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Kapitel II: The show must go on

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Ricky:
"Interessant beschreibt dich nicht mal ansatzweise.", haucht Ricky Ayleen ins Ohr, während er sich nah an ihr vorbeidrängt.
Er tritt einige Schritte von der Gruppe weg und genießt ebenso wie Laura Ann den Wind, das Gras und den Klang, die sie umgeben.
Den Ausführungen und Fragen der anderen folgt er nur am Rande. Viel mehr versucht er, die Umgebung einzuatmen. Sie in sich aufzunehmen. Sich dem befreienden Gefühl hinzugeben, das ihn durchströmt.

Als Laura Ann dann auflacht, schaut Ricky ihr hinterher. In ihm wallt ebenfalls der Drang auf sich zu bewegen. Und so läuft er dem Mädchen, ebenfalls lachend, hinterher. "Ja! Lass uns laufen und diese Welt erkunden!"
Auf Eddys gebrüllte Beschwerde lacht Ricky nur lauter.
"Du Miesepeter! Wir waren noch nie hier.
Geh schon vor, wenn du es so eilig hast. Wir holen dich schon ein."
Dann läßt er sich am Fuße des Hügels neben Laura Ann ins Gras fallen und beginnt diese zu kitzeln.
"Sieh nur was du angerichtet hast, du böses Mädchen. Der arme Eddy ist ganz aufgebracht und sauer auf dich. Das muß bestraft werden."


Changeling:
Laura Ann ist schwer einzuholen, obwohl Ricky feststellt, dass ihn seine neuen Beine mit kräftigen Sprüngen in ungeahnter Schnelligkeit und fast mühelos vorantragen. Als er das Mädchen eingeholt hat und mit ihr den Hang hinunter kugelt, merkt er erst, dass sie doch beide keuchen. Sein Blick fällt auf ihr Mieder, das sich bei jedem Atemzug weitet, und der Geruch, der von ihrem dichten Haar ausgeht, steigt ihm in die Nase. Grinsend sieht sie ihn an, und der Junge hat das sichere Gefühl, dass eine ziemlich kecke Herausforderung in ihrem Blick liegt, als sie mit der flachen Hand über seine Brust streicht. Dann wälzt sie sich auf den Bauch, stützt das Kinn in die Hände und sieht ihn an. "Es ist schön hier" sagt sie leise, aber in ihrer Stimme vibriert eine Sinnlichkeit, die ihn erschauern lässt. Als er beginnt, sie zu kitzeln, rollt sie auf den Rücken und strampelt kreischend. Vor lauter Lachen bekommt sie kaum Luft, so dass ihre Antwort auf seine Neckerei unverständlich bleibt.

Eddy hat den beiden, die im wahrsten Sinne des Wortes mit wilden Bocksprüngen vorangelaufen sind, mit finsterem Blick zugesehen. "Tiffany ist in Gefahr, und die beiden haben nichts besseres zu tun, als wie die Kleinkinder zu spielen" schnaubt er, setzt sich aber ebenfalls in die Richtung in Bewegung, die sie gewählt haben. Dabei gibt er Ayleen einen Wink, ihm zu folgen. Sie muss feststellen, dass er zwar im Gegensatz zu ihren anderen Kameraden eher diszipliniert marschiert, aber mit seinen langen Beinen immer noch rasch vorankommt. Sie muss fast in einen Trab verfallen, um Schritt zu halten. Er wirkt verärgert, aber auch entschlossen. Im Gehen zeigt er nach vorn, zum Horizont. "Da hinten beginnt irgendwo das Gebiet, in dem sie jagen."

Auf Ayleens Fragen brummt er unwillig und zuckt dann die Schultern. "Ich weiß auch nicht allzu viel über sie. Goibniu sagte mir, dass man sich hier nach und nach an Dinge erinnert. Aber nur an solche, die mit dem eigenen Erbe zusammenhängen. Sie sind deine Leute, nicht meine, also wirst du wohl mehr wissen als ich, bis es soweit ist. Andernfalls bleibt uns noch das Buch." Dabei fasst er den Folianten fester. "Meine Vorfahren stammten aus Norwegen" erklärt er etwas mürrisch wirkend. "In ihrer Heimat wurden sie Troll genannt, und sie kamen mit den Siedlern hierher." Dann wirft er einen Blick auf seine Begleiterin hinab und meint: "Das Erbe ist hier sehr wichtig! Dein Erbe verleiht dir bestimmte Begabungen, aber auch Schwächen, und es bestimmt auch, wie andere auf dich reagieren. Es gibt viele Allianzen und Feindschaften." Inzwischen haben sie das im Gras tollende Pärchen fast erreicht.

Ayleen Chepi Anitsiskwa:
Rickys Spiel jagt Ayleen einen wohligen Schauer über den Rücken und sie hebt eine Hand, als wolle sie ihn zurückhalten oder über die Schulter streichen. Die lässt sie dann soch wieder fallen und konzentriert sich auf Eddy beziehungsweise darauf, mit ihm Schritt zu halten.

Wirklich zufrieden ist sie mit seinen Antworten nicht, denn sie hat nicht das Gefühl, mehr zu wissen als noch vor - ja vor wieviel Minuten? Das bringt sie gleich zu der nächsten Frage: "Wie vergeht die Zeit hier im Verhältnis zu unserer Geburtswelt?" Kurz lässt sie ihm Zeit zu antworten, dann fordert sie mehr Informationen: "Was sagt denn das Buch? Ich bin ungerne unvorbereitet auf die Gefahren und Begegnungen hier." Es dauert nicht lange, dann merkt sie auch, wie die Reisegeschwindigkeit ihre Muskeln anstrengt. Noch beißt sie sich durch, aber ihr Atem wird schwerer und der Schweiß beginnt zu rinnen. "Es ist doch alles viel intensiver, direkter, irgendwie wirklicher als die Traumreisen mit Großmutter."

Ricky:
"Was denn?! Du wehrst dich ja gar nicht. Soll das bedeuten, du genießt es, wenn du so bestraft wirst?"
Ricky fährt mit dem Kitzeln fort, bis der große Schatten des Trolls auf die beiden Satyre fällt.
Dann hört er auf und blickt zu den beiden anderen Gefärhten auf.
"Oh! Sind wir aus Versehen in die richtige Richtung gerannt?" Ein breites Grinsen zieht sich über sein Gesicht.
"Wie gut, daß wir auf euch gewartet haben. Ihr hättet uns ja sonst nie eingeholt."

Weiterhin bleibt Ricky sitzen. Er zupft einen der Grashalme aus dem Boden und schaut ihn sich genauer an. Versuchsweise pustet er ein bischen daran herum, um herauszufinden, wie geanu die Töne entstehen. Dabei scheint er die anderen ganz vergessen zu haben, so sehr ist er in diese Tätigkeit vertieft.

Changeling:
Auf Ayleens Fragen schweigt Eddy eine Weile. Sie marschieren auf die herumtollenden Satyre zu, bis er schließlich meint: "Soweit ich weiß, vergeht die Zeit hier im Wesentlichen wie dort. Aber es ist auch möglich, dass sie gelegentlich schneller oder langsamer verläuft. An einigen heiligen Orten der Stämme, die hier leben, kommt sie fast zum Stillstand. Andererseits gibt es Stellen, an denen du Jahrhunderte durchleben würdest, ehe in Gatsburg der Sommer herum ist. So erzählte es mir Goibniu jedenfalls. Ich war ein paar Male hier, habe aber nie bemerkt, dass drüben, auf der anderen Seite, mehr oder weniger Zeit vergangen wäre als hier." Mit dieser langen Rede scheint sich der Troll auf seltsame Weise verausgabt zu haben, denn er verfällt wiederum in Schweigen.

Erst als sie bei Ricky und Laura Ann ankommen, gibt er wieder einen Ton von sich – ein unwilliges Knurren. Das Mädchen hat sich derweil kreischend und strampelnd im Gras herumgewälzt, einige halbherzige Versuche machend, Ricky ebenfalls zu kitzeln. Als die Gestalten ihrer beiden Gefährten über ihnen aufragen, bleibt sie keuchend und sichtlich erhitzt auf dem Rücken liegen. Mit einem Funkeln in den Augen blinzelt sie zu ihnen hinauf. Ihre Züge zeigen eine solch ausgelassene, fast kindlich-unschuldige Heiterkeit, dass man ihr nur schwer böse sein kann, obwohl sie sich bei Eddys Anblick ihre knappen Kleider eher zweideutig als schamhaft zurechtzupft und dabei keck grinst.

Der zeigt mit einem Mal einen dunkleren Blauton um die Wangen und sagt barsch, das Buch hervorziehend: "Lasst den Unsinn! Wir sind hier, um Tiffany zu finden!" Worauf Laura Ann meint: "Stimmt ja – die arme Tiffy! Ich hatte sie beinahe vergessen." Ihr Ton ist zwar leichthin, aber seltsamerweise klingt sie ehrlich besorgt und vielleicht ein ganz winziges bisschen schuldbewusst, obwohl ihr Blick dabei recht offen und intensiv über Eddys muskulöse Gestalt gleitet. Schnell scheint sie aber wieder von den Klängen abgelenkt, die Ricky dem Grashalm entlockt. Die ersten Töne sind noch etwas schrill, doch er entdeckt rasch, dass der Halm fast wie eine natürlich gewachsene, grüne Flöte ist. Wenn man an der einen oder anderen Stelle noch mit einem scharfen Messer nachhelfen würde, könnte man daraus vielleicht sogar ein brauchbares Musikinstrument basteln...

Eddy hat sich derweil etwas umständlich im Schneidersitz niedergelassen und den großen Folianten auf seinen Knien aufgeschlagen. Er blättert darin, und die anderen sehen alte, vergilbt wirkende Seiten, die mit einer Schrift in großen, geschwungenen Lettern bedeckt sind, gelegentlich von einer Karte oder einer Zeichnung unterbrochen. "Hier ist es: 'Die Singende Ebene', ein ganzes Kapitel" erklärt er endlich. Dann liest er vor. "Hört mir zu: 'Das Königreich der Brennenden Sonne ist in seinem Herzen flach und eben. Dort, umgeben von niedrigen Bergketten wie der Boden einer großen Schüssel, findet sich die Singende Ebene. Viele Stämme leben auf der Ebene, die seit Urzeiten dort ihre Heimstatt hatten. Die meisten Stämme der Nunnehi bis auf die Dineh waren einst friedlich und lebten in festen Siedlungen. Einige waren Freund mit den Wolfsleuten des Landes. Doch viele haben mit der Ankunft der Kithain und dem Untergang der Himmlischen Jagdgründe begonnen, die Ebene zu durchwandern, immer den Herden der Bisons folgend, und sie lernten Fremden zu misstrauen.' Ich glaube, mit 'Kithain' sind wir gemeint. Wir müssen auf jeden Fall damit rechnen, dass wir nicht einfach willkommen geheißen werden, wenn wir eine Begegnung haben."

Damit verstummt Eddy und starrt mit tiefblauem Gesicht auf das Buch, denn Laura Ann ist zu ihm gegangen, während er las, hat sich neugierig über seine Schulter gebeugt, um die schöne Schrift in dem Buch zu bewundern, und dabei gedankenverloren einen ihrer schlanken Arme um seinen Nacken gelegt, während sie mit der Brust gegen seinen breiten Rücken lehnt. Er wirkt mit einem Mal unbeholfen, wie er hilfesuchend zu Ricky und Ayleen schaut.

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