Matsukura hingegen hatte sich selbst zum Fokus ermahnt, nach der unschönen Unterredung mit Frau Kikkawa.
Er hatte sich an die Lehren seines alten Meisters erinnert. Diese Lehre besagte, dass der erste Schritt immer das sorgfältige Beobachten sein musste. Und so war der Ronin zu dieser und jener Stunde in der Nähe des Hauses umhergewandert, scheinbar in tiefer Kontemplation versunken, um das Anwesen und das Umfeld des Anwesens zu beobachten. Sein Blick war scharf gewesen, doch er hatte sich auch unscheinbar, heruntergekommen und desinteressiert verhalten.
Dabei hatte er sich auch die eher unauffälligen Gegenden ausgeschaut, sich in den Dämmerungsphasen und des Nächtens genähert und auch erhöhte Punkte gesucht, von denen er sich einen brauchbaren Überblick über die Anlage hatte verschaffen können. Er war gar nicht darum herumgekommen, zu bemerken, dass die Wachen gelangweilt und aufmerksam wirkten. Dass sie auf dem Innenhof nicht einmal Rüstungen hatten, hatte davon gezeugt, dass sie dieser Tage nicht mit einem Angriff oder einer Gefahr rechneten. Das Überraschungsmoment würde auf ihrer Seite sein.
Nachdem er die Bewegungen der Wachen und ihre Anzahl grob studiert hatte, hatte sich der Ronin weiter auf seine Augen verlassen. Nichts hätte ihn dazu bewegen können, sich jetzt schon mit den Bewohnern dieses Komplexes in sozialer Art zu beschäftigen, schließlich hatte er sich von sich selbst befürchten müssen, zu diesem Zeitpunkt die Nerven zu verlieren und die Klinge zu ziehen, wenn etwas schief ginge. Und dann würde er den Fehler seines Herren auf tragische Weise wiederholen müssen. Stattdessen hatte er an den unterschiedlichen Positionen, von denen er das Haus aus beobachten konnte, meditiert und sich Gedanken gemacht, wie er nur mit der Gabe der ruhigen, aber zielführenden Beobachtung weitere Informationen gewinnen konnte. Während er also auch weiter die Wachen beobachtet hatte, bemächtigte sich seine Erfahrung seiner Beobachtungsgabe. Jahrelang hatte er für seinen Herren temporäre Fortifikationsanlagen im Feld konzipiert und auch an den Sicherheitsmaßnahmen der eigenen Festung mitgearbeitet. In Häuserkämpfen hatte ihm sein Wissen über die Baukunst immer geholfen, und so hatte er sich erhofft, dass er aufgrund dieses Wissens den Hausaufbau Konos verstand und so leichter die oder zumindest einige Schwachstellen der gesamten Anlage identifizieren konnte. Doch nach einer Weile hatte er bemerkt, dass einer der Wachen ihn auf dem Dach gesehen und ihn seinerseits beobachtet hatte. Nur seiner Willensstärke war es zu verdanken gewesen, dass er noch zwei Stunden in Meditationspose gesessen hatte und so als Meditierender und nicht als Spion durchgegangen war. So hatte er wieder unbehelligt verschwinden können, bevor sein Auftauchen bleibenderen Eindruck hinterlassen hatte. Da die Entdeckung durch die Wachen seine Beobachtungsposten kompromittiert hatte, hatte er in der Folge davon absehen müssen, einfach nur durch Beobachtung voranzukommen.
Doch sobald die Phase der Beobachtung vorüber war, hatte alles nach den ersten Aktivitäten gerufen.
Zwar hatte durchaus eine große Gefahr in der Tat bestanden, doch er ließ aufgrund seiner großen martialischen Fähigkeiten sein Schwert daheim. Wie viele am Wesen des Krieges und des Kriegers interessierte Samurai hatte er sich in den Sanften Weg einweisen lassen und seit jeher hatte er sich darum bemüht, das Nachgeben, um zu siegen als Prinzip zu beherrschen. In diesem Fall hatte er augenscheinlich nachgegeben, weil er in aller Heimlichkeit und ohne Schwert in das Anwesen eingedrungen war, allerdings war dies nur eine List gewesen, denn er hätte sich auch mit der Faust, einem Armhebel oder gar einem Würgegriff wehren können. Und so hatte er doch versucht, in direktem Kontakt mit dem Zielort weitere informationen zu sammeln, auch wenn es ihm erst zu gefährlich gewesen war.
Dass Spionage seit jeher ein großer Part der Kunst des Krieges gewesen war, hatten viele Samurai nicht ausreichend beherzigt. Viele neuere Denkrichtungen hatten sich mit der Form und Ästhetik des Schwertkampfes, mit dem höfischen Zeremoniell und einseitig mit der Rolle der Loyalität des Samurai befasst, nicht so Matsukura, der seine Augen offen gehalten hatte für jedwede Strömung, Denkrichtung und Philosophie zum Thema Krieg, Waffe und Information. Er hatte sich in der Kunst der Heimlichkeit, der Subtilität und der Zurückhaltung geschult. Wohl die einzige Sache, in der er seinem Herren überlegen gewesen war.
Und so hatte er das Anwesen durchschritten auf leisen Sohlen, mit unendlicher Geduld und viele der Räumlichkeit in Augenschein genommen, sich endlich einen Eindruck des Hauses machen können, nachdem sein theoretisches Denken über das Haus gescheitert gewesen war. Nach Abschluss seines erfolgreichen Rundganges war es dann Zeit gewesen, endlich wieder einmal Hikomotō Mai aufzusuchen, die er seit dem Tod seines Fürsten kaum mehr gesehen hatte. Doch sie kannten sich gut genug, um zu wissen, dass sie ihr Wissen ergänzen konnten und so war es ihnen gelungen, gemeinsam eine Karte des Anwesens zu Planungszwecken zusammenzufügen. Befähigt, eine wahre Strategie für ihren Rachefeldzug zu entwickelt.