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Autor Thema: Der Weihort  (Gelesen 131171 mal)

Beschreibung: Die Seuche von Ansdag

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Lîf

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Der Weihort
« Antwort #945 am: 13.05.2021, 11:24:45 »
Schweigend – sie zwingt sich offensichtlich dazu – verfolgt Lîf, wie der Dämon sie fortwährend verspottet. Nur in ihren Augen leuchtet weiterhin verbissen die wortlose Drohung gegen die Wesenheit. Fast scheint es, als versuche die sonst gelegentlich sehr impulsive und reizbare drudkvinde Ruhe und Kraft aus dem Erdreich selbst zu ziehen, wie sie endlich die Augen schließt, ihre Füße leicht gespreizt fest auf den Boden stellt und einige Male tief ausatmet. Dann wendet sie sich mit einem Ruck dem Gang hinter dem Gitter zu und macht sich sofort daran, bei der Befreiung der Eingesperrten zu helfen, sie nach draußen zu geleiten und ihnen Trost zuzusprechen, insbesondere denen, die sich stark eingeschüchtert zeigen. Mit einem kaum merklichen Nicken registriert sie, wie Uther bereits beginnt, sich als Anführer und Organisator zu betätigen. Einer, der sich um sie und ihren Schutz kümmert, ist wohl das, was ihnen im Moment am besten hilft, die Schrecken seit ihrer Verschleppung zu überwinden.

Vollends konzentriert scheint der Rotschopf schließlich bei der Durchsicht von Merles Hexenküche. Alle Fläschchen, soweit vorhanden auch Minerale und sonstigen Ingredienzien, die ihr interessant oder gar in falschen Händen gefährlich vorkommen, landen nach kurzer Betrachtung in den unzähligen Taschen ihrer Kräutersammlerinnenschürze. Den Kessel hingegen begutachtet sie sehr eingehend, fährt mit den Fingerkuppen bewundernd alle Unebenheiten und Verzierungen nach, ehe sie ihn vorsichtig in ein Tuch wickelt und in ihrem Reisebündel verstaut. Etwas länger beschäftigt sie sich noch am Boden kniend mit den Resten des verschütteten Tranks, den sie zunächst an Geruch, Farbe und Konsistenz anhand ihrer Erfahrungen einzuschätzen versucht, um bei Misserfolg ein wenig davon mit einem hölzernen Schaber oder ähnlichem in ein leeres Fläschchen zu befördern.

Auch bei den milchigen Glasscherben wird sie erst versuchen, sich ein Bild zu machen: Wie könnte der Gegenstand wohl ursprünglich ausgesehen haben, der hier zerbrochen wurde? Enthielt er etwas, und wenn ja, was? So sie zu keinem klaren Ergebnis kommt, wird sie auch hier einige Scherben in ein Tuch wickeln, um sie aufzubewahren. Sobald sich zu einem späteren Zeitpunkt die Gelegenheit ergibt, in Ruhe mit ihren Begleitern zu reden, wird sie ihren Stolz überwinden und zugeben, dass sie das Lesen wie die meisten Menschen nicht erlernt hat – verbunden mit der Bitte, wer dieser Kunst mächtig sei, möge ihr die Aufschriften vorlesen. Rogar bekommt die Scherben und die gesicherten Reste des verschütteten Tranks gezeigt, um (wenn auch mit dem natürlichen Misstrauen einer Kräuterkundigen in der Tradition mündlicher Überlieferung weiser Frauen gegen den quasi-akademischen Zugang der Zwerge zu diesen Themen) seine Meinung zu den Fundstücken zu hören.

Zu Uhters an sie gerichteten Worten nickt sie gemessen, wobei man durchaus bemerken kann, wie ein Hauch von Schmerz über ihre Züge huscht. "Ich danke und rechne Euch hoch an, dass Ihr Euer Bedauern ausdrückt, hoher Herr. Doch trifft Euch letztlich nicht die eigentliche Schuld. Ihr selbst wart das Opfer von Hexerei, die aus dem Zorn Eures Weibes und vielleicht auch aus ihr zuvor angetanem Unrecht geboren war. Was mich betrifft, so habe ich nur eine Bitte an Euch: Kümmert Euch um jene, die nun zu Euch aufschauen. Sie brauchen einen Mann, der Ihnen Sicherheit gibt, indem er sie schützt und die nötige Autorität ausstrahlt, auch wenn er in seinem Herzen selbst noch mit Zweifel und Schuldgefühlen ringt. Ihr wart einem ein Sohn, der in den Schoß der Großen Mutter zurückgekehrt ist – nun seid Ihr vielen ein Vater. So ist der Lauf der Dinge."

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #946 am: 13.05.2021, 15:04:21 »
"Den Kupfertopf dürft Ihr gerne haben", merkt der Fürst an, als Lîf genau diesen in ihrem Reisebündel verstaut. "Darin hat Merle ihre ganzen Tränke gebraut. Sie hat sich wirklich gut darauf verstanden, stärkende und heilende Tinkturen zu brauen. Andere hat sie gekauft und gesammelt. In Jongot war das wohl ihre Aufgabe. Dort ist das eine wichtige Aufgabe. Die Armee hat ganze Kammern von dem Zeug. Vor wichtigen Schlachten erhält selbst der einfache Soldat ein oder zwei solcher Tränke. Leider kenne ich mich nicht gut damit aus. Falls es darin eine Ordnung gibt..." Er zuckt mit den Achseln um anzudeuten, dass er diese gewiss nicht kennt.

"Vielleicht kann ich da helfen", meldet sich Freydis, und beginnt interessiert die Etiketten zu lesen. "Aber so lange lässt du sie besser im Regal stehen, Lîf!" mahnt sie. "Wenn du sie durcheinanderbringst, wird's nur schwerer, die Ordnung zu erkennen. Lass uns erst einmal in Ruhe schauen, was das wohl so alles ist." Sie scheint vergessen zu haben, dass sie noch vor wenigen Augenblicken nicht abwarten konnte, an die frische Luft zu kommen.

Der Dain tritt ebenfalls heran.

Aeryn wühlt unterdessen in dem Stapel an Schriften und zieht zielsicher ein kleines Büchlein heraus, dass sich als Merles Tage- und Rezeptbuch erweist. Einträge der letzten Jahre überfliegend, findet die Elbin Antwort auf etliche Fragen. Die wichtigsten Passagen liest sie laut vor.[1]

Die Frage nach dem Warum etwa, welche Uther plagt, kann Aeryn aufklären: Ja, Merle hatte gezielt sowohl den Abt als auch Fürst Soren aus dem Weg haben wollen, teils weil die beiden sie plagten. Fürst Soren etwa könnte seine Finger einfach nicht bei sich lassen, er nutzte jeden noch so erzwungenen Vorwand, das junge Weib seines Sohnes zu betatschen. Und der Abt war eine ständige Gefahr, nicht nur für sie, sondern für alle Frauen der Gegend, einschließlich der Bachschwestern oder Uthers Schwester Solveig.

Zum anderen ertrug Merle auch nicht, dass ihr Gatte immer so herabgesetzt wurde. Dass er sich nicht kümmern durfte, sein Tatendrang erstickt wurde. Dass die Arbeit liegenblieb. Dass die Räuberplage nicht vertrieben wurde. In Jongot, ja, da wäre Uther längst Fürst, das gibt es dort nicht: einen alten, kranken Mann auf solch wichtigem Posten. Drittens aber wird auch deutlich, wie unzufrieden Merle mit ihrer Stellung ist. Das hatte sie sich anders vorgestellt, als sie einen Fürstensohn heiratete. Sie wollte endlich, dass er Fürst ist – und sie Fürstin.

Eine Tendenz wird deutlich: die früheren Einträge klingen menschlicher, es überwiegt die Sorge um Mann und Mitmenschen; spätere Einträge werden immer eigensüchtiger, gieriger, aber auch konfuser. Seiten werden verschwendet mit wirrer Hassrede. Absurde Vermutungen angestellt. Von allen Seiten schien Merle sich plötzlich bedroht gefühlt zu haben, überall böse Absichten, gar Komplotte zu vermuten.

Eine zweite Frage wird beantwortet, als Aeryn noch ein wenig weiter zurückblättert, bevor Merle nach Fersland kam. Dort beschreibt die junge Frau, wie schwer sie sich tat, ihre magischen Kräfte beherrschen zu lernen, wie schlechter und schlechter es ihr ging, wie sie schiert verglühte, wie sie schon fast den Flammen des Feuernetzes hingeben wollte.... Niemand hatte da´mals gewusst, wie ihr helfen! All die Lehrer, die Vater anschleppte – nutzlos! Aber dann hätte sie selbst (ganz heimlich!) einen Lehrmeister gefunden, der sie vor dem Schlimmsten bewahrte, der sie an die Hand nahm, sie aktiv unterstützte, nicht nur mit Worten... ihr einen Teil der Bürde nahm, das ihr nur so viel blieb, wie sie schultern konnte... dass sie endlich wieder Luft bekam... ein Ding nach dem anderen lernen konnte, nicht alles zugleich...

Nach einer geraumen Weile des Suchens und Entdeckens verkünden knurrende Mägen schließlich, dass der Tag sich bereits seinem Ende zuneigt.

"Lasst uns eine Rast einlegen", schlägt Uther vor. "Eine Mahlzeit, ein Bad, ein guter Nachtschlaf wird uns allen guttun. Das alles hier wird morgen immer noch daliegen."

"Unbedingt", pflichtet Freydis ihm bei. Und ganz undamenhaft: "Ich könnte einen ganzen Ochsen vertilgen."
 1. Perception = 21

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #947 am: 14.05.2021, 12:48:14 »
Aeryn übergibt Uther die Schriften von Merle, nachdem sie alles vorgelesen hat, was ihnen im Moment Aufschluss über ihr Handeln geben konnte.

"Sie muss sich sehr auf ihr Ziel versteift haben, eine mächtige Fürstin zu werden. Diesen Hang der Menschen nach Macht werde ich wohl nie verstehen. Was bringt es, wenn eine einzelne Person viel Macht besitzt, wenn darunter die Gemeinschaft oder gar das ganze Volk leidet. Aber wenn ich diese Aufzeichnungen richtig deute, muss Merle schon früh in Kontakt mit dämonischen Kräften geraten sein. Dieser Lehrmeister von dem sie schreibt. Das klingt für mich entweder nach einem Dämon selbst, vielleicht sogar der, den wir am Ende gesehen haben, oder zumindest nach jemandem, der sie mit dämonischen Einflüssen korrumpiert hat. Aus ihrem Ergeiz und ihren Ambitionen ist dann etwas viel Schlimmeres erwachsen. Es tut mir sehr leid, Uther. Jetzt obliegt es euch, es besser zu machen."

Dann stimmt sie dem neuen Fürsten zu. "Eine Pause und ein gutes Essen kann wirklich nicht schaden."

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #948 am: 14.05.2021, 14:14:42 »
"Ja, es klingt, als hätte sie den Dämon aus Jongot mitgebracht", pflichtet Freydis der Elbin bei.

Uther zögert, dann nimmt er das gereichte Notizbuch mit spitzen Fingern und angwiderter Miene entgegen und lässt es zurück auf den Tisch fallen.

"Macht ist nutzlos, wenn weder Plan noch gute Absicht dahinterstecken, wie man Sippe und Gemeinde voranbringen kann. Umgekehrt sind auch alle Pläne, alle guten Ideen nichts wert, wenn die Macht dahinter fehlt, sie durchzusetzen. So taugt das eine nichts ohne das andere. Das wird auch bei euch Elben so sein. Oder tut bei euch jeder, was er will? Das wäre dann auch keine Gemeinschaft."

Er wirft einen letzten Blick durch den Raum, doch kommt zu dem Schluss: "Erst eine Stärkung."

Nachdem Tristan vorläufig in dem Verschlag untergebracht ist und dort zusätzlich an das Gitter gefesselt wurde – damit er sich nicht etwa selbst schaden könne, oder vielmehr der Dämon ihn, wie Rogar pragmatisch, aber wenig diplomatisch erklärte – geleitet der Hausherr die erschöpften Gefährten nach oben, dort zunächst zu einer Waschgelegenheit, dann ruft er sie zu einem Mahl in den Speisesaal, in welchem man zuvor Kjartan beim Eintopf-Löffeln antraf. Der Eintopf allerdings ist, sehr zu Kjartans Bedauern, bereits von dem befreiten Gesinde verspeist worden, sodass für die Zuspätgekommenen nun Brot, Käse, Kompott und Obst genügen muss.

Sobald der erste Hunger gestillt ist, kann Freydis endlich mit ihrer Geschichte von Harald, dem Unverzagten fortfahren.

"Harald Zwartjod also kämpfte vor über drei Jahrhunderten fast 20 Jahre lang an Javruds Seite gegen die Dämonen. Und nach dreizehn dieser zwanzig Jahre sei er, oder so erzählte er nach seiner Rückkehr daheim in Albion, von einem Dämon besessen worden, als er schwer verwundet auf dem Schlachtfeld lag und eigentlich auf sein Ende wartete. Anders als in Tristans Fall ahnte aber zunächst niemand, was passiert war, und so  wurde er von den Feldschern versorgt und gesundete. Weshalb der Dämon, der die komplette Kontrolle über seinen Körper hatte, um ein Haar entkommen sei, wobei Harald selbst bloß dumm habe zuschauen können. Schon fast war es dem Dämon gelungen, sich davonzuschleichen, da sei er aber Javrud mit einigem Gefolge begegnet. Javrud habe immer ein Amulett um den Hals getragen – ja, du ahnst es, in Form eines Reifkreuzes, mit einem milchigen, alles andere als hübschen Edelstein besetzt -  von dem sich nun herausstellte, dass es offenbar magisch war, denn als Javrud in Haralds Nähe kam, da leuchtete es plötzlich auf, und sofort wies Javrud seine Männer an, Harald zu ergreifen. In Ketten verbrachte er den restlichen Tag und wurde wohl recht arg verhört. Gefoltert, aber auf keine Weise, die Harald bekannt war. Javrud... irgendwie hatte er eine Methode, wie er den Dämon verletzen konnte, ohne Harald zu verletzen. Dazu musste er ihn nur böse angucken und ein weiteres Amulett über ihn halten, während weitere seltsame Gegenstände in einem Kreis um sie beide herumplaziert waren und irgendwas kaltes an Haralds Schläfen drückte... und damit konnte Javrud irgendwie mit dem Dämon ringen, im Geiste zwar nur, aber so heftig wie ein echter Ringkampf. Für Harald war das auch nicht so angenehm, denn er war zwar nicht aktiv beteiligt, sondern er war das Schlachtfeld selbst.

Falls ihr euch über die Details wundert, Harald hat das ganze aufgeschrieben. Er hat in seiner Zeit in Jongot nämlich auch das Schreiben gelernt, angeblich vom Propheten selbst, aber das ist möglicherweise jetzt bloß Angeberei.

Als Javrud sich sicher war, von dem Dämon nicht mehr erfahren zu können, befestigte er ein drittes Amulett direkt auf Haralds entblößter Brust, oder zumindest war es ein kalt-metallisches rundes Ding mit einer Fassung, in welche Javrud jetzt einen faustgroßen, milchweißen Kristall steckte. Und dann... legte er Harald eine dicke Decke übers Gesicht und drückte sie lange, bis Harald die Luft verging und ihm die Sinne schwanden. Zu seinem allergrößten Erstaunen erwachte er aber irgendwann später, als er selbst. Javrud hielt den Kristall hoch, welcher nun schwarz wie Schatten war, und erklärte: dies sei ein Seelenstein. Darin könne man Dämonen (oder auch jede andere Seele) auf immer binden. Dazu müsse man den Stein lediglich mit der bloßen Haut des Besessenen in Berührung bringen, ohne dass der Dämon ihn abschütteln könne, und den Wirtskörper ersticken. Aus dem toten Körper könne der Dämon dann von dem Seelenstein aufgesogen werden, bis nichts mehr von ihm im Wirtskörper verbleibe. Dann müsse man den Wirtskörper nur neuen Atem in die Lunge blasen, und womöglich das Herz durch Schläge wieder in Gang bringen, und die Person sei wieder sie selbst.

Aber was wurde aus dem Dämon danach? fragte Harald. Ja, das sei ein Problem. Man müsse den Stein gut aufbewahren. Lässt man ihn etwa auf felsigen Boden fallen, zerbricht der Kristall und der Dämon kommt frei und kehrt zu der Horde zurück. Schlimmer noch, dass ein Unwissender einen solchen Kristall in die Hände bekäme, also wörtlich: ihn mit den bloßen Händen berührte und sich damit den Einflüsterungen des Dämons aussetze. Denn der Dämon kann zu dem, der den Kristall berührt, im Geiste sprechen. Und je mehr derjenige lauscht, desto mehr Einfluss kann der Dämon nehmen, und wenn er dessen Willenskraft schließlich gänzlich überwunden hat, dann kann er gar in denjenigen einfahren. Deshalb sei es enorm wichtig, die gebrauchten Kristalle so gut zu verstecken, dass niemand sie je fände, außer solchen, die speziell zur Bewachung auserkoren wurden und das nötige Wissen besäßen.

Das hieße also, fragte Harald, dass es wirklich keinen, nicht einmal einen magischen Weg gebe, einen Dämon zu zerstören? Doch, erwiderte Javrud, man könne einen Dämon, der in einem Seelenstein gefangen wurde, durchaus töten, aber dazu bräuchte es neun erfahrene Zauberwirker seines eigenen Volkes, ginge also weit über seine wie auch über Menschenkraft. Vielleicht, wenn eines Tages doch einmal ein Schiff der Luonnatar nach Dalaran käme – wenn seine Heimat selbst nicht inzwischen von den Skoll-Hati, wie die Dämonen bei ihnen hießen, überrannt worden war – also, wenn ein solches Schiff käme, dann könne man die Dämoneplage hierzulande mit Leichtigkeit besiegen. Bis dahin aber müsse man sich hier eben selbst helfen.

Warum man nicht mehr oder gar alle Besessene mithilfe eines Seelensteines befreien könne, fragte Harald darauf, und Javrud erwiderte, leider besäße er nur sehr wenige davon, und da er den Dämon darin ja aus eigener Kraft nicht zerstören könne, ist jeder Seelenstein nur das eine Mal von Nutzen. Darüber hinaus gebe es nur zwei weitere Arten, einen Besessenen zu befreien: ihm ein Messer ins Herz zu rammen oder einen anderen Wirtskörper zum Tausch anzubieten, wobei sich beide willig auf diesen Handeln einlassen müssen, der Wirtskörper insbesondere auch kein alter oder kranker Mann sein dürfe, was der Dämon ablehnen würde, oder ein verurteilter Verbrecher, weil dieser sich dann dagegen wehren würde. Eine letzte Möglichkeit gebe es noch, aber von dieser würde Javrud auch zu Harald nicht sprechen, denn sie verführe selbst den stärksten Geist zu Missbrauch ihrer Selbst. Er selbst habe sie in all der Zeit erst zweimal angewandt, in höchster Not.

Wie viele Seelensteine Javrud denn noch besäße, fragte Harald schlussendlich noch, und wo er sie verwahrte. Zu wenige, antwortete Javrud, an einem Ort, an dem nur ich sie finden kann."


Erschöpft macht Freydis eine Pause, dann fügt sie mit einem Seufzer noch hinzu:

"Ihr seht, für uns hat das alles keinen praktischen Nutzen. Den Rest seines Lebens hat Harald nach diesen Seelensteinen geforscht, wie auch nach Mitteln und Wegen, einen Dämon zu töten, und auch nach der vierten, von Javrud nur angedeuteten Weise, einen Besessenen zu befreien. Und auch wenn Harald wegen dieser seiner "Unverzagheit" zu Nachruhm kam und heute noch als Schutzpatron aller Suchenden gilt, der Preis dafür war, wenn ihr mich fragst, zu hoch: wahnsinnig ist der gute Harald darüber geworden. Und nur auf letzteres glaubt er eine Antwort gefunden zu haben, aber seine Schriften aus der Zeit lesen sich schon so wirr, dass ich nicht weiß, wieviel man davon glauben darf. Aber gut, erzähle ich auch das noch rasch, doch mit dem warnenden Hinweis: möglicherweise ist dies der Phantasie eines Wahnsinnigen entsprungen.

Harald glaubte also, Javrud besäße noch ein weiteres magisches Artefakt, mit welchem es möglich sei, einen Dämonen von einer Person in eine andere zu zwingen. Die Gefahr des Missbrauchs ist offensichtlich: zunächst wendet man dies vielleicht nur auf den besonders verdienten Kämpfer an und zwingt den Dämon in den Körper eines zu Tode verurteilten Schurken. Doch wie lange, bis man Leute für geringe Verbrechen zum Tode verurteilt, nur um einen Besessenen, den man für mehr wert erachtet, zu befreien? Kein Wunder sei dies eine Lösung, die Javrud 'gar nicht schätzte', auch wenn sie in seltenen Fällen, wenn besonders viel auf dem Spiel steht, 'notwendig sein könne'...

Also, das war jetzt alles, was ich über Harald weiß. Die Schriften habe ich selbst gelesen, aber wie gesagt, besonders gegen Ende hin zeigt sich bereits deutlich der Wahnsinn. Und wie uns das mit Tristan weiterhelfen soll, weiß ich auch nicht. Wenn Harald in dreißig Jahren keinen von Javruds Seelensteinen gefunden hat... Und wer weiß, vielleicht hat Javrud ja auch vor seinem Ableben alle verbraucht... Immerhin, er starb in der Schlacht, also unverhofft, mitten in seinem Werk, nicht als bettlägriger alter Mann in Erwartung seines Endes... Vielleicht... aber... wo die Suche beginnen? In Jongot? Hier? Irgendwo dazwischen? Nach Jongot kommt man gar nicht so leicht rein dieser Tage, jedenfalls nicht, ohne auf der Stelle zwangsrekrutiert zu werden... ich weiß da wirklich keinen Rat..."


So schließt Freydis recht hilflos.[1]
 1. So, jetzt endlich, das war das Ergebnis zu Freydis' Wurf zu Wissen (Geschichte) = 22. Frei heraus und an einem Stück.

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #949 am: 15.05.2021, 11:36:57 »
Äußerlich ruhig hat sich Lîf den langen Vortrag angehört. Gelegentlich nur hat es in ihrem Gesicht gezuckt, doch ansonsten kann man allenfalls ahnen, was in ihr vorgeht angesichts der Tatsache, das hier das Schicksal ihres Mannes geschildert wird (auf dessen gute Unterbringung sie geachtet hat, ihn wohl auch gewaschen und mit Essen versorgt, obgleich man ihrem Verhalten nach annehmen darf, dass der Dämon in ihm Ziel eines Hasses ist, der nun beständig unter der Oberfläche schwelt, statt sich wie sonst von ihr gewohnt in direkten Reaktionen zu entladen). "Es gibt also verschiedene Wege, dieses Ding loszuwerden, aber nur einen einzigen akzeptablen" schließt sie mit finsterem Blick. "Denn weder werde ich dulden, dass Tristan das geringste angetan wird, noch dürfte ein Monstrum wie dieser Dämon einer anderen Seele aufgezwungen werden, und sei sie noch so befleckt durch Schuld – selbst wenn die Möglichkeit zu Gebote stände."

Sie beißt die Zähne fest zusammen. "Aber ich werde herausfinden, wie ich ihn von der Kreatur befreie, und dann werde ich es tun, und wenn es mein gesamtes Leben dauern sollte! Die Große Mutter ist meine Zeugin." Nachdem sie eine Weile völlig reglos mit geschlossenen Augen dagesessen hat, fügt sie murmelnd hinzu, an niemand bestimmten im Raum gerichtet: "Natürlich... wenn sonst niemand Hilfe weiß, Sie ganz gewiss! Es ist Ihre Weisheit, die man suchen muss... nicht die der Menschen. Ich werde um Ihre Hilfe bitten." Es ist schwer zu beurteilen, wie weit hier ein trotzig beschworener Glaube aus ihr spricht oder tatsächliche Überzeugung, doch auf jeden Fall scheint sich der Wut auf den Dämon nunmehr nicht mehr Verzweiflung beizugesellen, sondern eine überraschend große Entschlossenheit.

Aeryn

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Der Weihort
« Antwort #950 am: 15.05.2021, 12:20:08 »
"Das stimmt, Uther. Man braucht sowohl den Willen als auch die Befähigung dazu, ihn durchzusetzen. Und natürlich tut bei uns nicht einfach jeder was er will, sondern jeder tut was notwendig ist. Und es gibt zwei Arten von Macht. Einmal die Stärke selbst, das Durchsetzungsvermögen, die Fähigkeit, etwas zu bewegen. Und dann gibt es das Gefühl der Macht, über anderen zu stehen, etwas Besseres zu sein. Letzteres war es wohl, was Merle am Ende getrieben hat, fürchte ich, auch wenn da anfangs vielleicht auch noch der Wunsch war, etwas zu bewegen."

Rogar, Apothekarius

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Der Weihort
« Antwort #951 am: 16.05.2021, 09:12:59 »
Nachdem Rogar bei der Befreiung der Diener und deren Versorgung geholfen hat, wendet er sich dem Nachlass von Merle zu. Er wertet sowohl das Geschriebene[1] als auch die Tränke[2] aus, zumindest, was sich ungefährlich identifizieren lässt. Das Angebot von Uther nimmt er gerne an und bedankt sich: "Das wird uns eine Hilfe sein. Wir werden die Dinge einer guten Verwendung zuführen." Er übersieht den dezimierten Rest von Uthers Haushalt und äußert sein Mitgefühl: "Werdet ihr mit dem verbliebenen Personal zurande kommen? Um die Räuber werden wir uns kümmern, aber es wird auch eine Zeit danach kommen." Die weitere psychische Betreuung überlässt er denen, die geeigneter scheinen.

Dem kurzen Austausch über Macht, Regieren und geiegnetes Personal hört er zwar interessiert zu, unterlässt es diesmal jedoch, die anderen an der Weisheit seines Volkes teilhaben zu lassen. Für den Moment gibt es um zuviel anderes zu kümmern. Dem Wunsch nach Rast und Versorgung schließt er sich zustimmend schweigend an. Er lauscht Freydis Geschichte und dankt ihr, schließlich ist es wichtig, von den Vorvätern zu lernen: "Ganz im Gegenteil, Frau Redwaldsdottir! Ihr habt uns doch ein Lösung und damit eine Hoffnung gegeben. Wir müssen uns nur auf die Suche nach einem solchen Stein oder etwas Vergleichbares machen. Außerdem sollte es noch Meister geben, die solche Steine herstellen können. Oder das Wissen um den Herstellungsprozess muss einfach wieder geborgen werden." Lif sichert er trotz allem seine Unterstützung zu.
 1. Wahrnehmung 16
 2. handwerk (Alchemie) 13

Abdo al'Mbabi

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Der Weihort
« Antwort #952 am: 16.05.2021, 19:00:18 »
"Nur?" antwortet Abdo auf Rogars Tatendrang. "Versteh mich nicht falsch, ich werde Lîf mit allen Kräften helfen, Tristan zu befreien. Doch wie Freydis schon sagte: Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, wo dieser Javrud die Steine verwahrt haben könnte. Es liegt über drei Jahrhunderte zurück!
Aber diese Seelenkristalle erinnern mich an ähnliche Artefakte aus meiner Heimat. Die höchsten meines Ordens konnten diese Kristalle nutzen, um ihre Geisteskräfte noch besser zu fokussieren als sie es ohnehin schon konnten. Und selbst sie schafften es nur unzuverlässig, die Shetani aus Besessenen zu vertreiben. Vielleicht war es eine andere Methode, die sie anwandten, doch wenn sie es wagten, ein solch gefährliches Unterfangen einzugehen, dann scheiterten sie in der Hälfte der Fälle - mit tödlichem Ausgang.

Was ich damit sagen will: Selbst wenn wir es schaffen, einen solchen Seelenkristall zu finden, bedarf es noch einer überaus mächtigen und willensstarken Person, um den Dämon tatsächlich aus Tristans Körper zu vertreiben."


Abdo sah sich um und bemerkte, wie seine Worte nicht gerade zum Optimismus beitrugen.
"Lîf!" sprach er deshalb und hielt beide Arme nach vorne ausgestreckt, wie es bei seinem Volk Brauch ist, wobei die Linke eine Faust bildete und die Rechte das Handgelenk umfasste.
"Ich, Abdo al'Mbabi, Krieger des Ordens von Ekdal, schwöre bei Aris, dem einen, wahren Gott, dass ich dir bei deiner Suche nach Tristans Rettung zur Seite stehe, solange du mich an deiner Seite haben willst." spricht er feierlich und fragt sich, ob er sich damit für den Rest seines Lebens gebunden hat. Doch es ist eine gute Sache, und sie kommt dem Auftrag, mit dem er hierher geschickt wurde, näher als alles andere, was er hier bisher angetroffen hat. Wenn sie tatsächlich einen solchen Seelenstein finden könnten, und womöglich sogar herausfänden, wie sich weitere herstellen ließen, wäre es ein großer Sieg gegen die Shetani - selbst wenn er nie mehr in seine Heimat zurückkehren würde können.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #953 am: 16.05.2021, 21:42:01 »
"Herstellen?" entfährt es Freydis spöttisch. "Wenn das so einfach ginge, wieso hat Javrud dann keine hergestellt?" Sie überlegt kurz und schränkt dann ein: "Gut, ich weiß ja auch bloß, wie man einen Streitkolben schwingt, aber sollte ich einen herstellen, stünde ich so ratlos da wie der Bock vor den hungrigen Zicklein. Trotzdem... ich kann mir nicht vorstellen... überhaupt, ohne die geringste Ahnung zu haben, woraus er besteht, wie er wirkt, nicht einmal, wie genau er ausschaut..."

Das ist natürlich ein Problem, muss Rogar still bei sich zugeben. Aber wenn es einen Dain gibt, der schon einmal von einem Seelenstein oder ähnlicher Magie gehört hat, dann wäre es sein Schwiegervater. Als Runenmeister kennt Baldur sich mit magischen Substanzen bestens aus, und mit magischen Steinen gleich noch einmal so gut. Ihm würde Rogar es am ehesten zutrauen, einen solchen Seelenstein zu durchschauen und richtig anwenden zu können.

"Aber wisst ihr was? Das bringt mich auf eine Idee." In ihrem Eifer entgeht Freydis offenbar die heroische Geste am anderen Ende des Tisches, mit welcher Abdo bei seinem Gott Aris Lîf seine Hilfe anschwört, oder sie hätte den beiden sicherlich einen Moment länger Zeit gegeben. "Vielleicht sind wir doch genau am richtigen Ort. Oben im Kloster befindet sich eine Bibliothek so phantastisch, wie ich sie mir in meinem kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können. Und da dies der Weihort ist: sicherlich gibt es dort alles, was man sich nur denken kann, über das Leben des Propheten. Und Talahan meinte doch, sie besäßen außerdem die größte Sammlung verbotenen Wissens in ganz Fersland! Also, ich könnte mich dort oben mal ausgiebig umschauen. Das würde allerdings... nun ja, sicherlich eine ganze Weile lang dauern."

Sie wendet sich an den Fürsten. "Mit Deiner Erlaubnis, natürlich. Dort oben ist niemand mehr, der mir die Erlaubnis geben könnte."

Bevor Uther antworten kann, hat Kjartan auch eine Idee. Seine geht auch viel schneller. "Warum fragen wir nicht einfach Ninae? Sie hat den Propheten ja noch kennengelernt!"

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #954 am: 17.05.2021, 13:32:21 »
Mit einem gemessenen Nicken dankt Lîf den Männern für ihre Hilfsangebote. Abdo lächelt sie zu, für einige Momente wird das kalte Funkeln in ihren Augen wärmer. "Ich nehme dein Angebot an, Krieger, und werde dich in meine Gebete an die Große Mutter einschließen." Das Lächeln vertieft sich noch ein wenig. "Allerdings behalte ich mir vor, dich von deinem Schwur zu entbinden, sollte es mir geboten erscheinen, und bitte dich, mir in diesem Fall zu gehorchen." Sie fasst die Hand Abdos und drückt sie leicht, wobei er ein leichtes Prickeln verspüren mag – oder ist es doch nur die Wärme ihrer Finger? Der Rotschopf wird wieder ernster und raunt dem Ya'Keheter leise zu: "Die Göttin wird womöglich die Gebete Ihrer Dienerin erhören und uns dabei helfen, diese Aufgabe zu erfüllen. Mit Ihrem Segen, der Weisheit aus deiner Heimat und der Hilfe der anderen mag es uns gelingen."

Sich Freydis zuwendend, wirft sie in die Diskussion ein: "Ich habe nie gelernt, geschriebenen Worten zu vertrauen, doch erkenne ich an, dass diese Schriften womöglich Wissen enthalten, das uns von Nutzen sein könnte. Um Tristan zu retten, bin ich bereit, jede Hilfe anzunehmen und alles zu tun, was nötig ist." Bei Kjartans Worten blitzen ihre Augen auf, und sie fasst ihn am Arm. "Eine hervorragende Idee! Sie muss so einiges wissen, das uns weiterhelfen kann." Offenkundig ist ihr die Vorstellung weit sympathischer, sich mit Ninae zu unterhalten, als nutz- und tatenlos herumzusitzen, während staubige Schriften durchgesehen werden. "Um rascher voranzukommen, sollten wir uns aufteilen. Ich für meinen Teil kann in dieser Bibliothek ohnehin wenig tun. Was haltet ihr davon?" Sie schaut in die Runde.

Rogar, Apothekarius

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Der Weihort
« Antwort #955 am: 20.05.2021, 23:11:56 »
Abdos Einwände gegen Rogars hoffnungsfrohe Einschätzungen werden mit Stirnrunzeln quittiert. Seinem Gemüt entsprechend fällt die Erwiderung knapp aus: "Wir Dain haben Schriften und Archive über Jahrhunderte, in denen wir mit den Dämonen gekämpft haben. Mehrere meiner Großväter und -onkel haben die Zeit vor drei Jahrhunderten noch persönlich erlebt. Und Geisteskräfte haben bei uns mehr Zeit zu reifen."

Als Freydis auch noch ins gleiche Horn bläst und sich lustig macht, kann sie froh sein, dass Rogar zu erschöpft für eine heftige Reaktion ist. So ziehen sich seine Augenbrauen zusammen und er grollt: "Mein ...Schwiegervater Baldur - derjenige, den ich im Moment suche - gehört zu den Runenmeistern meines Volkes. Es würde mich schon sehr überraschen, wenn es ein magischen STEIN gibt, der meinem Volk oder dessen Aufzeichnungen entgangen ist."

Über Lifs Misstrauen geschriebenen Worten gegenüber schüttelt der Dain nur verständnislos, aber schweigend den Kopf. "ich werde mich dann besser der Bibliothek zuwenden.", teilt er seine Präferenz mit.

Gaja

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Der Weihort
« Antwort #956 am: 21.05.2021, 19:27:48 »
An dieser Stelle entschuldigt Uther sich von der Tafel, um "draußen nach dem Rechten zu sehen", wie dem Gesinde zuvor versprochen. Kaum ist der Hausherr aus der Tür, wendet Freydis sich an Rogar.

"Du traust mir wohl nicht zu, dass ich in der Bibliothek finde, was wir suchen, wie?" braust sie auf, beide Arme in die Seiten gestemmt "Unsere menschlichen Geisteskräfte sind dir wohl nicht gut genug? 'Dann will ich Freydis gerne in der Bibliothek unterstützen', ließe ich mir ja noch gefallen, oder ein allgemeines: 'Zwei Paar Augen sehen mehr als eins.' Aber nein, meine Anwesenheit wird gar nicht zur Kenntnis genommen. Du willst dich der Sache annehmen, das menschliche Fräulein wird gar nicht beachtet. Ihre Geisteskräfte sind – ach! – zu gering. Ja, selbst wenn es um Magie und menschliche Geschichte geht: sicherlich findet ein Dain sich da leichter zurecht als eine menschliche Gelehrte. Muss das schön sein, auf einem so hohen Ross durch die Welt zu reiten!"

Freydis holt ein paarmal tief Luft, dann wendet sie sich wieder an alle. "Also, was ich sagen wollte: die Bibliothek zu durchforsten wird sicherlich einige Wochen dauern. Ihr habt ja gesehen, wie riesig sie ist. Die größte Sammlung von Schriften in ganz Dalaran! Und was wir suchen... nun ja, das weiß ich erst, wenn ich's finde, nicht wahr? Ich rechne nicht mit direkten Hinweisen, allenfalls mit zufälligen Erwähnungen... Details, die der Autor nebenbei erwähnt, ohne sich über deren Bedeutung so recht im Klaren zu sein... Das erfordert eine genaue Lektüre, da reicht kein Überfliegen oder gar bloß eine Titelschau... Im Verzeichnis wird auch nicht stehen: alles über Seelensteine, siehe Regal Vier, unterstes Brett. Also, wenn ich mich darum kümmere, dann müsst ihr für etliche Wochen ohne mich auskommen.

Und dann stellt sich ja auch noch die Frage, wer sich denn inzwischen um die Räuber kümmert. Obwohl, wenn dieser Bruder Meirik sich zur Wacht am anderen Ende des Walls durchschlagen konnte, dann wimmelt es hier in ein paar Tagen ja vielleicht von Gotteskriegern, und da es keine Pilzmönche und sonstige Monster mehr zu bekämpfen gibt, kümmern sie sich dann wohl hoffentlich um die Räuberplage, wo sie schon mal da sind."


Aeryn muss an Jans Worte denken. "Ich habe Spuren von Kolkar gefunden. Nicht am Ort des Überfalls selbst, aber auch nicht allzu weit davon entfernt. In Uthers Mund wurde aus den Kolkar sofort eine 'Bande' und er war sich sicher, dass sie für die Überfälle verantwortlich waren. Ich aber sage: vielleicht sind sie's gewesen, vielleicht auch nicht. Die Spuren sprachen weder dafür noch dagegen. Jedenfalls hat Uther zehn der Soldaten seines Vaters nach der 'Kolkarbande' ausgeschickt, das war vor über einem Monat, und zumindest ich habe noch nichts weiter gehört. Ich denke mal, die sind alle hops."[1]

Die Elbin bezweifelt, dass es eine gute Idee wäre, den Gotteskriegern die Jagd auf die Räuberbande einfach komplett zu überlassen. Wahrscheinlich würden sie die Überfälle genau so rasch den Kolkar in die Schuhe schieben wie der Fürst. Falls die es aber nicht waren? Und den Ort des Überfalls würde sie sich auch lieber anschauen, bevor eine Horde Gottesmänner dort die letzten Spuren kaputtgetrampelt hatten.

"Die Gotteskrieger!" ruft Freydis plötzlich aus, die Augen schreckensweit: "Wenn die hier auftauchen, haben wir richtig ein Problem! Auf keinen Fall dürfen sie von Tristan erfahren. Kurzen Prozeß würden sie mit ihm machen! Aber der Fürst weiß ja Bescheid! Man müsste ihn überreden, dicht zu halten. Ich will ihn gleich darum bitten..."

Und schon eilt Freydis dem Hausherrn hinterher.
 1. s. hier

Lîf

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Der Weihort
« Antwort #957 am: 23.05.2021, 11:03:23 »
Das Streitgespräch zwischen Freydis und Rogar lässt Lîf entnervt mit den Augen rollen. Doch obwohl sie selbst angesichts der Lage Tristans alles andere als ruhig und gelassen ist, schafft sie es irgendwie, ihre Stimme ruhig – und vielleicht auch beruhigend? – klingen zu lassen, als sie sagt: "Mit welcher Meinung immer wir dazu stehen, durch welche Mitteln es erreichbar ist, sind wir uns doch denke ich einig, dass diese Kreatur bekämpft werden muss. Ich selbst vertraue der Großen Mutter und werde zu Ihr beten, dass Sie mir Einsicht schenkt, was ich tun kann. Draußen, umgeben von Ihren Kindern, den grünen und den anderen. Doch für mich ist der Feind nicht nur das Widernatürliche, das Ihre Schöpfung verhöhnt. Für mich geht es um mehr. Tristan ist mein Mann, der Vater meines Kindes, und ich muss und will zu ihm stehen, bis er von diesem Übel befreit ist."

Eindringlich sieht sie sich unter den Gefährten um. "Wer immer dabei helfen kann, das zu erreichen, gleich auf welche Weise und wo, dem will ich danken und ganz sicher keine Vorhaltungen machen, weil er anderen Wegen folgt als ich. Alles worum ich bitte ist: Lasst uns versuchen, was nur immer wir können, und lasst es uns gemeinsam tun. Wogegen wir antreten, kann man nicht allein bestehen." Ein schmerzlicher Ausdruck huscht bei der Erwähnung der Gotteskrieger über ihr Gesicht. "Seht ihr? Das ist, was ich meinte: Statt dass wir uns auf Unterstützung freuen könnten, müssen wir uns verstecken, damit sie nicht uns befehden statt derer, die für uns alle von übel sind... Wenn wir einander bekämpfen, werden wir scheitern." Dieser lange Appell scheint sie endgültig erschöpft zu haben, sie sinkt auf die nächstbeste Sitzgelegenheit und schließt die Augen.

Rogar, Apothekarius

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Der Weihort
« Antwort #958 am: 24.05.2021, 10:36:33 »
Freydis Ausfall nimmt Rogar zunächst ohne Kommentar hin, allerdings werden die Runzeln auf seiner Stirn immer tiefer. Mit äußerster Mühe bleibt er dainitisch-höflich und lässt sie ausreden. Dann allerdings zeigt sie nicht die angemessenen Umgangsformen und rauscht hinaus, bevor er Gelegenheit für seine Erwiderung bekommt. "Plentyn nodweddiadol."[1], denkt er verärgert. "Wenigstens versucht sie sich nützlich zu machen.", grummelt er. Etwas lauter an die Runde seufzt er: "Dann konzentriere ich mich erstmal auf die Räuber und meinen....Schwiegervater." Damit lässt er das Thema ruhen und nickt Lif zustimmend zu: "In der Tat wären das die falschen Prioritäten. Die Räuber und die wahren Dämonen sollten es sein, auch und grade für diese 'Glaubenskrieger'."

Danach sortiert er seine Ausrüstung neu, pflegt sie und beginnt, seine Aufzeichnungen zu vervollständigen. Anschließend ergänzt er seine Rüstung und Waffen um kleine Runen, die deren und seine Geschichte des Kampfes gegen den Abt und Merle widergeben. Als ihm dabei die erbeuteten Pfeile in die Hände fallen, bietet er sie ohne Umschweife Aeryn an: "Könnt ihr die gebrauchen?"
 1. 
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Gaja

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Der Weihort
« Antwort #959 am: 25.05.2021, 09:32:59 »
Nachdem alle gesättigt sind, sogar Tristan, sitzen die Gefährten noch eine Weile beisammen, erschöpft und wenig gesprächig. Freydis bleibt eine ganze Weile lang fort; ihre Rückkehr kündigt sich durch einen Aufschrei aus der Eingangshalle an.

"Nein, halt, wer hat euch denn rausgelassen! Hört auf, ich bin doch nicht... was denn, aber doch nicht alle auf einmal! Pfui, was habt ihr denn da... nein, lass das! Ja genau... da geht's lang! Da riecht es nach Essen, nicht wahr? Da wollt ihr hin und mich in Ruhe lassen!"

Tatsächlich tauchen die ersten Welpen lange vor Freydis im Türrahmen zum Speisesaal auf, alle neun als enges Knäuel. Rogars gerade erst sortierte Ausrüstung gerät binnen Kürze durcheinander, so auch der Rest des Raumes. Kurz hinter Freydis taucht auch Uther wieder auf. Trotz des Durcheinanders, das die Welpen veranstalten, zieht er als erstes Lîf auf die Seite.

"Ihr braucht Euch keine Sorgen zu machen: von mir erfährt niemand etwas", versichert er ihr. "Gerne will ich mich auch um die sichere Verwahrung Eures Gatten kümmern, während Ihr nach einem Heilmittel sucht. Ich werde aufpassen, dass er weder sich noch anderen Schaden zufügen kann und dass die Behadrim, sollten sie hier auftauchen, nicht von seinem Zustand erfahren."

"Und ich kann helfen", ergänzt Freydis. "Ich glaube nicht, dass ich oben im Kloster übernachten will, auch wenn's praktisch wäre, aber ich glaube, das wäre mir zu gruselig."

"Und Solveig wird sicherlich auch ein Auge auf ihn halten wollen", fährt der Fürst fort. "Mit Eurer Erlaubnis würde ich meine Schwester gerne einweihen."

~~~

Die Abendschatten sind schon lang, als sich die Anwesenden noch einmal aufraffen, die letzten Dinge zu klären. Uther hat ihnen angeboten, bei ihm zu übernachten: "Freie Schlafkammern hat's hier wahrlich genug!" und so bleibt ihnen wenigstens der Marsch in den Ort zurück erspart. Als erstes führt Uther sie, wie versprochen, in die Kammer des Vaters (und die beiden Nebenkammern), in welchen dieser ein ungläubliches Sammelsurium an Dingen aufgehäuft hat, teils kaputt, teils reparierbar, teils von mysteriösem Zweck. Nutzloser Tand liegt hier wild durchmischt mit vereinzelten Stücken von herausragender Handwerkskunst. Dazwischen entdeckt Lîf, die auch hier nach Magie Ausschau hält, gar ein Dutzend Dinge mit leichter Aura. Sie spricht Uther darauf an, da sie sich nicht ganz sicher ist, ob dieser überhaupt weiß, was sein Vater da alles angesammelt hat. Er ja, stellt sich heraus, dank Solveig und Merle – der Vater wusste es nicht.

Für sich selbst wählt Lîf einen Ring, der laut Uther Stürze verhindern oder abmildern solle. Ein schmales silbernes Band, wie aus Federn. Merles Kessel hat sie ja schon eingesteckt. Ein wenig ratlos schaut sie sich weiter um. So recht weiß sie nicht, was ihr hier nutzen soll. Viele Waffen liegen hier und Rüstungsteile und... was ist das? Das sieht ja so aus, als könne es ihre Größe haben. Als sei es für eine Frau gearbeitet. Schön weich und gar nicht mal so schwer, sollte es aber trotzdem die schlimmsten Hiebe abhalten: ein Fellhemd. Sogar die seitlichen Riemen scheinen ihr praktisch, sollte sie es längere Zeit tragen müssen und in der Körpermitte ein wenig... weiten müssen.

Zuletzt gerät ihr noch etwas Kurioses in die Finger. Irgendwo in den Tiefen einer Kleiderkiste – sie holt es bloß heraus, weil es ihr so seltsam erscheint und weil es eine leichte Aura hat – ein paar Ärmelaufschläge, ganz ohne Hemd und ohne Ärmel. Doch als Lîf sie über ihre eigenen Ärmel stülpt, steht sie plötzlich in kriegerischer Gewandung da. Als sie Aeryn ihren Fund zeigen will – und den Rat der Elbin einholen, welche Rüstung wohl besser sei – da steht sie nicht in Kriegermontur, sondern in waldgrüner Jägerkleidung vor ihr. Ein dritter Versuch – die Herren sind inzwischen hereingekommen, um zu schauen, was hier los ist – verwandelt Lîfs Kleidung in ein weißes, hauchzartes, weich wie Wasser fallendes (und ungefähr ebenso blickdichtes) Gewand, über der Brust dazu noch eng geschnürt und tief ausgeschnitten... tatsächlich hat Lîf gerade an Ninae gedacht, als nämlich Kjartan hereinkam...[1]

Sie will die Ärmel schon in die Kiste zurücklegen, da sie sich ja auch schon drei Teile ausgewählt hat, da sagt Uther: "Die könnt Ihr gerne auch noch haben. Wer weiß, wozu es nützlich sein könnte. Denkt zum Beispiel an eine der Heilerinnenschwestern – und ihr seid wie sie gekleidet. Oder denkt an dunkle Kleidung, und Ihr werdet nachts weniger leicht bemerkt. Als Junge hatte ich sehr viel Spaß damit. Und es hat mir bei manchem Schabernack geholfen."

Rogar, der mit sehr kritischem Blick an die Sache herangegangen war – Menschenrüstung passt ihm nicht, Kleidung auch nicht, die Waffen taugen alle nichts – wird dann wieder Erwarten (und dank Uthers Erläuterungen) schnell fündig. Äußerst zufrieden verstaut er seine beiden neuen Stücke: ein Amulett, das die Haut erhärten lässt wie die Rinde eines Baumes, und einen Umhang, der (wenn's stimmt!) allerlei Unglück abwehren soll. Danach begibt er sich in Richtung Keller, woselbst er Merles Tränke zu ordnen und zu identifizieren gedenkt.[2]

Abdo, der mal wieder kaum weiß, wo hinschauen, als Lîf plötzlich in einem eher zu Ninae passenden Gewand dasteht, wendet sich dennoch an sie: "Hm, ähm, was ist das, was du da in deiner, äh, Schürze trägst... das wie Kristallsplitter aussieht... darf ich das mal sehen?"

Als Lîf ihm das Tuch mit den aufgesammelten milchigen Glas(?)splittern reicht, wird Abdo unerklärlicherweise ganz aufgeregt.

"Das sind tatsächlich Kristallsplitter... und nicht irgendein Kristall! Sie stammen von einem Psikristall!"

Unverständliche Blicke treffen ihn von allen Seiten nach dieser Äußerung.

"Psikristalle... reagieren auf bestimmte Frequenzen... die ein trainierter Geist... also Hirnströme... ähm... sie speichern... konzentrieren... fokussieren... ähm. Also, meine alte Meisterin hätte es euch vielleicht erklären können."

"Magie?" fragt Lîf. "Komisch. Ich spür da gar nichts."

"Ja," erwidert Abdo. "In meiner Heimat kennen wir keine Magie wie ihr in Dalaran, aber das hier... ist vielleicht unsere Art davon."

Er sucht sich drei Stückchen heraus, die ihm am besten erhalten zu sein scheinen, und steckt sie ein.

Ein Jauchzen aus dem Nachbarraum lenkt ihn ab. Gleich darauf kommt Aeryn hereingestürmt und hält ihn einen seltsam geformten Stecken unter die Nase und redet so aufgeregt, dass er kein Wort versteht (möglicherweise spricht sie auch gar nicht Suli sondern Elbisch?)

"Ein Bogen!" bringt Aeryn endlich verständlich heraus. "Ein elbischer Bogen. Ein Komposit-bogen. Siehst du, wie er hier zurückgebogen ist! Das gibt extra Stoß! Das macht einen Zug...! Sehne ist keine dabei, aber da kann ich mir leicht eine neue machen. Passendes Handwerkszeug habe ich schon gefunden. Ha!"

"Ach, und das hätte ich fast vergessen", ruft Uther aus der Schlafkammer herüber. "Hier am Bett stehen noch etliche Heilwasser, die wir vom Kloster haben kommen lassen. Die muss man ja nicht schal werden lassen. Die beiden vordersten habe ich mitgebracht, als ich neulich selbst dort war, das sind die frischesten. Die vier in der zweiten Reihe sollten auch noch etwas taugen. Die verstaubten dahinter... wohl eher nicht. Vater hat nie so recht begreifen wollen, dass man Heilwasser nicht auf Vorrat sammeln kann. Vielleicht kann Solveig sie noch für ihre Elixire gebrauchen. Wo wir gerade von Vater sprechen... Ich denke, ich sollte mich da heute abend noch drum kümmern..." Mit einem Seufzer lenkt er seine Schritte in Richtung Keller.

"Jemand sollte ihm dabei helfen", murmelt Freydis. "Ich wollt' ja sowieso mir die Tränke noch etwas genauer anschauen..." Und sie eilt hinterher.

Abdo findet noch einen ordentlichen Kampfstecken, der besonders gut in der Hand liegt, und einen Armschutz aus weichem Leder, der ihn nicht in der Bewegung einschränkt, aber trotzdem einen leichten Schutz vor Verletzung bietet. Eins der guten Heilwasser steckt er auch ein.[3]

Die Elbin wühlt derweil in derselben Kleiderkiste, aus der Lîf die Ärmel zog, und taucht mit einem Hut in der Hand wieder auf, der so aussieht, als passte er genau zu den Ärmeln. Ohne Zögern setzt sie ihn auf den Kopf und vor den Gefährten steht: ...[4]
 1. Lîfs Belohnung: (1) Ring of Feather Falling; (2) Merles Kupfertopf  => +2 auf Kräuterkunde zum Brauen von Tränken und Heilmitteln. Ist notwendig für das besprochene Talent. Ohne magischen Kessel kein magischer Trank. (3) MW-Fellhemd, extra leicht (RK +3, Max Dex Bonus +4, Penalty 0, Gewicht 12 lbs); (4) Sleeves of Many Garments
 2. Rogars Belohnung: (1) Amulet of Natural Armor +1; Cloak of Resistance +1
 3. Abdos Belohnung: (1) Drei Psikristall-Splitter +5/+2/+1; (2) MW-Quarterstaff; (3) Armschienen +1; (4) gutes Heilwasser; (5) Sieben Tränke (Bull's Strength, Expeditious Retreat, Keep Watch, Heightened Awareness, Mage Armor, Barkskin, Spider Climb) - kommen im nächsten Post.
 4. Das beschreibt Aeryn am besten selbst!
Aeryns Belohnung: (1) MW-Kompositbogen (+2 Stärke); (2) MW Handwerkszeug (Holzbearbeitung); (3) Hat of Disguise; (4) Heilwasser + 100 Pfeilspitzen kommen noch.

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