"Oh wie schrecklich! Wie interessant! Wie überaus wunderbar, seltsam und entsetzlich!" Bhoron sah Gerion mit offenem Mund an und staunte einfach nur noch über die Geschichten, die der Waldläufer da erzählte. Selbst seine Pfeife hatte der alte Zwerg vergessen. Geschwind machte er sich einige Stichpunkte und Notizen.
"Ein Schmiedeschand? Ein Bündnis mit den Kobolden und ein neuer König?" Immer wieder stellte er Zwischenfragen. Für den Chronisten konnte es nicht genau genug sein. Er ließ es sich auch nicht nehmen, alle Details berichtet zu kriegen. Selbst die unschönen. Als Gerion die Geschichte zu Ende erzählt hatte, war das Feuer im Kamin bereits ein ganzes Stück heruntergebrannt. Bhoron hatte sich eine ganze Menge Notizen gemacht und allerlei Pergamente vollgeschrieben. Nun saß er in seinem Stuhl, paffte an seiner Pfeife und konnte es kaum fassen. Erst als er das alles verarbeitet hatte, schaffte er es wieder, etwas zu sagen.
"Seid euch gewiss, dass dieses Abenteuer in die Geschichtsbücher eingehen wird. Ich werde diese Geschichte niederschreiben und für folgende Generationen bewahren. Auch wenn im Droskarsfels viel Schreckliches geschehen ist, so handelt es sich doch um die Geschichte dieses Tals und diese muss verewigt werden. Ich hoffe nur, dass der neue Koboldkönig wirklich kein Interesse daran hat, Krieg mit Falkengrund zu führen."Schließlich reichte Gerion dem alten Zwergen sowohl die Kette, als auch den Handschuh. Droskars Hand. Leicht zitternd nahm Bhoron die Artefakte an sich und schluckte schwer, als er diese betrachtete. Sanft streichelte er das schwarze Metall. Kaum hatte er gehört, was Gerion von ihm verlangte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Erst war deutlich Wut zu sehen. Wie konnte dieser dahergelaufene Mensch es wagen, ein solch wichtiges Stück Zwergengeschichte zerstören zu wollen? Dann Unglaube und schließlich Trauer. Die Hände des Zwergen zitterten, als er Gerion ins Gesicht sah.
"Zerstören? Ihr wollt, dass ich diese Artefakte von unschätzbarem historischem Wert in seine Einzelteile zerlege?" Langsam schüttelte er den Kopf.
"Ich... ich..." Der Zwerg fand keine passenden Worte.
"Ich bin Chronist. Historiker. Das könnt ihr nicht verlangen - egal wie viel Unheil diese Artefakte bringen können. In den richtigen Händen..." Doch als er Gerions entschlossenen Gesichtsausdruck sah, nickte er schließlich traurig.
"Nun gut. Ich werde dafür Sorge tragen, dass diese Artefakte zerstört werden. Ihr könnt euch auf mich verlassen." Gerion war sich nicht sicher, ob der Zwerg die Wahrheit sagte. Er schien allerdings aufrichtig zu sein und die Gefahr, die von den Gegenständen ausging, zu verstehen. Bhoron würde schon das Richtige tun.
Nachdem dieser schwere aber notwendige Schritt getan war, zog es Gerion und Shira zurück zur lahmen Ente. Es wurde noch eine ganze Weile weitergefeiert gegessen und getrunken. Geschichten wurden erzählt und je später der Abend wurde, desto wilder wurden diese. Man scherzte miteinander und war einfach froh, dass dieser Albtraum vorbei war. Schließlich zog es die Eltern samt ihren Kindern aber zurück nach Hause. Nach diesem überstandenen Schrecken wollten sie die neu erhaltene Zeit mit ihren Kindern nutzen. Dieses Abenteuer hatte viele Veränderungen mit sich gebracht. Nicht nur für die Helden dieser Geschichten, sondern für jeden Beteiligten.
Der Droskarsfels war von den letzten Zwergengeistern und schrecklichen Kreaturen, die dort hausten, befreit worden. Er war nunmehr nur noch eine dunkle Ruine mit einer schrecklichen, schrecklichen Vergangenheit. Der Koboldkönig Merlokrep und seine Verbündeten wurden gestürzt und unter der Führung eines neuen Königs - des Schamanen Kerdamarrk - brach eine neue, eine gute Zeit für den Clan an. Statt in den dunklen Höhlen unter dem Zwergenkloster zu hausen, zog es die überlebenden Kobolde wieder an die Oberfläche. Sie zogen weiter, bis sie einen geeigneten Platz gefunden hatten, wo sie ihre Jungen aufziehen konnten. Es würde keine einfache Zeit werden aber der Schamane war intelligent und gütig. Unter seiner Führung würde der Clan wieder aufleben. Ohne ein Leben unter der tyrannischen Herrschaft Merlokreps.
Auch für Jeva änderte sich einiges. Sie zog zu Gerion aber behielt trotz allem ihre Geheimnisse für sich. Immer wieder verschwand sie für einige Tage - manchmal sogar Wochen - doch kehrte sie stets zu ihm zurück. Nachdem das Kinderheim abgerannt war, hatte sie nun endlich so etwas wie eine Heimat gefunden. Doch es würde noch sehr lange dauern, bis sie Gerion und diesem neuen Leben wirklich vertraute. Vielleicht würde sie in Zukunft wirklich ihre Geheimnisse mit dem Waldläufer teilen. Für den Moment hüllte sie sich allerdings, was dieses Thema betraf, in Schweigen. Auch wenn das junge Mädchen immer wieder verschwand, war sie eine angenehme Untermieterin, die Gerion aushalf und ihm Gesellschaft leistete.
In Falkengrund änderte sich nicht viel. Der Schreck war nach einigen Tagen vorbei und es herrschte schnell wieder Alltag in dem kleinen Dorf. Vielleicht schätzten sich die Familien gegenseitig nun etwas mehr und durch dieses Erlebnis waren alle etwas näher zusammengerückt. Der Holzfürst herrschte noch immer über das Dorf und versuchte seinen Sohn von dem gemeinen Volk fernzuhalten. Doch dieser entwickelte mit der Zeit seinen eigenen Kopf und lernte schnell, sich seinem Vater zu widersetzen. Der Jahrmarkt würde bald Einzug in die Stadt erhalten und so für etwas Abwechslung sorgen.
Shira zog bei Savram und seinem Vater ein. Zumindest für eine Weile. Dort hatte sie genügend Zeit, die Bücher in der Bibliothek des Magiers zu studieren und konnte dem kleinen Jungen gleichzeitig einiges beibringen. Es war eine Zeit des Entspannens und des Wissens. Jeder lernte dazu und sie tauschten sich gegenseitig aus. Es fühlte sich so an, als hätte Shira schon immer dorthin gepasst. Nein, dorthin gehört. Schließlich wurde der Hexe angeboten, einfach zu bleiben, solange sie wollte. Ob sie dieses Angebot annahm?
Nasreddin, Theudis, Bergi und auch Wilbur zogen allerdings weiter. Getrennt voneinander. Jeder hatte seine eigenen Ziele, die er verfolgen wollte. Sie würden sich sicherlich an diese gemeinsame Zeit und das Abenteuer erinnern.
Doch auch wenn alles friedlich aussah, so zogen doch dicke, pechschwarze Wolken im Finstermondtal auf. Irgendetwas braute sich zusammen und die Helden hatten bereits erste Anzeichen gesehen aber diese vielleicht nicht erkannt oder richtig gedeutet. Die unsichtbare Gestalt im Wald. Der Hautstehler in dem alten Holzfällerdorf und diese eisige, eisige Kälte, die selbst für das Tal zu schneiden war, deuteten auf ein weiteres Unheil hin. Selbst Wilbur, der Hellseher, hatte unbewusst diesen Schrecken vorhergesagt, als er Jeva die Karten gelegt hatte.
Doch wie dieses Gräuel bekämpft würde und ob die Helden auch daran teilhaben würden, ist eine andere Geschichte.
Ende