"Riesen, nicht gut", fasste Skip Dolgrims Erklärungen zusammen.
"Und schnell muss man sein, verstanden. Schnell, das bin ich." Im Weglaufen hätte man ergänzen können, oder man ließ es bleiben. Es war nicht Skips Schuld, wenn das Gegenüber diese Aussage dann—von sich auf andere schließend!—auf den Angriff bezog.
Und so erreichten die drei ungleichen Weggefährten das Boot in einträchtiger Stimmung. Während Zwerg und Elf schon an Bord gingen, warf Skip dem Burschen, den er von der Straße weg angeheuert hatte, ihm sein Pferd am Halfter nachzuführen (und dem Dolgrim dann wortlos sein Pony an die andere Hand gab) noch rasch einen Silberling zu.
[1] Dessen Miene leuchtete auf—etwas mehr, als sie hätte dürfen. In Mirabar galten offenbar etwas niedrigere Preise als in Tiefwasser. Sei's drum. Dafür brachte der Bursche die Tiere dann auch aufs Boot und kümmerte sich darum, dass sie ordentlich untergebracht wurden.
Skip betrat also als letzter den Kahn. Dies hatte eine erstaunliche Wirkung: er fühlte sich sofort wie zuhause. Boote kannte er. Auf Booten war er daheim oft unterwegs gewesen. Boote waren überall gleich. Noch ehe er seine Reisebegleiter erreichte, hatte sich sein Schritt schon dem Wogen des Wassers angepasst. Hier kam ein echter Seemann. Also ein Schmu... äh, Flussfischer. Jedenfalls jemand, der sich wohl in seiner Haut fühlte, als wäre er ganz in seinem Element. Selbstsicher war Skips Gang, zum ersten Mal seit sie Tiefwasser hinter sich gelassen hatten, und den Daumen der Rechten hatte er lässig am Gürtel eingehakt.
Dann erblickte er die Dame, die bereits von Gaston und Azrim umringt wurde. (Erstaunlich, wie zwei Männer eine Frau umringen konnten, man hätte meinen sollen, dazu braucht es wenigstens drei, besser noch vier, aber so war es tatsächlich.) Und sie gab auch gleich eine Vorstellung. Köstlich. Der ganze Salon hätte applaudiert. Aus Höflichkeit, mag sein, oder weil die Dame gar so hübsch war. (Oder weil ihre rosenduftende Brise in einem Salon wesentlich besser zur Geltung gekommen wäre als hier im Hafen, wo es eh anständig zog.) Einerlei. Sein erster Gedanke jedenfalls war:
Genau die hat uns noch gefehlt! Jetzt kann Gaston die Riesen bekochen, diese Fiona kann ihnen Rosenduft zuwedeln, und ich... ich verkaufe ihnen die Mirabarsche Händlerbrücke als Alteisen, zum günstigen Sparpreis, weil sie demnächst ja abgerissen und verschrottet werden soll!Da allerdings zeigten sich die leicht angespitzten Ohren in der wohlfrisierten dunklen Haarpracht und Skips Herz setzte erst einmal aus—vor Schreck. Eine Halbelfe! Nichts wie weg hier!
Die Reling ließ ihn innehalten. Da erst bemerkte Skip, dass er tatsächlich auf dem Absatz kehrgemacht hatte und sich mitten in einem Fluchtversuch befand.
Was soll das? rief er sich zur Räson.
Sie ist nicht Verity. Es wird ja wohl kaum zwei Halbelfendamen auf der Welt geben können, die so durchtrieben sind wie dieses Miststück! Außerdem, schau sie dir an. Nein, schau genau hin. Und? Setzt dein Verstand aus? Kannst du an nichts anderes denken, als über sie herzufallen? Zupfen deine Finger schon an deinem Gürtel, deinem Halstuch, deinem Hemd? Nein? Dann bist du auch nicht in Gefahr.Er machte also abermals kehrt und trat zu der plaudernden Gruppe.
"Skip", stellte er sich vor, worauf er sich galant verbeugte, mit einem imaginären Hut wedelnd, zwecks mehr Flair.
"Aus Tiefwasser. Ihr dürft mich Skip nennen."Ihm fiel auf, dass Azrim die Dame gar nicht aus dem Blick ließ. Musste er sich Sorgen um den Elfen machen? War es um ihn schon geschehen, so wie's um Skip geschehen war, als er Verity das erste Mal erblickte? Oder war der Kamerad nur deshalb an Fiona interessiert, weil sie dieselbe Kunst beherrschte wie er? (Und diese im übrigen auch für jede Kleinigkeit heranzuziehen schien, genau wie er?) Obwohl... genauso fing es ja an, nicht wahr? Mit Bewunderung für das Können der Dame... Ah, er würde ein Auge auf Azrim halten müssen.
"Hmpf", war Skips Kommentar zum Fellmantel—
Wahrscheinlich nur geliehen, so wie ich den Marquis einschätze—und ein wesentlich erfreuteres:
"Das lasse ich mir doch gefallen!", als er in dessen Tasche den Geldbeutel vorfand. (Selbstverständlich hatte er sofort die Taschen des Mantels untersucht. Wie von allein waren seine Hände in eine jede hineingefahren und hatten sie, nach vorsichtigem Vorfühlen, bis in die letzten Ecken ausgetastet. Wie, die anderen nicht? Das war nicht ihr natürlicher Reflex?)
"Sehr erfreut über ihre werte Begleitung, meine Dame Fiona", fuhr er seinen ganzen Charme auf.
"Ich hatte schon arge Sorge, dass ich, von gelegentlichen Einwürfen des lieben Gaston abgesehen, auf der gesamten Reise meiner eigenen Stimme lauschen müsste. Das wäre mir doch auf die Dauer entsetzlich langweilig geworden, von daher bin ich heilfroh über die unverhoffte Unterstützung!"