Das eine Auge der Frau schaute zufrieden in die Runde, nachdem Barret endlich den Kompass ergriffen hatte:
"Das kommt drauf an, wie schnell ihr unterwegs seid. Bis zum Tunneleingang ist es bei strammem Marschtempo nen Weg von zwei Stunden. Und dann noch mal sechs Stunden in den Tunneln. Und jetzt raus mit euch, wir können weiter reden, wenn ihr zurück seid."Auch der abgeschlossene Deal hatte der Höflichkeit der Frau, die bis zum Ende ihren Namen nicht verraten hatte, nicht beflügelt. Sie schob die sechs geradezu zur Tür und nach kürzester Zeit standen die Flüchtlinge wieder in der Eingangshalle. Es war jetzt später Nachmittag und noch am gleichen Tag in die Tunnel aufzubrechen wäre wohl ein wenig zu anstrengend. Also begaben sie sich erstmal zurück zu ihrem Quartier, um sich ein wenig auszuruhen, denn die anstrengende Nacht saß ihnen noch immer in den Knochen.
Nach einer Nacht Schlaf, in der sich die Flüchtlinge ihre eigenen dunklen Ecken gesucht und nicht mehr viele Worte gewechselt hatten
[1], fühlten sich alle zumindest etwas ausgeruhter, auch wenn die Blessuren vom Flug in den Rettungskapseln und vom Kampf gegen die Sturmtruppen noch nicht ganz verheilt waren.
[2]Trotzdem verschwendeten die Flüchtlinge am nächsten morgen nicht allzu viel Zeit. Nach einem Frühstück bei Ricki griffen sie sich den Kompass und machten sich auf zu ihrem neu gefunden Ziel, auch wenn sie noch immer nicht so genau wussten, was sie dort erwarten würde. Zumindest war es eine Spur. Der Weg durch die Gassen der Unterstadt ist ereignislos, da sich hier kaum jemand für die fremden interessiert. Aber jetzt, da sie den zweiten Tag hier unterwegs sind, erkennen die Flüchtlinge, dass die Unterstadt mitnichten der Erdlevel ist, der sie zunächst zu sein schien. Denn auch hier gibt es verschiedene Ebenen und der Kompass führte sie - wunderbar präzise - über mehrere dieser Ebenen immer weiter hinab, bis schließlich keinerlei Bewohner mehr zu entdecken waren, sondern nur gähnende Leere herrschte. Die für die Fremden noch immer namenlose Frau, die vermutlich Saranna Zobrak war, hatte mit ihrer Einschätzung wohl ein wenig untertrieben, denn es kostete fast vier Stunden bis die sechs den genannten Tunneleingang erreicht hatten. Hier unten, wo es nun auch kaum noch Lichtquellen gab, da die Energieversorgung, die diese Gänge und Gebäude einst erleuchtet haben mochte lange ausgefallen war, schon lange ausgefallen und die Zuleitungen gekappt worden waren, übernahmen Sya und Jastina die Führung. Letztere hielt einen Leuchtstab in den Händen für die, die im Dunkeln nicht so perfekt sehen konnten und die zwei führten mit dem Kompass in der Hand die kleine Truppe frischgebackener Schatzjäger durch die Tunnel. Ohne den Kompass hätten sie sich wohl heillos verlaufen, denn dessen Technik zeigte nicht einfach immer in eine Richtung, sondern es schien eine spezielle Route in ihn einprogrammiert zu sein.
Mehrfach kamen sie an eingestürzten Tunneln oder Spalten in Boden und Wänden vorbei, die es zu überwinden galt, aber das alles gelang ihnen mit Bravour.
[3] Schließlich standen sie vor ihrem Ziel, das sie schon aus weiter Ferne erkennen konnten. Der Tunnel öffnete sich nämlich zu einer breiten Innehalle, die einst das Zentrum eines großen Gebäudekomplexes gewesen sein musste, jetzt aber eher anmutete wie eine finstere Höhle im Herzen eines Berges. Doch so finster war diese Höhle gar nicht, denn auf der gegenüberliegenden Seite auf Höhe der zweiten Etage - insgesamt zählte die "Höhle" fünf Stockwerke, die allesamt mit Geländern versehen und über Treppen verbunden waren - erstrahlte bei einer der Türen noch immer die Beleuchtung. Aus nächster Nähe ließ sich erkennen, dass sogar das Zugangspadd noch aktiv war, allerdings zeigte das sanfte rot der Beleuchtung, dass es abgeriegelt war. Im Staub der Jahrhunderte konnten die Schatzjäger einige Fußspuren entdecken, allerdings schienen diese nicht gerade frisch zu sein.