"He, deine Ohren sind ja gar nicht mehr spitz", platzt Kjartan heraus.
In Aeryns Vorstellung ist der typische Räuber offenbar ein Mensch.
Die Elbin schnappt sich noch das zweite gute Heilwasser und alle vier Fläschchen aus der zweiten Reihe. Als Lîf hereinkommt, stehen dort nur noch die angestauben Fläschchen, von denen Uther bezweifelt, dass sie noch Heilkraft besitzen. Aber da er erwähnte, man können sie vielleicht noch zum Elixir brauen benutzen, steckt Lîf sich die Hälfte davon ein.
[1]Dann begibt auch
Lîf sich in den Keller auf, um Uther bei der unangenehmen Aufgabe zu helfen, den Leichnam des Vaters zu versorgen. Sie findet
Rogar in Merles Werkecke vor, Tränke sortierend, während Freydis bereits mit Feuereifer beinah den gesamten Keller unter Wasser gesetzt hat, um die verspritzen Überreste der Kreaturen von den Fliesen zu waschen. Einen Schwall Wasser nach dem anderen beschwört sie, und instruiert zwischendrin eine Magd mit dem Besen, bis der meiste Dreck am tiefsten Punkt des Raumes gesammelt ist. Auf dem Podest hat Uther seine Vater inzwischen von den Fesseln gelöst und mit der Hilfe eines Knechtes in ein großes Sacktuch gewickelt, welches sie mit Zwirn und Nadel grob zusammennähten. Lîfs Hilfeangebot schlägt der Hausherr erst einmal ab.
"Ich bereite draußen alles vor. Von Euch hat sicherlich keiner ein Problem mit Feuerbestattung? Pater Halfir hat sie gleich zu Beginn seiner Amtszeit verbieten lassen." Die Anwesenden bestätigten ihm, dass es für sie kein Problem sei, und Freydis fragt, warum Halfir es denn verbieten lassen wollte.
"Ja, das habe ich auch nie so recht verstanden. Die meisten seiner Verbote zielten auf die Verdrängung allen "Heidentums", also was vom alten Glauben noch so in den Köpfen und Gebräuchen der Menschen hier steckt. Und weil der alte Glaube vier Arten der Bestattung erlaubt – zu Wasser, durch Feuer, unter Steinen oder in der Erde – muss der neue eben eine, die Erdbestattung, vorschreiben. Vielleicht wollte er das Feuer auch einzig als Strafe oder als "Austreibung des Bösen" verstanden wissen. Nun, das träfe auf unsere Situation dann ja wohl auch zu...
Aber ich wäre Euch tatsächlich dankbar, wenn Ihr bei der Bestattung zugegen wäret. Wenn es schon nicht das große Ereignis wird, das er sich vorgestellt hat, so soll er doch ein ordentliches Geleit bekommen. Nicht, dass es ihm noch einfällt, als Vergessener wiederzukehren, um mich den Rest meines Lebens auch noch zu plagen... Ich würde euch rufen lassen, wenn es Zeit ist, das Feuer anzuzünden."Während Uther also mit dem Knecht zusammen den verpackten Leichnam nach draußen trägt, Rogar sich weiterhin mit den Tränken beschäftigt und Freydis das nun nicht mehr ganz so gruselige Podest untersucht, begibt Lîf sich zu der Zelle, in der ihr Gatte eingesperrt ist.
Sie will doch mal sehen, ob sie ihm nicht irgendetwas entlocken kann, was sich später gegen ihn oder seinesgleichen verwenden ließe.
[2]~~~
Als
Abdo und Kjartan sich ebenfalls in den Keller begeben – wobei Kjartan niemals dort ankommt, denn die Hundewelpen nehmen ihn für sich in Anspruch – findet der Ya'Keheter dort nur noch Rogar und Freydis vor. Rogar sortiert Tränke in Merles Werkecke und scheint schon etliche identifiziert zu haben, während Freydis die Runen an den vier leuchtenden Säulen, dem Podest und einigen Wandtafeln untersucht.
"Es ist dieselbe Schrift, wie sie überall auf Albion zu finden ist! Verflixt, warum habe ich mich niemals näher damit befasst! Ein weiterer Beweis, dass diese Kultur etwas mit dem Feuernetz zu tun hatte... der Podest... die Statuen... sie sind magisch... meine Art von magisch... ach, wenn ich nur mehr Zeit hätte!""Albionische Schrift?" fragt Uther aufgeregt. Mit zwei Helfern ist er zurückgekehrt, um die letzen Reste, welche Freydis in der Mitte des Raumes zusammengespült hatte, in Eimer zu schaufeln.
"Kannst Du sie lesen? Merle hat sich etliche Jahre mit den Runen und der Anlage hier befasst, aber nicht viel herausfinden können außer, wie man die Säulen zum Leuchten bringt. Sie vermutet, dass die Ruinen hier akadischen Ursprungs sind und dass die Akadier das Feuernetz, wenn nicht sogar erschaffen, dann zumindest so selbstverständlich benutzt haben wir unsereins Hammer oder Schwert. Sie hat sich Notizen dazu gemacht, vielleicht helfen sie dir weiter." Dann sind die Eimer voll und der Hausherr wieder auf dem Weg nach oben.
Abdo begibt sich zu Rogar, welcher ihm gerne zeigt, was er bisher gefunden hat.
"Die meisten Tränke, die ich bisher identifizieren konnte, sind gar nicht von Merle gebraut, nur diese beiden hier. Einer davon soll Angriffe abwehren – das haben wir bei ihr ja erlebt – und der andere verleiht einem für kurze Zeit flinke Füße. Diese vier hier sind von Solveig. Das Zeichen hier, das steht für Solveig. Der erste lässt die Haut so hart wie Baumrinde werde, der zweite gibt Muskelkraft, der dritte lässt einen für kurze Zeit besonders scharfsichtig werden, in mehr als einer Hinsicht, der vierte verleiht einem die Kletterfähigkeit einer Spinne. Und dann habe ich hier noch einen Trank gefunden, und da bin ich mir nicht ganz sicher, wer ihn gebraut hat... meine beste Vermutung wäre, dass es dieser komische Kerl war, den wir vorm Heilerzelt trafen... der war ja eindeutig auch ein Feenbalg... wie hieß der? Jan? Egal. Als der Trank ist gut gegen Erschöpfung, wenn man allein unterwegs ist und die Nacht über Wache halten muss..."Ein wenig missträuisch beäugt Abdo die Fläschchen. Das klang teils absurd für seine Ohren, andererseits ist ein Trank wenigstens etwas handfestes. Die Alchemisten seiner Heimat kennen auch so manche Formel, welche den Krieger stärken soll. Und wenn man einen Dalaraner bitten würde, die Wirkung eines jener Tränke zu beschreiben, käme sicherlich etwas ähnliches wie Rogars Erklärung dabei heraus.
"Und du bist dir sicher, dass sie auch so wirken, wie das Ettikett verspricht?""Also, bei denen hier bin ich mir sicher, dass sie zumindest nicht schädlich sind", erwidert Rogar.
"Vielleicht könnte Lîf ja noch ein Auge darauf werfen oder Freydis..."Also steckt Abdo sich die sieben Fläschchen erst einmal ein.
Dann ruft auch schon der Hausherr, dass alles für die Bestattung des Vaters bereit sei.