Background (Anzeigen)Bards Ursprung liegt in den Farmlanden der Nähe der Stadt Jol im Süden der Lande der Linnorm-Könige. Umgeben von den Hügeln, Mooren und Bergen des Königreichs Südmoor und in der Nähe des wilden Grungir-Walds, ist dies allgemein eine ziemlich raue Gegend, doch durch die Nähe zur Stadt und den Schutz, die deren Krieger gegen wilde Tiere, Marschriesen und andere gefährliche Kreaturen bieten, ist den Bauern und Viehzüchtern dort ein relativ behütetes Dasein möglich. Bards Familie gehört zu denjenigen, die sich bei Jol angesiedelt haben – abseits der überfüllten und stinkenden Stadt, in einer dorfähnlichen Gemeinschaft von mehreren Höfen, in denen man ein einfaches, aber gutes Leben führen kann. Auch wenn es nicht viele Halblinge in Südmoor gibt und eher das jenseits des Grungir-Waldes gelegene Kalsgard bekannt für eine größere Halblingsgemeinde ist, sind Bards Vorfahren nie bis dorthin gelangt… obwohl sie es vielleicht einst, vor mehreren Generationen, vorgehabt hatten, als sie von Varisia aus einer Karawane nach Norden anschlossen, um ihrer unliebsamen Vergangenheit mit Cheliax möglichst weit zu entkommen. Was seinen Vorfahren so gut an der Gegend um Jol gefallen hat, kann Bard gut verstehen. Abseits der Moore ist der Boden fruchtbares Ackerland, die Moore selbst sind mit ihren sumpfigen Marschland, dem Heidekraut und den daraus hervorragenden, felsigen Hügeln ein wundervoll idyllischer Anblick, die Wälder sind grün und reich an Wild, und die Nähe zu einer größeren Stadt bietet nicht nur Sicherheit, sondern auch Zugang zu Handel und weiteren Annehmlichkeiten der Zivilisation.
Bards Kindheit war dementsprechend von einem ländlichen und sehr Erastil-gefälligem Umfeld geprägt. Er musste oft auf dem Hof helfen, aber mit seinen Freunden durchstreifte er die Umgebung und sie wagten sich auch oft an den Rand des Grungir-Walds heran, obwohl (oder gerade weil) ihre Eltern das verboten hatten – denn dort gab es nicht nur gewöhnliche Raubtiere, sondern auch Monster und Linnorme, und nicht zuletzt Fey, die unerwünschten Besuch durchaus in den Tod lockten, wenn sie es wollten. Bard machte diese Vorstellung jedoch keine Angst. Er wusste, dass die Natur und ihre Geister nur diejenigen bestraften, die sich leichtsinnig verhielten oder sogar respektlos mit ihnen umgingen. Die Druiden eines mysteriösen, alten Steinkreises, der sich in den Mooren unweit von Bards Elternhaus befand, lehrten diese Philosophie und Bard empfand, dass sie damit recht hatten. Dass eine Bärin mögliche Bedrohungen für ihr Junges angriff, zum Beispiel, war nur verständlich. Oder dass die Fey großflächige Abholzung von Bäumen nicht guthießen. Die „zivilisierten“ Völker Golarions beschützten ihre Familien und Heime ja ebenfalls.
Bard fühlte sich als Heranwachsender immer mehr zu dem ursprünglicherem, freieren Weltbild der Druiden hingezogen und erkannte, je mehr Zeit er in der Natur verbrachte (und er verbrachte dort jeden freien Moment, weil er eine Verbundenheit und Geborgenheit verspürte), dass die Wildnis ebenfalls so behütet werden musste wie Familie und Felder der Siedler – wenn nicht sogar mehr, da es nichts Wichtigeres für ein funktionierendes Ökosystem gab als Gleichgewicht… Ein Gleichgewicht, das empfindlich war, wenn sich nicht jeder nur das nahm, was er wirklich brauchte, und das schlussendlich nicht nur Flora und Fauna beeinflusste, sondern auch den Erfolg und Misserfolg von landwirtschaftlicher Bestellung. So sehr Bard Erastil, den seine Familie als ihren Patron ansah, auch respektierte, empfand er den zentralen Grundsatz des Glaubens, die persönlichen Nützlichkeit eines jeden Einzelnen für die Gemeinschaft stets zu hinterfragen, und auch von der engstirnigen Traditionsbesessenheit des örtlichen Erastilpriesters und Gemeindevorstands als einengend und teils auch sehr kontraproduktiv. So kam es, dass Bard sich dagegen entschied, in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten und, wie seine Geschwister, sein Leben damit zu verbringen, Vieh zu züchten und Gemüse und Getreide für die Bewohner Jols anzubauen. Es war nicht so, dass Bard diese Lebensweise verurteilte, sondern dass er sich dazu berufen sah, eine friedliche Koexistenz von Natur und Zivilisation zu ermöglichen, indem er die Wildnis vor Raubbau schützte. Schlussendlich war dies ein Ziel, dass am Ende der Gemeinschaft nicht schaden, sondern nützen würde. Der Bedarf an solchen Mediatoren wuchs, Bards Eindruck nach, gerade in seiner Heimat zunehmend, denn Jol quoll bereits über ob der wachsenden Bewohnerzahl, und die Vororte bekamen deswegen ebenfalls immer mehr Zulauf. Damit dies nicht zu Versorgungsengpässen führte, wurde entsprechend immer mehr Farmland in Anspruch genommen und die Natur geschädigt und verdrängt. Die Druiden beobachteten diese Entwicklung mit Sorge und das führte zu Meinungsverschiedenheiten. Wenn sie auch nicht bei jedem Anklang fanden und besonders mit dem Erastilkleriker, der seine Autorität in Gefahr sah, hin und wieder aneinandergerieten, wurden sie Dorf generell akzeptiert und respektiert, da sie den Bewohnern als Kräuterkundler und Heiler behilflich waren, gefährliche Tiere fernhielten, mit dem Fey verhandelten und die Naturomen deuteten. Als Bard, der ohnehin häufig ihren Steinkreis besuchte, weil er dessen Abgelegenheit im Moor und die dort herrschende Friedlichkeit als Rückzugsort schätzte, eines Tages einen der Druiden dort antraf (einen ulfischen Greis namens Grimur Landahl), traute er sich und äußerte seinen Wunsch, ein Druide zu werden. Grimur war skeptisch und Bard schaffte es nicht sofort, den alten Mann von seinem ehrlichen Empfinden, das dies seine Berufung und Bestimmung war, zu überzeugen. Doch Bard blieb hartnäckig und überredete Grimur, ihm eine Chance zu geben. Also rief Grimur ein Thing aus und Bard durfte vor dem ganzen Druidenzirkel vorsprechen und sich einer ausgiebigen Befragung stellen. Auch wenn Bard nervös wurde, weil die Versammelten alle sehr kritisch und skeptisch auftraten, fiel das Votum am Ende zu seinem Gunsten aus: Er wurde als Lehrling in den Zirkel aufgenommen.
Bard merkte schnell, dass er, auch wenn er sich für jemanden gehalten hatte, der in Natur zuhause war und sich dementsprechend auskannte, in Wirklichkeit noch ganz am Anfang stand. In den kommenden Jahren bot jeder Tag eine oder mehrere neue Lektionen, neues Wissen und tiefergehendes Verständnis, das seine Liebe zur Natur und den Wunsch für deren Erhalt nur verstärkte. Die Bindung zu seiner Familie und zur Gemeinde schwächte sich damit allerdings nicht, im Gegenteil. Bard bemühte sich, seine sozialen Bindungen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, und nahm seine selbstbestimmte Aufgabe ernst, den Leuten die Wunder der Natur und die Notwendigkeit, sie zu respektieren, stets ins Gedächtnis zu rufen. Kommunikation, so fand er, war ein wichtiges Mittel, das Probleme vermeiden konnte, noch bevor sie entstanden. So hielt Bard aktiv ein Auge offen und versuchte, seine Liebe zu Natur auch anderen nahezubringen. Seine Eltern waren zwar ein wenig enttäuscht, dass er sich dagegen entschieden hatte, Farmer zu werden, aber da sie erkannten, dass ihm das Druidentum eine Herzensangelegenheit war und in seinem Fall Erastils Lehren nicht im Weg stand, freundeten sie sich damit an.
Als Bards zwanzigster Geburtstag bevorstand, erwartete ihn, wie es bei Halblingen üblich war, eine Aufgabe, die er erfüllen musste, um seine gesellschaftlich angesehene Volljährigkeit zu erreichen. Seine Eltern und die Gemeindeältesten, darunter auch Bards Hauptlehrmeister Grimur, entschieden sich gemeinsam dafür, dass Bard sich als Wildhüter beweisen müsste. Er sollte ausziehen und ein Problem suchen, das die Omen angekündigt hatten, und es anschließend lösen – was genau dies sein würde, würde Bard sehen, wenn er es fand. Der einzige Hinweis, den man ihm geben konnte, war, dass die Omen von Trauer und Leid gesprochen hatten, als sie nach Bards Aufgabe befragt worden waren, und dass sein Weg ihn ins Moor führen würde. Mit diesen schwammigen Angaben konfrontiert, blieb Bard nicht viel anderes übrig, als sich auf einen längeren Aufenthalt in der Wildnis vorzubereiten und dann loszuziehen. Er hatte ein ungutes Gefühl dabei (vielleicht sprachen die Omen ja von seinem eigenen Leid), aber Bard brach gleich am nächsten Morgen in die Moore auf. Seine erste Anlaufstelle war der Steinkreis. Dicker, hartnäckiger Nebel lag über dem Flachland, doch die Steine schienen ihn lokal aufzubrechen und boten Bard einen angenehm stillen Platz, um in Ruhe in sich zu kehren und sich auf seine innere Stärke zu berufen, bevor er weiterziehen würde. Wie schon so oft, hatte dieses kleine Ritual eine beruhigende Wirkung auf ihn.
Die Steine waren ein besonderer Ort. Niemand, nicht einmal Grimur wusste, wer sie hier errichtet hatte. Sie waren einfach schon immer hier gewesen. Über ihnen lag eine bestimmte Aura, eine Macht, die Bard nur schwer ergreifen konnte. Hier lag irgendetwas in der Luft, das nicht mit Worten zu beschreiben war. Es war so als würden die Steine zu ihm flüstern ohne zu sprechen. Es war so als würden sie nach seine Seele greifen und seine Gedanken beflügeln. Hier fühlte er sich lebendiger als anderswo. Grimur hatte ihm erklärt, dass alle Druiden des Zirkels so empfanden. Was Bard da spüre, sei eine Lebensader des Seins selbst, die durch das Land fließe wie ein unsichtbarer, aber dennoch sehr mächtiger Fluss. Sie sei ein Beweis dafür, dass nicht nur Geschöpfe Leben und Bewusstsein besäßen, sondern auch die Natur und das Universum selbst. Hier am Steinkreis würden sich zwei dieser Adern, die man Ley-Linien nannte, treffen – deswegen sei der Steinkreis ein sehr besonderer, heiliger Ort. Tatsächlich würden sich die Adern voller magischer Energie in alle bekannten Winkel der Schöpfung erstrecken, geographische und kosmische Orte und sogar die verschiedenen Ebenen miteinander verbinden. Diejenigen, die den Steinkreis hier errichtet haben mussten, wären sich der Macht des hier vorhandenen Linienknotens bewusst gewesen. Dieser Steinkreis sei errichtet worden, um diesen Ort zu ehren, und tatsächlich nur einer von vielen. Wer in der Lage sei, diese Ströme anzuzapfen, könne nicht nur ihre Energie nutzbar machen, sondern auch großes Wissen über die Zusammenhänge der Existenz erlangen. Bard konnte nicht genau benennen, ob er die Vorstellung davon als etwas einstufte, das ihm im Grunde immer klar gewesen war, oder ob er sie beängstigend fand. Vor allem war sie sehr faszinierend. Er hatte keinen Grund, an Grimurs Worten zu zweifeln – schließlich spürte Bard die Macht dieses Orts selbst und hatte sogar schon gelernt, wie er die Energie dieser Ebene des Seins von anderen, fremder Lebensenergie unterscheiden konnte. Wenn er sich auf die Ley-Energie konzentrierte, die zwar am Steinkreis besonders stark, aber im Grunde überall vernehmbar war, spürte er, ob sich etwas oder jemand, dessen Wurzeln nicht auf der Materiellen Ebene lag, der Nähe aufhielt. Gerade bei den hier weit verbreiteten Fey, die gern im Verborgenen lauerten und beobachteten, konnte diese Fähigkeit durchaus praktisch sein.
In der Hoffnung, sie bei seiner Mannwerdungs-Aufgabe nicht zu brauchen, ließ Bard den Steinkreis hinter sich und tauchte in den Nebel ein. Die Moore waren tückisch und es erforderte seine volle Aufmerksamkeit, einen sicheren Pfad zu finden. Immer wieder musste er umkehren und es anders versuchen, und dabei auf jedes Geräusch achten. Hier draußen lauerten nicht nur so manche räuberische Sumpfkreatur, sondern auch Riesen, Kobolde und vielleicht streiften auch aus der Gesellschaft verbannte Verbrecher umher – alles Begegnungen, die Bard vermeiden wollte; und so bewegte er sich selbst mit geübten, leisen Schritten vorwärts. Gegen Mittag verflog der Nebel zum Glück und erlaubte ein wenig angenehmeres Vorankommen, sodass Bard seine Wanderung zunehmend genoss. Zwar hatte er keine Ahnung, was ihn erwarten würde oder wohin ergehen, aber er ließ sich einfach von den landschaftlichen Gegebenheiten und seinem Bauchgefühl führen. Wenn die Omen gesehen hatten, dass ihn etwas Bestimmtes hier draußen erwartete, würde er früher oder später schon darauf stoßen… da war Bard sich sicher. Am dritten Tag, als Bard eine kleine, von großen Steinen übersäte Anhöhe erklomm, um diese als Aussichtspunkt zu nutzen, entdeckte er zwischen den moosigen Steinen und kargen Büschen eine mit gräulichen Federn und Kot bedeckte Erdkuhle. Alarmiert suchte er etwas Abstand und Deckung in den Büschen. Dies musste ein Schnee-Eulennest sein und es war Brutsaison – und ein brütendes Schnee-Eulenpaar war ein wütendes Schnee-Eulenpaar. Selbst mit den normalgroßen Vertretern hätte Bard sich ungern angelegt – und dieses Nest war so riesig, dass es wohl von der enorm größeren Variante, Riesen-Schnee-Eulen, angelegt worden war. Bard beobachtete die Umgebung eine Weile, in der er nichts Bedrohliches ausmachen konnte, also wagte er sich aus seinem Versteck, um sich das Nest genauer anzusehen. Es schien verlassen zu sein, obwohl die grauen Flaumfedern, die zu einem Küken gehörten, Tierknochen und Reste von Eierschalen darauf hindeuteten, dass es vor kurzem noch in Benutzung gewesen sein musste. Bard wurde stutzig, als er zudem, nicht weit von der Kuhle entfernt, auf Spuren getrockneten Bluts stieß. Vielleicht hatten Raubtiere sich an dem Nest vergangen… wobei diese sich dann mit noch viel gefährlicheren Raubtieren, den Schnee-Euleneltern angelegt hätten. Und diese hätten ihren Nachwuchs sehr effektiv verteidigen können. Selbst Riesen hielten sich von wilden Riesen-Schnee-Eulen fern – und das aus gutem Grund. Für einen jungen Halbling wären sie ungleich gefährlicher. Bard stellte fest, dass die Blutspur vom Nest wegführte, also begann er, ihr aus Neugier zu folgen. Auch wenn das Klima im Moor feucht war und der Boden sehr unfreundlich für die Beständigkeit von Spuren, fand Bard genug Blut auf Steinen und an den langen, braungelben Gräsern, die hier in den Marschen der Tundra (im Gegensatz zu den meisten anderen Pflanzen) gediehen als würden sie jedweder Vernunft trotzen. Es dauerte eine Weile, bis Bard schlussendlich entdeckte, was worauf er gehofft hatte: Eine junge Schnee-Eule. Sie hatte ihre grauen Flaumfedern noch nicht abgelegt, war also sicher noch nicht flügge und damit nicht in der Lage, selbst zu jagen. Wie befürchtet, schien sie verletzt zu sein (Blut verklebte teils das Federkleid), aber so sehr Bard versuchen wollte, ihr zu helfen, zögerte er. Wo waren ihre Eltern? Bard hielt sich im Gras versteckt und beobachtete wieder. Es war nicht unüblich, dass Schnee-Eulenküken ihr Nest verließen, sobald sie ein gewisses Alter erreicht hatten. Ihre Eltern versorgten sie aber trotzdem weiter… normalerweise. Das Küken wirkte jedoch sehr mager und lethargisch. Bard wagte sich nach einer Weile näher heran, um die Eule näher zu begutachten. Sie war wirklich in keinem guten Zustand. Allein, geschwächt und verletzt. War es dieses Küken, von dem die Omen gesprochen hatten? „Trauer und Leid“… Das traf auf dieses von seinen Eltern getrennte, arme Wesen durchaus zu. Allerdings war es Bard egal, ob die Omen dieses Wesen gemeint hatten oder auch nicht: Er wollte der Eule trotzdem helfen. Und das tat er auch. Es kostete Bard einiges and Geduld und Mut, um sich dieser Aufgabe zu stellen. Das Küken war zwar ein Küken, hatte aber dennoch einen gefährlichen Schnabel und riesige Krallen, und überragte Bard insgesamt bei Weitem. Die Riesen-Eule davon zu überzeugen, dass er ihr nichts Böses wollte und zudem kein Futter war, stellte sich als kein leichtes Unterfangen heraus. Es kostete ihn Nerven und Bestechung, die Bard für das Eulenkind mit dem Bogen jagte, bis es ihn so nah an sich heranließ, sodass er sich die Verletzungen genauer ansehen konnte. Es stellte sich heraus, dass ein abgebrochener Pfeil im Küken steckte, der durch das flauschige Federkleid nicht auf den ersten Blick aufgefallen war. Die Machart der Pfeilspitze deutete auf zwergische Schmiedekunst hin – auf also auf Wilderer, nicht auf Riesen. Wilderer... Welche Personen würde sonst weit in die Moore ziehen und auf wehrlose Eulenkinder schießen? Küken waren keine Bedrohung. Wahrscheinlich hatten die erwachsenen Schnee-Eulen die Angreifer vertrieben, waren ihnen aber schlussendlich selbst zum Opfer gefallen, sodass das Küken mit seinem Schicksal alleingeblieben war. Diese Erkenntnis machte Bard wütend. Mit einem Mal war er sich sehr sicher, dass er hier und jetzt am richtigen Ort war, um zu beweisen, dass ein wahrer Wildhüter in ihm steckte. Bard sammelte Heilkräuter, um die Wunde des Kükens zu versorgen (die sich bei Behandlung als nicht lebensgefährlich herausstellte), und begann, es aufzupäppeln. Der junge Vogel begriff schnell, dass Bard ein Freund war, und schien ihn sogar als Elternersatz anzunehmen.
Bard verbrachte Wochen im Moor. Als es schließlich so weit war, dass der junge Vogel (es war ein Weibchen und Bard hatte es Astrid getauft) erste Flugversuche unternahm und schließlich sogar ihre erste eigene Beute schlug, wusste Bard, dass seine neue Freundin über den Berg war. Sie war ihm inzwischen nicht nur sehr ans Herz gewachsen, sondern wich ihm ihrerseits nicht von der Seite. So beschloss er, sie mit nach Hause nehmen. Viele Druiden seines Zirkels und Jäger in der Umgebung besaßen einen tierischen Begleiter und Jagdgefährten… und wäre gefährlich für Astrid, allein in der Wildnis zurechtzukommen, wenn sie keine Scheu vor Zweibeinern hatte. Bard begann, Astrid Kommandos beizubringen, und, da sie inzwischen wieder kräftig und noch einmal ein gutes Stück gewachsen war, auch zu akzeptieren, ein wenig seiner Ausrüstung zu tragen. Nachdem sie erst einmal daran gewöhnt war, war es kein großer Sprung mehr dazu, auch ihn selbst zu tragen. Abenteuerlustig wie Bard war, wollte er versuchen, auf Astrid zu reiten. Nach einigen holprigen Versuchen und Stürzen (zum Glück nur in matschige Tümpel und nicht auf Felsen), hatten Bard und Astrid den Bogen heraus. Der Zeitpunkt, heimzukehren, war gekommen.
Bard flog auf Astrids Rücken über das Moor und es war ein fantastisches Gefühl, die Welt aus ihrer Perspektive zu sehen. Daheim hatte man ihn schon sehnlichst erwartet und sich Sorgen gemacht. Da Grimur auf Bitten von Bards Familie die Omen nach dem Wohl ihres Sohns und Bruders befragt hatte und diese seine Rückkehr prophezeit hatten, hatte allerdings niemand nach Bard gesucht, als er so lang verschwunden blieb. Dass er nicht nur unversehrt, sondern auch auf dem Rücken einer Eule zurückkehrte, sorgte im Dorf für großes Aufsehen. Bard erklärte, dass er Astrid durch Wilderer verletzt und elternlos aufgefunden und sich ihrer angenommen hatte. Man beschloss, dass er seine Aufgabe, sich als Wildhüter zu beweisen, mit Astrids Rettung erfüllt hatte. So feierte man ein großes Fest für Bard, zu dessen Höhepunkt man ihn zum Mann erklärte. Aufgrund seiner fliegenden Rückkehr gab man ihm den Namen „Windwärts“ und Grimur überreichte Bard als Symbol für das Ende seiner Lehrlingszeit einen magischen Schutztalisman, den der alte Druide eigenhändig aus einer mit Ranken und Blättern gravierten Riesen-Schnee-Eulenkralle gefertigt hatte. Seitdem hat Bard diesen Talisman nicht abgelegt.
Als vollwertiger Mann und Druide begann für Bard ein neuer Lebensabschnitt. Nun kamen die Leute zu ihm, wenn sie Rat und Hilfe brauchten, und er suchte sich eigenständig Aufgaben, statt einem anderen Druiden des Zirkels zu assistieren. Bard verbrachte viel Zeit in den Mooren oder durchstreifte das Farmland oder die äußeren Ausläufer des Grungir-Waldes, sofern die Fey seine Anwesenheit tolerierten. Astrid blieb dabei immer in seiner Nähe. Sie jagten und lebten zusammen. Bard wachte darüber, dass die Siedler, Holzfäller und Jäger nicht über die Stränge schlugen, und versuchte zu vermitteln, wenn es zu Zwischenfällen zwischen Siedlern und Fey kam. Der zentrale Ort in Bards Alltag war jedoch der alte Steinkreis, dessen mysteriöse Energie ihn anzog. Mit der Zeit erkannte Bard, dass nicht nur die Umgebung und Lebewesen ihre eigene Präsenz besaßen, sondern dass sich Gedanken und Gefühle auch in Gegenständen ablagern konnten, die dann ihre eigene, ganz bestimmte Resonanz erhielten, und sogar mit anderen Resonanzen interagierten. Solche Gegenstände mussten keine besonderen oder magischen Gegenstände sein… viel wichtiger war der ideelle Wert, den sie für ihren Besitzer gehabt hatten oder welche Emotionen er durchlebt hatte, während er sie benutzt hatte. So konnten Gegenstände auf ihre Weise Geschichte speichern – aber auch Ley-Energie, wenn man sie aktiv dort hineinlenkte. Bard lernte, diese speziellen Eigenschaften zu erkunden, indem er sich auf die Ley-Energie konzentrierte, und wurde auch besser darin, die in der Umgebung oder in Gegenständen gespeicherte, mysteriöse Kraft abzuleiten und in gelenkten Bahnen freizusetzen. So boten jede Umgebung und jeder Gegenstand eigene Möglichkeiten und Kräfte.
Immer noch tief fasziniert davon, wollte Bard mehr über die Ley-Energie erfahren als seine Druidenkollegen ihm verraten konnten. Eines Tages brach er zu einer langen Reise auf, die ihn und Astrid, an der Linie entlang, gen Süden führte, wo er über die weiten Grasländer und an der Verlorenen Küste entlang bis zur Großstadt Magnimar in Varisia gelangte. Bard fühlte sich nicht wohl dort. Magnimar stank zwar nicht so sehr wie Jol, das Probleme mit dem Abwassersystem hatte, war dafür aber ein ungleich größeres Häusermeer, das bis zum Horizont reichte, und die Natur vollkommen verdrängt hatte. Reichen- und Unterschicht-Bezirke waren getrennt durch eine riesige Klippe, und dominiert wurde Magnimar von einer gigantischen, antiken Brückenruine, die man Irespan nannte – solche Ruinen hatte er überall auf seinem Weg durch Varisia gesehen, und es gab sie auch in Südmoor. Was Magnimar jedoch bot, was Bard in den Landen der Linnorm-Könige lange hätte suchen müssen und weswegen er den Weg auf sich genommen hatte, war eine Vielzahl von Bibliotheken voller Wissen und jede Menge Magiekundige und Gelehrte. Bard vertiefte sich in arkane und historische Schriften, in Folianten über die Ebenen, und fand nur selten einen Hinweis auf Kräfte, die das Gefüge zusammenhielten und überall präsent waren. Die meisten Experten, von denen er annahm, dass sie sich auskennen müssten, wussten nicht, wovon er redete, hielten ihn für einen Spinner oder lachten ihn sogar aus. Da Bard jedoch wusste, dass er keinem Hirngespinst hinterherjagte, gab er nicht auf. Schließlich wurde er in esoterischen Schriften fündig, die genau von dem erzählten, was Grimur Bard beigebracht hatte. Für diese Lektüre wurde Bard in Magnimar noch mehr belächelt als ohnehin schon und er wurde daraus nicht wirklich schlauer, weswegen er schlussendlich Magnimar den Rücken kehrte und heimflog.
Er beschloss, einen anderen Ansatz zu verfolgen. Wenn Bibliotheken und Schriftgelehrte nicht weiterhelfen konnten, konnten es wahrscheinlich andere Steinkreis-Druiden, die andere, vielleicht tiefgehender Erfahrungen mit der Ley-Energie gemacht hatten. Bard brach erneut auf, diesmal um weitere Steinkreise aufzuspüren. Diesmal folgte er der Ley-Linie nach Norden.