Totenstille erfüllt einen Moment die Halle und die meisten Mitglieder der Bande ist die Ansprache offenbar unangenehm. Die meisten streichen sich unsicher über den Nacken, kratzen sich am Hinterkopf und versuchen ja nicht zu Seiren oder gar Danube und Rubki zu schauen. Vor allem Riley und Vero starren förmlich den Boden an und die gesamte Situation scheint ihnen sogar mehr als unangenehm. Aber niemand widerspricht im ersten Moment Seiren und niemand fordert sie heraus, ihre Position bleibt gesichert. Dennoch das ungute Gefühl, welches nur noch stärker wird, als die beiden kräftigen Männer sich mit finsteren Miene erheben, ist immer noch da.
„Wie du willst, Boss.“
Spucken sie das Wort förmlich aus und gehen auf Seiren zu. Rubki hat nichts als einen fast schon mörderischen Blick übrig und setzt fort.
„Aber auf deine Güte können wir verzichten. Wir sind jetzt schon weg, aber keine Sorge wir stellen uns der Verhandlung. Wir stehen dazu was wir getan haben, stehen dazu das es nötig war.“
Danube hingegen schüttelt den Kopf und als sie beide an Seiren vorbeigegangen sind, wirft ihr noch entgegen.
„Ich hoffe du kannst auch auf deinem hohen Ross bleiben, wenn einer von Stonzlachs Leuten Sara windelweich prügelt. Würde zu gerne sehen, ob du dann immer noch solche hohen Töne spuckst. Was immer wir wollen? Scheiß drauf offensichtlich.“
Die beiden verlassen die Halle und lassen Seiren sowie den Rest der Gang zurück. Die fast schon schmerzhafte Stille kehrt zurück und wird ausgerechnet von Kril unterbrochen.
„Was ein anstrengender Tag, Boss. Ruhe dich erst einmal aus und morgen sieht die Arche sicherlich schon besser aus.“
Sara hingegen nickt zuversichtlich.
„Wir stehen hinter dir.“
Verspricht sie, auch wenn kaum einer die Worte wiederholt.
Die Stunde in der Arche schreitet voran und während John und Lulu Calvic noch die Arche zeigen, versinken die ersten Mutanten schon in einem erholsamen Schlaf, dem nach und nach die meisten Bewohner der Arche folgen. Einige Bewohner beäugen zwar das Dreiergespann kritisch, aber nach dem Auftauchen von Xaalis habe sich zumindest einige an den Gedanken gewöhnt, dass Fremde in die Arche kommen. Die kleine buckelige Gestalt entscheidet sich letztendlich für eine etwas morsche Halle ganz in der Nähe des großen Hauptterminals. John und Lulu lassen Calvic nach einer Versicherung seinerseits, dass alles in Ordnung ist, alleine und kehren ebenfalls zu ihren Heimstätten zurück, ehe die Müdigkeit überwältigend wird.
So vergeht eine weitere Nacht in der Arche. Die Kühle der Nacht weicht langsam wieder der Wärme des Tages, als am frühen Morgen sich die Sonne durch den dunstigen Morgennebel schiebt und den neuen Tag ankündigt. Doch noch ist die angenehme Kühle der Nacht vorhanden und belebt die Glieder der Bewohner der Arche, ehe die Hitze wieder alles zu Boden drückt und nach und nach erwachen alle Mutanten und neuen Gäste des Ortes.
Doch an diesem Tag stehen noch große Veränderungen in der Arche vor, Veränderungen deren Auswirkungen Seiren bereits gestern erlebt hat, denn ihre Gang ist geschrumpft, das Vertrauen vielleicht sogar erschüttert. Noch kann sich die Frau jedoch keine Pause gönnen und es stehen noch etliche Punkte auf ihrer Agenda, Grimm, Stonzlach und die Verhandlung. Sie hat keine Zeit zu verlieren und so macht sie sich als Erstes auf den Weg zum Hangar von Grimm. Sowohl um ihre Beteiligung an der Verhandlung festzuzurren als auch einer der Messen beizuwohnen. Zu ihrer Überraschung steht der Hangar zu diesem Zeitpunkt offen und sie kann in das Innere sehen. Die große Halle wird durch eine eingezogene Wand in zwei Hälften geteilt, wobei nur die vordere Teil einsehbar ist. Überall auf dem Boden befinden sich Sitzkissen, während am Ende des Raumes ein merkwürdiges Konstrukt sich erhebt. Es scheint ein Amalgam aus Stahl, Metall und Drähten zu sein. An mehreren Stangen winden sich Drahtkonstrukte mit kleinen Knuppeln entlang und fächern sich baumartig auf. Mehrere von Grimms Schläger überwachen das Innere der Halle, während Ziffer alle Ankömmlinge zur Messe begrüßt, auch Seiren.
„Ich bin erfreut, dass ihr gekommen seid. Die Messe beginnt in Kürze. Nehmt Platz und horcht die gesegneten Worte von Grimm. Sie hat in ihrer Weisheit, obwohl es eine Angelegenheit unter Nichtgläubigen ist, zugestimmt bei der Verhandlung anwesend zu sein, um zu richten.“
Erklärt er und als Seiren ins Innere geht, vernimmt sie einen eigenartigen Geruch, eine Mischung aus verbranntem, Ozon, Öl und Kräutern, und sieht zu ihrer Überraschung ziemlich viele Mutanten aus den verschiedensten Gruppen der Arche. Sie sieht Mitglieder von Scarletts Gang in Form von Renee und Zed, den Chronisten Ignaz, Clara und ein Dutzend andere Mutanten. Weit mehr Mitglieder als Grimms Bande hat. Es scheint als erreiche ihre Nachricht unterschiedlichste Mitglieder der Arche. Sie lässt sich nieder und es dauert nicht lange bis die Messe beginnt. Ein leichter Nebel steigt in der Halle auf, verstärkt den Geruch nach Kräutern, und das merkwürdige Metallkonstrukt am Ende beginnt in den unterschiedlichsten Farben an zu leuchten, taucht die Halle in ein fast schon psychedelisches Lichtspiel, während das Hangartor zufällt und den Ort in schummrige Finsternis taucht. Aus dem Nebel und der Dunkelheit taucht Grimm auf, gekleidet in eine wallende weiße Robe. Um ihren Hals schwingt eine Kette aus Glühbirnen und lassen sie in einem übernatürlichen Licht erstrahlen. Das Gesicht wirkt durch die völlig weiße Hautfarbe fast durchscheinend und geben dem eher pummeligen Gesicht einen himmlischen Glanz. Die schwarzen Haare sind zu einem Dutt gebunden und sie spricht mit einer Stimme, die mehrfach in der Halle widerhallt.
“Ich bin erfreut, dass sich so viele Seelen an diesem Morgen, in dieser schweren Zeit hier eingefunden haben. Darunter auch etliche neue Gesichter, wie ich sehen kann. Seid unbesorgt wir die Gläubigen des heiligen Machinarium stehen immer zusammen gegen die Nichtgläubigen, welche ein weiteres Mal bewiesen haben, dass sie nur von Gewalt getrieben werden. Ich hoffe inständig, dass auch sie noch das Licht erblicken und in unseren Schoss einkehren. Doch bis dahin müssen wir für sie beten und hoffen den Pfad zur Erlösung zu beschreiten, bevor sie unsere Welt vernichten. Genau aus diesem Grund habe ich um euer aller Hilfe gebeten, um die Brücke, welche uns von der Welt isoliert wiederherzustellen, um endlich eins mit der Welt zu werden und die gesegneten Teile des Machinariums zu bergen. Ein Recht, das uns der Älteste verwehrt hatte, eine Pflicht und eine Chance, die er uns am liebsten für immer nehmen wollte. Aber wie die Sonne eine feste Konstante in unserem Leben ist, so sind wir alle ein Teil eines größeren Ganzen, ein Teil einer noch unergriffenen Einigkeit, eine Verbindung zu höheren wie niederen Ebenen, die wir nun wiederherstellen wollen. Nur so können wir das Paradies zurück bringen und das große Artefakt zum Leben erwecken, nur so können wir unser Potential voll ausschöpfen und alle Probleme lösen, die uns plagen.“
Erklärt sie voller Inbrunst und viele hängen an ihren Lippen, während sie durch die Halle schreitet und bei Renee und Zed stehen bleibt.
“Seien es die Probleme der Fruchtbarkeit...“
Sie läuft weiter zu Clara.
“...der Erkrankung...“
Und endet beim Chronisten.
“...oder der Unwissenheit. Wir alle können gemeinsam ein großes ganzes werden, etwas das mehr ist als die Summe seiner Teile und gemeinsam das geistige Potential aller erwecken. Der Älteste hat uns das Leben und das Geschenk unserer Kräfte gegeben, doch nun müssen wir mehr daraus machen und ein Teil dieser Welt werden, unseren Platz finden und das Paradies zurückbringen. Dafür stehen wir alle hier und davon kann ein jeder hier ein Teil werden.“
Sie kehrt zurück zu dem Stahlkonstrukt, welches wohl eine Art Altar sein soll.
“Doch bevor wir das erreichen können, muss ein jeder Teil unser Gemeinschaft werden. Lasst uns die Liturgie rezitieren und die Lehren der Verschmelzung näher kennen lernen.“
Wirft Grimm in den Raum und der folgende Gottesdienst besteht aus dem Rezitieren von Gebeten und Lieder über Gemeinschaft, der Erschaffung eines Paradieses und einem merkwürdigen Artefakt namens Geck. Die gesamte Veranstaltung hinterlässt einen zwiegespaltenen Eindruck, auch weil viele der Konzepte Seiren fremd sind, aber irgendwie verspürt die Veranstaltung auch eine gewisse Friedlichkeit und Ruhe, ein Gefühl für Gemeinschaft. Es folgt eine Predigt darüber, dass das Fleisch alleine schwach ist und die Zukunft aller nur in der Nutzung und Erschließung von Artefakte ist. Eine heilige Aufgabe aller Mitglieder der Gemeinschaft, die jedes gefundene Artefakt zu Grimm bringen soll, damit diese es erwecken und für die Schaffung des Paradieses nutzen kann. Die Zeit verfliegt in der Messe nur so und als sie endet, verschwindet Grimm wieder in der hinteren Halle, während Seiren einen Moment fast geblendet wird, als das Hangartor wieder geöffnet wird und die Sonne hereinstahlt. Viele der Zuhörer unterhalten sich aufgeregt und wirken glücklich, erfüllt. Nach und nach strömen sie aus der Halle und als alle sie verlassen haben wird das Tor wieder geschlossen.