die sie zwar nicht wärmen, aber wenigstens ihre Füße vom Schnee fern halten würden.
Endlich steht sie frierend und zitternd vor dem Sänfte, ihre Arme um ihren Körper geschlungen und auf der Stelle tretend in dem vergeblichen Versuch sich warm zu halten. Aber der kalte Wind fühlt sich wie Klingen auf ihrer Haut an. "Vielleicht sollte ich auch hinein gehen?", fragt sie sich schließlich, "Immerhin würden wir uns gegenseitig ein bisschen wärmen. Das wäre doch das Beste, oder? Es wäre ja nicht nur zu meinem Wohl, oder? Es wäre doch auch für ihn das Beste, oder?" So versucht sie sich selbst von der Richtigkeit ihres Vorhabens zu überzeugen.
Langsam und unsicher schiebt sie die Tür wieder auf und späht hinein. "Bitte verzeiht die Störung.", kommt es ihr wie ein Reflex über die Lippen. Yao aber hat sich immer noch nicht gerührt. So streift sie ihre Geta ab und schließt die Tür wieder hinter sich. Sanft schmiegt sie ihren Körper an den des Samurai. "Wenn er wieder auf wacht, wird er mir sagen können, was ich zu tun habe. Und wenn nicht... dann verdiene auch ich es nicht, wieder auf zu wachen..."