Nachdem beschlossen ist, was die ehemaligen Gefangenen tun würden, gehen sie ihrer Wege, um Zerrabeus Plan in die Tat umzusetzen. Dank dessen und Nestors Ortskenntnis finden sie recht schnell alles, was sie benötigen und auch wenn es nicht ganz günstig ist, so sind doch gegen Abend alle wieder in Rochus' Anwesen versammelt und zwar verwandelt in eine ganz ansehnliche Gesellschaft. Calator und Fiona tragen noch immer ihre Rüstungen, allerdings wurden diese vernünftig gereinigt, während der Rest sich nach dem Besuch im Badehaus auch gleich noch neu eingekleidet hat.
[1] So würden sie in der Roten Dame sicherlich nicht auffallen.
Es beginnt langsam zu dämmern, als die Gefährten sich zum Treffpunkt aufmachen. Wie abgesprochen bleiben Lina und Heka bei Rochus, während der Rest ohne nennenswerte Ereignisse die Rote Dame erreicht. Zerrabeu entdeckt zwar auf dem Weg einen Beutelschneider, der sich ihrer Gruppe gefährlich nähert, aber da der junge Magier seine Begleiter warnt, sind sie aufmerksam und achten auf ihre Besitztümer.
Die "Rote Dame" fällt in den Rabengärten zwischen all den Herrenhäusern und Händlerresidenzen kaum auf. Das einzige, was sie gegenüber den anderen Häusern auszeichnet ist das große Schild über der Tür, das eine Frau in einem roten Kleid zeigt, die eine Schachfigur in den Händen hält. Die Tür wird bewacht von zwei Türstehern, hier in den Rabengärten kein ungewöhnlicher Anblick, die meisten Leute, die hier leben, haben genug Geld um sich Wachen zu leisten, die vor Einbrechern und anderem Ärger bewahren. Die beiden mustern die Neuankömmlinge kritisch, da keiner ihnen bekannt ist, lassen sie aber gegen ein kleines Eintrittsgeld ein.
Das innere erinnert auf den ersten Blick an eine übliche, wenn auch große, Taverne. Mehrere Räume sind gefüllt mit Tischen an denen eine Menge Gäste sitzen. Irgendetwas ist allerdings anders und es dauert einen Augenblick, bis den Gefährten klar wird, was es ist: die Geräuschkulisse. Es finden zwar Gespräche statt, in der Tat viele Gespräche, aber diese sind nicht so laut und so unkontrolliert, wie in den Schenken am Hafen. Niemand schreit durch den Raum und der Barde, der neben dem Tresen sitzt, singt auch nicht, sondern spielt nur leise Töne auf seiner Laute.
Und dann sind da natürlich die Schachbretter. Auf allen Tischen steht mindestens eines, auch manchen sogar mehrere. Im Hauptraum sind sie eher einfach, gefertigt aus Holz mit Holzfiguren und auf die Tische gestellt. Hier sitzt ein eher zufälliges Publikum, das vor allem am Spiel interessiert scheint, wenn auch deutlich besser gekleidet als in einer durchschnittlichen Taverne.
Aber die Seitenräume sind offensichtlich das, wo sich das wirklich exklusive Publikum aufhält, dort wo die Oberklasse von Selgaunt ihre Zeit verbringt. Schwere Vorhänge aus Brokatstoff versperren den Blick in diese kleineren Seitenräume, aber einige von ihnen sind geöffnet, sodass die Gefährten hineinsehen können. In der Mitte eines dieser Räume steht ein einzelner Schachtisch mit einer Platte aus Marmor, in die das Spielbrett eingelassen ist. Die beiden Kontrahenten sitzen sich in bequemen Sesseln mit roten Polstern gegenüber, während eine Gruppe Zuschauer sich um sie versammelt hat. Einige von ihnen blicken gebannt auf die Partie, die sich im Zentrum abspielt. Aber es ist klar, dass hier noch mehr abläuft, denn manch ein Zuschauer scheint mehr an seinem Gesprächspartner interessiert als an dem Schachspiel.