Archiv > Pathfinder Chronicles - Krone des Koboldkönigs / Jahrmarkt der Tränen

Kapitel 1 - Auf der Spur der vermissten Kinder

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Thorgrimm:
Shira

Die Kälte war ganz plötzlich gekommen, gefolgt von einem Schneesturm. Shira traf das Wetter völlig unvorbereitet, als sie gerade auf dem Weg war, Andoran zu durchqueren. Bis jetzt hatte sie hier kaum Probleme gehabt aber dieser plötzliche Wetterumschung traf sie hart. Der eiskalte Wind schnitt ihr ins Gesicht, der Schnee setzte sich an ihrer Kleidung ab und machte sie kalt und schwer. Hatte sie vorhin noch Gebäude und Zelte gesehen, war es jetzt nur noch eine weiße Wand. Trotzdem ging die Hexe störrisch vorwärts und näherte sich dem verschlafenen Ort mit jedem Schritt.

Lichter und eine hölzerne Palisade waren zu sehen. Im nächsten Augenblick erkannte sie auch hölzerne Gebäude, die dem Sturm trotzig standzuhalten schienen. Die Rettung nahte in Form einer Tür, die plötzlich vor der jungen Frau auftauchte. Wie aus dem Nichts war sie zusammen mit einer Hauswand erschienen. Da sie frierte und nicht nochmal durch den Schneesturm gehen wollte, sah sie keine andere Möglichkeit als hier Schutz zu suchen. Sie klopfte – oder eher hämmerte – gegen die Tür, bis ihr aufgemacht wurde. Ein Mann sah sie etwas überrascht an, schloss dann aber die Tür um den Schnee draußen zu lassen.

"Ich erwarte zwar keinen Besuch aber bei dem Wetter, kann ich Euch nicht wieder in die Kälte schicken. Kommt rein und setzt Euch vor den Kamin, Ihr müsst frieren." Mit einem Fingerschnippen entzündete der Mann ein paar Holzscheite in einem Kamin und deutete auf einen gepoltsterten Stuhl. "Mein Name ist Sharvaros Vade. Wer seid Ihr?" fragte er freundlich und einem ehrlichen Lächeln im Gesicht.

Er war in ein gemütliches, wollenes rote Gewand gekleidet. In seinen braunen Augen ruhte eine Intelligenz, die seinesgleichen suchte und sie schienen die junge Frau augenblicklich zu durchschauen.
Der Raum in dem sich Shira befand, war großzügig eingerichtet. Die Decke lag mehrere Meter in der Höhe, denn es gab hier einen zweiten Stock, der durch eine gewundene Treppe erreichbar war. Von dem Raum, in dem sie sich befand, gingen drei weitere ab, die tiefer in das Haus führen mussten. Verschiedene Pflanzen und Blumen standenherum und am Ende des Raumes stand ein Kamin, vor dem zwei Stühle und ein kleiner Tisch standen. Einige Bücherregale und Bilder verschiedener Personen füllten die Wände.

Gerion der Wanderer:
"Hallo Boath. Ein Bier bitte und etwas warmen Braten, um die Kälte zu vertrieben. Für dich ist das Wetter gut, da ist der Laden immer voll."
Es war zwar erst Nachmittag, aber nachdem er den ganzen Tag in der Kälte draußen unterwegs war, würde das Feuer der Ente alleine nicht reichen, um ihn rasch aufzuwärmen.

Dann schaute er sich um. Im Moment war wenig los in Falkengrund. Das war zu dieser Jahreszeit oft so, aber er hatte gehofft, dass das Wetter und der bald beginnende Jahrmarkt mehr Volk in das Dorf treiben würde. Ihm graute davor, bei diesem Wetter auf den Hof zurückzukehren, denn Nässe und Kälte waren in dem alten Haus tief ins Gemäuer eingedrungen und es würde Tage dauern, bis das Feuer beides vertrieben hatte. Daher hatte er sich entschlossen, noch etwas zu bleiben.
Viele bekannte Gesichter waren in der Taverne versammelt. Doch dann entdeckte er ein neues Gesicht an der Theke.  Neugierig wie er war wartete er, bis der Wirt wieder an seinen Platz kam und raunte ihm zu: „Sag mal Boath, wer ist denn der neue Gast  da am Tresen?“.

Shira:
Als ihr der Mann einen Platz anbot, nahm Shira dies dankend an. Diese Kälte hatte ihr deutlich zugesetzt und ihre durchgefrohrenen Knochen dürstete nach einem heißen Tee. Sie rieb sich die steifgefrohrenen Finger und schlug ihre Kaputze zurück. Vorsorglich hatte sie bereits an der Tür den Schnee von ihrem Umhang abgeschüttelt, damit sie die gute Stube des Hausherren nicht gleich beschmutzen würde.

Voller Bewunderung glitten ihre Augen über das nobel ausgestattete Inventar. Nicht, dass sie noch nie solch einen Reichtum gesehen hätte - sie war einmal in den Genuss gekommen Michandor zu Hause bei seinen Eltern aufzusuchen, um ihm eine wichtige Nachricht zu überbringen - aber das hier war anders. Die vielen Bücher zeigten sofort, dass hier ein gebildeter Mann wohnte.

Als Shavaros sie nach ihrem Namen fragte, zuckte sie kurz zusammen und blickte wieder zu ihm. "Entschuldigt, ich war in der letzten Zeit viel unterwegs und es ist schon eine Weile her, dass ich so freundlich empfangen wurde. Mein Name ist Shira Voralis, ich komme aus Varisia", stellte sie sich vor. "Ich war etwas in Gedanken, als ich die vielen Bücher gesehen habe. Viele Personen halten nicht viel von Büchern oder können überhaupt nicht lesen, aber ich versuche ständig neue Wege des Lebens kennen zu lernen."

Als sie sich etwas zu den Regalen drehte, kam plötzlich Bewegung in ihren Umhang und ein kleiner schwarzer Kopf schälte sich hervor. Sie begann zu grinsen. "Na dich hätte ich fast vergessen", lachte sie und zog den schwarzen Kater mit der rechten Hand hervor. "Und das ist Soleb, mein treuer Gefährte, der mir seit einigen Jahren nicht mehr von der Seite weicht." Vorsichtig strich sie ihm mit der anderen Hand über das Fell, was der Kater sichtlich genoss und es sich in ihrem Schoß auch gleich bequem machte.

"Wo bin ich hier eigentlich gelandet?", fragte sie, als sie wieder aufblickte. "Irgendwie habe ich in dem ganzen Schneegestöber etwas die Orientierung verloren und mich einfach an den Fluss gehalten, damit ich nicht ganz vom Weg abkomme."

Bergi Glimmaxt:
Der Beschreibung seiner Tante folgend fand sich Bergi Glimmaxt schließlich vor dem Haus des Forschers Bhoron Schwarzbarts wieder. Munter blickte er von seinen Aufzeichnungen auf und musterte eingehend und interessiert die Schriftzeichen, welche in die tragenden Säulen am Eingang des Holzhauses eingraviert wurden.

Die Stirn grübelnd in Falten gelegt steckte er den Brief ein und wollte sogleich einen Stiefel in Richtung der Türe setzen, als er plötzlich den Zwerg entdeckte, welcher gleichfalls an der Vorderseite der Behausung stehen blieb. Sofort beeindruckt von dem stattlichen Bart, welcher von zwei Perlen geziert wurde, hielt Bergi inne und wandte sich dem Fremden zu, nicht ohne dabei freundlich zu lächeln und dabei seinen Metallhelm abzunehmen. Die langen, schneeweißen Haare nach all den Stunden der Wanderung befreit - sperrte er mit einer Handbewegung zurück hinter seine beiden, großen Spitzohren und entfernte dabei einige Strähnen von der Stirn, welche ihm die Sicht eingeschränkt hätten. Die eine Hand umfasste den Helm, als er mit der Anderen stolz auf seine gepanzerte Brust klopfte und weit zum Gruße ausholte.

"Seit gegrüßt, stolzer Bartmann! Es erfreut meine vom schillernden Schnee getrübten Augen, eine ehrbare Persönlichkeit wie die Eure hier, in dieser unwirtlichen Gegend zu erkennen. Wenn ich mich kurz vorstellen darf -  Bergi Glimmaxt, vom Clan der Glimmaxt Zwerge zu Euren Diensten!" Stolz auf seine Herkunft richtete sich der Gnom zur vollen Größe auf und strich sich anerkennend durch den eigenen, streng gepflegten Spitzbart.

"Bei Torag - Es ist mir nicht Wwillens - Eure Zeit zu rauben. Doch es scheint mir, ihr sucht ebenfalls nach einem gewissen Herrn Schwarzbart... Wenn Ihr nicht gar jener Geselle seit? Wenn dem nicht so ist - möchte ich euch bereitwillig den Vortritt lassen, obgleich ich meine Angelegenheit wohl niemals vor die Eure stellen würde, werter Herr Zwerg. Doch eine Frage brennt mir sogleich auf den Lippen, seit ihr doch der erste Bartmann, den ich seit meiner Ankunft hier, in Falkengrund erblicke! Sagt mir, seit ihr aus dieser Gegend? Wenn ja - Ich suche meinen Onkel, zweifellos ein Zwerg - mit dem Namen Druingar Glimmaxt. Ihr habt ihn nicht, bei Zufalls Willen, kürzlich gesehen, oder?"

Jaak Marva:
Die Mischung aus Kälte und Wärme, dem Frieren, welches nur durch ein kurzes, anstrengendes Schwitzen unterbrochen werden konnte; die Tatsache, dass Nichtstun einen verfrieren ließ, und Tun einen erschöpfte; das Arbeiten an einem wärmenden Feuer an einem furchtbar kalten Tag; es alles hatte etwas von Philosophie. Jaak verstand dieses Wort nicht, er verstand nicht, was Liebe zur Weisheit bedeuten sollte. Es war so mit allen Worten. Er nutzte sie wie alle anderen Menschen auch, denn nur so konnte man sich untereinander verständigen, aber er verstand ihre Bedeutung nicht vollends. Das Letzte, das Ende an ihnen war ihnen unbegreiflich und so blieb es die Philosophie. Aber so wie er Worte nutzte, ohne sie vollends zu verstehen, machte die Philosophie einen ungeheuren Eindruck auf ihn. Und er begeisterte sich für ihre Erkenntnisse wie er sich bisweilen auch für Worte begeistern konnte. Beides war ein Eindruck dessen, was das Sterben ausmachte: Man brauchte es nicht verstehen, um zu sterben. Von dem Beginn des Sterbens, von Menschen ohne Sinn für Worte Geburt genannt, bis zum Abschluss des Sterbens, fälschlicherweise häufig als Tod bezeichnet, man brauchte keinen Sinn dafür. Man musste diesen Pfad dennoch beschreiten oder konnte ihn gehen, oder wand sich irgendwann, um nicht von ihm weichen zu müssen. Jaak war genau zwischen diesen drei Extremen gefangen und doch glaubte er langsam zu verstehen, was dies bedeutete. Holz für ein Feuer bei kalter Nacht zu schlagen konnte einem genau diese Erkenntnis vermitteln, zumindest so sehr seine Unfähigkeit den Worten gegenüber dies zuließen: Der Prozess des Sterbens war ein Weg der die Mitte wählte. Sich der Kälte hingeben, hieß verfrieren; sich dem Feuer hingeben, hieß verbrennen. Man brauchte beides, wenn man noch ein wenig Sterben wollte.

Grelin riss ihn aus diesem Gedankengang und um ein Haar wäre ihm sein Spalthammer, mit dem er das viel zu harte und trotzdem noch furchtbar feuchte Holz schlug, abgerutscht und er hätte damit sein Schienbein zertrümmert. Doch Jaak besaß eine ungewöhnliche Geschicklichkeit und Körperstärke und so sah es beinahe mühelos aus, wie er den Spalthammer, dessen Bewegung er nicht aufhalten konnte, mit dem Stiel über seinen Unterarm rollen ließ, welches den Hammer in die Höhe schnellen ließ. Mit der freien Hand setzte er um, und fing den Spalthammer knapp unter dem Axtende. Nur ein geübtes Auge mochte erkennen, dass er sich fast selbst erschlagen hatte, weil er wieder zu tief in Gedanken war.
"Grelin.", begrüßte Jaak ihn beinahe tonlos und blickte auf den nicht gespaltenen Holzblock. Zum Glück gab es hier so viele Holzfäller, deren Werkzeuge sie so freigiebig nicht bewachten und die deswegen der freien Nutzung schnell zugänglich waren. Mit dem alten stumpfen Beil, welches Jaak und Grelin dabei hatten, konnte man kaum noch einen Halbling spalten, wie sollte man dies mit dieser beinahe schon eisernen Borke schaffen? Kraft musste hier Technik ersetzen. Jaak schwitzte, obwohl er fror. Es war Zeit, dass das Feuer alsbald lichterloh brannte. Jaak hob den Spalthammer wieder und hörte seinem Reisegefährten zu. Als er geendet hatte, sauste der Spalthammer, diesmal mit spaltender Präzision, in das Holzstück und teilte das Stück Holz in acht Scheite. Nicht zuletzt, weil Jaak den großen Holzblock dementsprechend vorgearbeitet hatte. Daraufhin stellte er den Spalthammer ab und wandte sich seinem Organisator zu. Grelin hatte ein Gespür für Zeit und Chancen, im Gegensatz zum griesgrämigen Marva.
"Lass das machen. Vielleicht können wir so einen wärmeren Platz finden. Es ist scheiße kalt hier. Es war schon immer im Winter scheiße kalt hier. Und dann ist hier im Tal die Luft noch immer so feucht, also ist es scheiße feuchtkalt. In den Bergen bei den Zwergen ist das besser, die Luft ist nicht so feucht, man ist nicht so klamm."
Jaak diskutierte selten über diese Stücke aus dem Kuchen, außer er hatte spezielle Ziele, für die er Gold oder Silber brauchte. Grelin kümmerte sich sonst und der dunkelhaarige Mann hatte sich selten schlecht von dem Organisator behandelt gefühlt. Also gab Jaak ihm einfach recht, solange bis Groetus ihm per Fingerzeig, per Omen deutlich machte, dass ihre Zeit enden würde. Solange war ihr Zusammenwirken gut. Solange machte Jaak, was man ihm sagte. Zumindest solange es ihn am Sterben hielt.
"Und vielleicht können wir dann mal wieder was Besseres essen als die alten Zuckerrüben für die Viecher, mit einem Nachtisch aus ihrem Hafersack." Jaak lachte. Es war seine Art von Humor. Sich über das eigene Leid lustig zu machen. Die einzige Art von Humor, die er neben dem Lustigmachen über das Leid anderer, verstand. Er hatte ziemlichen Hunger und die Aussicht, in einem warmen Zelt zu stehen, machte es erträglich Grelin zu begleiten. Der Mann, der im Finstertal geboren war, wusste, dass Grelin ihn nicht für seine Tricks mitnahm. Jaak hatte manchmal diese überzeugende Art, die einem sagte, dass man kleine Schmerzen - Jaak - besser in Kauf nahm, um größere - Ärger mit Jaak - zu vermeiden. Es war etwas Natürliches. Mit ihm gewachsen, etwas, warum Groetus wohl etwas in ihm sah oder zumindest einer von Groetus wahnsinnigen Dienern. Diese Art, die klar machte, dass er das Ende bedeuten konnte, mit diesen unterlaufenen Augen und der abweisenden Art. Eine Art, die Jaak nur schwerlich ablegen konnte. Eine Art, die Grelin erst dann brauchte, wenn die Jongleurskünste und Messerwerferkünste Jaaks nicht ausreichen.

Jaaks Gesicht hörte auf zu lachen. Seine Augen blieben merkwürdig ernst, selbst wenn er ehrlich lachte. Niemand konnte wissen, dass er über diese Muskeln keine Beherrschung hatte. Nicht so wie andere. Er wirkte deswegen immer wütend. Das machte ihm zum Außenseiter, aber Grelin wusste das zu nutzen. Es war vielleicht sogar Teil seines Geschäftssinnes. Jaak wusste es nicht so genau, wollte es aber auch nicht ausschließen. Er nahm die acht kleinen Scheite und warf sie auf einen Haufen, um das Feuer am Laufen zu halten. Er nahm einen Sack mit Schleuderkugeln, seine Doppelschleuder und einen krude aussehenden Kampfstab aus demselben Holz, was er gerade verfeuerte, an sich und nickte Grelin zu. Sie konnten los.

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