Kara nickte nur im ersten Augenblick. Ihr Gesicht war keinesfalls vorwurfsvoll und man konnte sogar etwas Neugier bei ihr erkennen. Das war doch etwas anderes als sonst; kein simples 'rein-raus und fertig'. "Das Besondere reizt Euch also. Da hätte ich etwas, was Euch vielleicht faszinieren könnte." Dann nahm Kara schon einmal eine Rose aus der Vase auf dem Boden und tat sie in die Glasvase der Wand, so dass der Raum als besetzt angezeigt wurde. Nach dem Schließen der Tür ging sie danach mit Dragosh auf die Bühne. Er kannte sich wahrlich sehr gut im Purpurpfau aus. Es wäre bestimmt interessant mehr über ihn zu erfahren, aber erst einmal war sie an der Reihe etwas über sich zu erzählen. Vielleicht war er sogar so etwas wie ein Stammkunde hier im Bordell. Kara hatte leider noch gar nicht so sehr Notiz von ihm genommen.
Jedenfalls sagte die Diebespriesterin auf der Bühne dann zu ihm: "Ich weiß, es ist womöglich nicht ganz das, was ihr wolltet, aber ich will mit Euch ein Ratespiel spielen. Und zwar geht es darum, ob Ihr denkt, dass das was ich Euch jetzt erzähle die Wahrheit ist. Es kann alles gelogen sein, alles die Wahrheit sein oder manches wahr und manches gelogen, eben gemischt.
Zu meiner Kindheit und Jugend: Ich komme aus einer völlig anderen Welt und nicht aus Kurun. Diese Welt nennt sich Toril. Und dort stamme ich von dem Kontinent Faerun. Ich wuchs genauer gesagt in Telflamm auf. Dort wurde ich schon recht früh zur Diebin, aber auch zu einer Frau, die sich für Geld den Männern hingab. Doch mein Leben änderte sich, als ein Hohepriester Masks an mir Gefallen fand. Einem einfachen Kind der Straße. Womöglich entsprach ich irgendwie seinen besonderen Vorlieben. Mask ist übrigens der Gott der Diebe und der Schatten. Diese Gottheit wird auch der Schattenfürst genannt. Er war die einflussreichste Gottheit in der Gegend Telflamm.
Als ich älter wurde, stieg meine göttliche Zauberkraft rasant an. Ich konnte auf die Mächte der Schattenebene selbst zugreifen. Lebendige Schatten beschwören. Mir die Kraft der Illusion zu Nutze machen. Einen Sturm aus Feuer erschaffen oder auch Wunder im Namen meines Gottes wirken. In meinen Träumen kommunizierte Mask mit mir, da bin ich mir ganz sicher. Das waren nur einige Beispiele der Kräfte, die ich besaß. Ich wurde mit der Zeit eine mächtige Frau in Telflamm.
Viele Jahre später des Nachts hatte ich einen schrecklichen Alptraum, der mir bis heute noch in Erinnerung blieb. Ein Schattenhaftes Wesen ging an einer großen, stechenden Kälte zugrunde. Ich spürte sie als ob ich selber erleben würde für einen kurzen Augenblick. Ein Aufbäumen des Schattens. Ein tiefer, unbeschreiblicher Schmerz. Eine Dunkelheit, die tiefer als die von ihm. Ich wusste, dass diese Gestalt Mask aus meinen Träumen war, die da zugrunde ging. Schweiß gebadet wachte ich auf und verlor viel meiner Macht. Ich war nur noch ein Abklatsch meiner früheren Macht und fühlte mich auch körperlich geschwächt. Tatsache war, dass nun alle Priester von Mask ihre Kräfte verloren. Na ja alle bis auf mich, zumindest teilweise hatte ich ja noch einige Zauberkraft zur Verfügung. Ich bin mir nicht sicher wie ich diesen Bruchteil an Kräften überhaupt behalten konnte. Das ist ein Rätsel, das noch gelöst werden muss. Vielleicht wird es mir irgendwann gelingen.
Fortan tauchte ich in den Untergrund ab. Wer mächtig war, hatte ebenso mächtige Feinde und es waren nicht unbedingt andere Mask-Priester, die mir Sorgen bereiteten. Obwohl es schon einige Priester gab, die neidisch und verwundert waren, wegen dem bisschen an göttlicher Energie, das ich irgendwie noch hatte. Auf jeden Fall verkleidete ich mich so gut es ging und versteckte mich im Untergrund, wie schon gesagt. Ich tat mich vor allem mit einem Dieb zusammen, mit dem ich mich sehr gut verstand. Eines Tages wurden mir allerdings die Einbrüche zum Verhängnis. Ich gelangte an ein Kurzschwert eines Magiers, das einige Nebenwirkungen hatte. Ich sprang- ohne dass ich Kontrolle darüber hatte- in verschiedene Welten.
Es ist gar nicht so lange her. Ich war auf einer Welt, die sich Eberron nannte. Es gab dort beseelte Maschinen aus dem dortigen letzten Krieg, die sich Kriegsgeschmiedete nannten, fliegende Schiffe und irgend so eine Maschine namens Blitzbahn. Ich bin in solchen Beschreibungen nicht so gut und kenne mich mit Technik nicht so gut aus. Irgendein langes Ding auf Eisenschienen, das durch Technik und/oder Magie sich fortbewegt. Die Blitzbahn wirkte wie ein Wunder, aber trotzdem hatte ich andere Angelegenheiten, mit denen ich mich beschäftigen musste. Ob Kurun auch solch wundersame Dinge hat wie diese Welt? Vielleicht finde ich es noch heraus.
Die nächste Welt bzw. ich sollte eher sagen die Stadt Sigil in den Ebenen, war noch ungewöhnlicher. Tanar'ri, Baatezu, Engel und andere Wesen der Ebenen liefen dort nebeneinander herum. Auch Aasimare und Tieflinge. Sie bekriegten sich seltsamerweise nicht. Es war so eine Art "neutraler Ort" in den Ebenen. Ein Wesen namens 'Dame der Schmerzen' hat dort ganz große Macht. Wer gegen ihre Spielregeln verstößt, wird ein ganz schlimmes Schicksal erleiden. Ihre Macht ist mit der einer Gottheit durchaus vergleichbar, nur angebetet will sie nicht werden. Darauf reagiert sie sogar sehr allergisch. Fraktionen haben dort großen Einfluss. Athar, Anarchisten, Gnadentöter, die freie Liga, Staubmenschen, Göttermenschen, Sinnsanten und Xaositekten gibt es dort unter anderem. Womöglich existieren auch noch andere, aber solange war ich auch nicht in dieser Welt. Und es kann auch sein, dass ich mich an manche Fraktionen einfach nicht mehr erinnere. Die Göttermenschen zum Beispiel glauben- in aller Kürze gesagt- daran, dass das Leben ein Test ist und jeder das Potential hat ein Gott zu werden. Die Gnadentöter als Fraktion sind fanatische Gerechtigkeitsanhänger und dienen der Dame der Schmerzen als Urteilsvollstrecker. Ihr Gegenstück sind meiner Meinung nach die Xaositekten, die glauben, dass das Multiversum vom Grundprinzip des Chaos geleitet wird. Alles, was dieser alte Kauz und Philosoph mir damals erzählt hat, habe ich als Planlose in Sigil allerdings nicht behalten, wie zuvor schon angedeutet.
Die letzte Welt, in die es mich verschlug, ist eben Kurun, Eure Welt. Ich habe das selbst- wie schon gesagt- auch nicht unter Kontrolle gehabt, in welche Welten es mich zog, seit dem Einbruch damals. Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder in meine Welt zurückkomme. Ich wüsste gerne viel mehr über Kurun. Ich habe viel zu wenig Wissen über diese Welt, in der ich nun womöglich sogar mein restliches Leben verbringen muss.
Ansonsten muss ich sagen, dass nicht alles schlecht war, was mir widerfuhr, also auf den Machtverlust bezogen. Zu große Macht kann einen verblenden und arrogant machen. Zumindest kamen mir solche Gedanken einige Zeit nach meinem Machtverlust einmal. Aber vielleicht rede ich mir das auch nur ein, um besser mit meiner derzeitigen Situation klar zu kommen. Auf jeden Fall muss ich nun ganz ohne meine Gottheit auskommen und mit einem Leben in der Fremde. Als was ich mir momentan mein Geld auf Kurun verdient habe, wisst Ihr ja ansonsten.
Was denkt Ihr jetzt über all das, was ich Euch erzählt habe?"
Es gab einen Grund, warum Kara so offenherzig war, was ansonsten eher nicht ihre Art war. Sie wollte den Schriftsteller einfach beeindrucken und zudem wollte sie von so jemand Gebildetem mehr über Kurun erfahren. Das war ihrer Meinung nach durchaus drin.