Nachdem die Pläne der Rebellen so weit gediehen sind, dass sie sie am nächsten Tag in die Tat würden umsetzen können, begeben sie sich zur lang verdienten Nachtruhe. Gegen Mitternacht hören sie noch Lina aus dem Palast zurückkehren, aber das Mädchen verschwindet ebenso schnell in ihrem Zimmer und es werden keine Worte mehr gewechselt.
Am nächsten Tag macht als erstes Zerrabeu sich auf zu seinem Apothekerfreund, in Begleitung von Malark, um sich alles zu besorgen, was er benötigt. Während der Junge dort beschäftigt ist, macht der Schurcke sich schon einmal auf einen Rundgang durchs Hafenviertel, in dem Dawn, Threan und Hesper bereits unterwegs sind, um mehr über die Lagerhäuser herauszufinden.
Tagsüber herrscht in Selgaunt reger Betrieb und auch wenn mehr Szepter auf den Straßen sind als gewohnt, ist es für die Rebellen ein leichtes sich auf den Straßen zu bewegen und auch einen etwas genaueren Blick auf die beiden von Nebulo genannten Lagerhäuser zu werfen. Beide fallen nur insofern auf, als hier offensichtlich nur sehr wenig Betrieb herrscht. Zwar sehen die Rebellen den ein oder anderen Hafenarbeiter und auch einen Verwalter die zwei Lagerhäuser bertreten und auch immer mal wieder jemanden herauskommen, aber wirklich verdächtig ist das nicht. Für ein genaueres Bild würden sie wohl über längere Zeit die Lagerhäuser beobachten müssen, aber das barg ein gewisses Risiko entdeckt zu werden. Auffällig ist allerdings, dass keine Waren hinein oder heraus transportiert werden. Ein paar kleinere Nachfragen ergeben auch schnell eine Antwort: eines der Lagerhäuser gehörte Ferritribaks von Yhaunn, das andere einem Händler namens Tolik aus Saerloon. Was mit Tolik geschehen sein mag, wissen die Rebellen nicht, aber das Ferritribaks Unternehmen zum Erliegen gekommen ist, ist durchaus vorstellbar.
Ansonsten fällt ihnen aber an den Lagerhäusern wenig verdächtiges auf.
Indessen verbringt Zerrabeu nach seinem Einkauf die meiste Zeit mit den Briefen und dem Büchlein der Priesterin. Enttäuscht muss er schnell feststellen, dass das Büchlein nicht nur in einer zuvor unverständlichen Sprache verfasst ist, sondern, dass es auch mit magischer Hilfe noch immer irgendwie verschlüsselt erscheint. Zumindest klingt es für ihn nur nach Kauderwelsch. Die Briefe hingegen sind weit leichter zugänglich. Die private Korrespondenz der Priesterin ließt sich recht interessant, da allerdings ihre Antworten fehlen, ist ein Verständnis nicht immer ganz einfach. In vielen der Schreiben geht es um Abläufe innerhalb der Kirche Shars in Sembia, um die Einberufung neuer Novizen, um den Vollzug von Ritualen und Gebeten und um die Mission der einheimischen Bevölkerung. All das ist zwar interessant für die Rebellen aber nicht wirklich von Belang. Ein längerer Briefwechsel erweckt allerdings Zerrabeus Aufmerksamkeit. Leider gibt es keine Datumsangaben, aber es ist leicht zu erkennen, dass die einzelnen Schriften im Abstand mehrerer Zehntage, vielleicht sogar Monate entstanden sein müssen:
Verehrte Vitiosa, euer untergebenster Diener Talis sendet euch Grüße,
ich habe zu berichten, dass alles nach Plan verläuft. Die uns zur Verfügung gestellten Testpersonen auf die Behandlung gut an und ich hoffe bald genaueres berichten zu können. Weiterhin schreitet die Befestigung der Anlage weiter voran. Wir haben eine Reihe von Mitteln erlangt, sowohl bei Arbeitskräften als auch Materialien anbelangt. Die Basis ist nach wie vor unentdeckt, selbst die Versorgungslinien bleiben für unsere Verbündeten im Dunkeln. Es sollte also keine weiteren Probleme geben.
Gesegnet sie die Herrin, gelobt sei die Nacht!
Verehrte Vitiosa, euer untergebenster Diener Talis sendet euch Grüße,
wir haben einige Rückschläge erlitten. Es scheint als wirke sich die Qualität der Testpersonen merklich auf den Erfolg des Prozesses aus. Wir konnten zwar erfolgreich die Bekehrung durchführen, allerdings bleiben die weiteren Ergebnisse deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Schwestern haben keinerlei Probleme mit den neuen fertig zu werden. Selbst ein Dutzend von ihnen ist einer trainierten Jüngerin nicht gewachsen. Weiterhin haben wir festgestellt, dass Männer deutlich schlechter auf die Bekehrung ansprechen als Frauen. Ihr Bewusstsein wird zu großen Teilen zerstört und sie eigenen sich nicht einmal mehr für die einfachsten Arbeiten. Für das weitere Vorgehen benötigen wir genauere Anweisungen.
Über die Gefangenen, die zu brechen ihr mir befohlen habt, vermag ich derzeit noch nichts zu berichten. Die drei Priesterinnen widersetzen sich standhaft, aber irgendwann werden sie gewiss zusammenbrechen. Der Adlige hingegen ist nach wie vor stumm. Es macht keinen Sinn. Ich würde ihn gerne der Bekehrung unterwerfen, aber ich fürchte, das würde ihn umbringen.
Gesegnet sei die Herrin, gelobt sei die Nacht!
Verehrte Vitiosa, euer untergebenster Diener Talis sendet euch Grüße,
wie von euch befohlen haben wir uns auf die Suche nach neuen Schäfchen für die Bekehrung gemacht, da die Ware, die uns zur Verfügung gestellt wurde offensichtlich für unsere Zwecke ungeeignet war. Der Fürst war so freundlich uns Zugang zu seinen Verliesen zu gewähren, damit wir entsprechendes Material bekommen. Wir haben eine Auswahl getroffen und uns an die Arbeit gemacht. Es hat sich bestätigt, dass die Bekehrung bei Frauen, insbesondere bei Menschenfrauen am leichtesten fällt und die besten Ergebnisse bringt. Eine Reihe von Elfen und Zwergen, an denen wir es versucht haben sind direkt gestorben. Offenbar widersetzt sich ihr fremdes Blut der Bekehrung. Allerdings sehen die Ergebnisse bei Halbelfen ähnlich vielversprechend aus wie bei den Menschen. Die Mischlinge sind also offensichtlich geeignet. Wir befinden uns noch in der ersten Phase, das Training hat noch nicht einmal begonnen. Bisher haben wir nur einfache Aufgaben verteilt, die bereits weit besser erfüllt wurden als bei der ersten Versuchsgruppe. Sobald sich neue Entwicklungen ergeben, schreibe ich erneut.
Gesegnet sei die Herrin, gelobt sei die Nacht!
Verehrte Vitiosa, euer untergebenster Diener Talis sendet euch Grüße,
einige der Kandidaten sind sehr vielversprechend, ein Teil ist allerdings enttäuschend. Es scheint so als würde die Bekehrung zwar die Fähigkeiten der Schäfchen deutlich verbessern, allerdings gibt es verschiedene Hinderungsgründe. Während körperliche Kraft keine unmittelbare Rolle zu spielen scheint, sind die Ernährung und die Muskelbeanspruchung scheinbar sehr wohl relevant. Wir haben mit Tests unter verschiedenen Bedingungen begonnen. Bisher kann ich sicher sagen, dass Mangelernährung an sich kein Problem darstellt, Fettleibigkeit hingegen schon. Die Bekehrung ist zwar erfolgreich, aber es scheint kaum möglich im Anschluss den Zustand der Bekehrten so weit zu verbessern, dass sie einsatzbereit würden. Die Zellen des Fürsten sind bald leer, wir werden uns also nach neuen Zielen umsehen müssen.
Gesegnet sei die Herrin, gelobt sei die Nacht!
Verehrte Vitiosa, euer untergebenster Diener Talis sendet euch Grüße,
euer Vorschlag hat sich als brillant erwiesen Herrin. Wir haben eine Reihe von Häusern durchsuchen lassen und die Bewohner unter falscher Anklage verhaftet. Dadurch haben wir für die Bekehrung jetzt eine sehr viel bessere Auswahl und können genauer feststellen, in welchen Fällen der Erfolg am wahrscheinlichsten ist. Außerdem haben wir den Prozess selbst beschleunigen können. Je besser die Voraussetzungen des Bekehrten vor dem finalen Ritual waren, desto besser ist das Ergebnis unmittelbar danach.
Wie von euch befohlen haben wir damit begonnen die Stärke der Bekehrung zu testen und dabei beachtliche Erkenntnisse gewonnen. Es scheint so, dass ein stärkerer Wille vor der Bekehrung auch zu einer tieferen Einwurzelung der neuen Überzeugung führte. Während die Sklaven sich unter Folter noch brechen ließen, ist dies bei unseren neuen Schäfchen kaum noch denkbar. Ich möchte empfehlen nach Möglichkeiten zu suchen, Kandidaten mit einem möglichst starken Überlebenswillen und festen Überzeugungen zu finden. Sobald sie bekehrt sind, werden sie zu glühenden Verehrern der Herrin werden.
Gesegnet sei die Herrin, gelobt sei die Nacht!
Verehrte Vitiosa, euer untergebenster Diener Talis sendet euch Grüße,
wir sind endlich so weit brauchbare Kandidatinnen auszubilden. Die Bekehrungsformel wurde perfektioniert und wir sollten jetzt in der Lage sein binnen weniger Tage Bekehrte zu erschaffen, die den Novizinnen ebenbürtig sind und schnell trainiert werden können. Dadurch sollte es möglich sein die Zahl der Schwestern binnen kürzester Zeit zu verzehnfachen. Dafür brauchen wir allerdings eure Erlaubnis auf neue Quellen für die Rekrutierung zuzugreifen. Yhaunn selbst hält kaum noch geeignete Schäfchen bereit. Entweder müssen wir unseren Zugriff auf die Umgebung ausweiten oder ihr müsst uns Zugriff auf die Lager gewähren.
Einige meiner Spione haben mir berichtet, dass die Arkanisten in einem ähnlichen Verfahren wie wir eine Armee heran züchten. Allerdings scheinen sie es sehr viel mehr auf Kontrolle abgesehen zu haben, als auf kreative Reaktion. Ich habe meine Fühler bereits ausgestreckt. Ihre „Verdunkelten“, wie sie sie nennen, scheinen zwar körperlich gestählt zu werden aber dabei um einen Großteil ihrer Persönlichkeit gebracht zu werden. Unsere Bekehrung ist dem zweifelsohne überlegen, da wir zwar alles Alte auslöschen und mit der Gunst der Herrin durchwirken, aber die Bekehrten dennoch Zugriff auf die Erinnerungen und Fähigkeiten der Schäfchen haben.
Gesegnet sei die Herrin, gelobt sei die Nacht!
Verehrte Vitiosa, eure untergebenste Dienerin Serina sendet euch Grüße,
es ist getan Herrin. Wir haben uns des Mannes entledigt und auch all seine Gefolgsleute entfernt oder bekehrt. Es wird euch freuen zu hören, dass die Bekehrung auch bei Gläubigen Wirkung zeigt, sofern ihr Eifer nicht dem unseren entspricht. Und da niemand uns im Eifer für die Herrin gleichkommt, können wir jeden bekehren. Das Training hat begonnen, wir werden ab sofort jeden Zehntag ein Dutzend Novizinnen aussenden können, solange wir genug Rekrutinnen finden. Außerdem ist alles bereit für die Umsiedlung. Yhaunn ist was geeignete Kandidatinnen angeht ausgetrocknet und Selgaunt reif für die Ernte. Mit eurem Eintreffen wird alles bereit sein und ihr könnt unsere Erfolge endlich den Aristokraten präsentieren. Dafür werden Sie euch gewiss zu einer der ihren machen.
Außerdem sind die Gefangenen zum Transport bereit. Eine der Priesterinnen haben wir wie von euch befohlen der Bekehrung unterzogen und es war ein voller Erfolg. Allerdings scheint sie nicht über das Wissen zu verfügen, das ihr sucht. Die anderen beiden werden gerade bekehrt. Der stumme Mann spricht noch immer kein Wort und sein Geist scheint der Bekehrung zu widerstehen. Ich bin fast sicher, dass er alles hat, was wir suchen und enthüllen könnte, was in Dunkelheit gehüllt ist, die nicht der Herrin gehorcht. Aber mit jedem Tag sinkt die Bekehrung tiefer in seinen Geist und auch er wird ihr unterliegen. Dann werden wir schließlich wissen, was es zu tun gilt.
Gelobt sei die Herrin, unser Eid währt auf ewig!