Mit gemischten Gefühlen beobachtete Mara, wie sich langsam auch die letzten Menschen, Orks und Andere von dem Tor der Hoffnung entfernten. Das Gespräch mit den Leuten hier nicht ganz so verlaufen, wie sie es sich erhofft hatte aber sie konnte und wollte nun mal keine falsche Hoffnung machen oder lügen. Es würde ein sehr schwerer Weg werden, etwas zu verändern und wenn allein diese Erkenntnis für viele schon zu viel war und sie aufgaben, bevor sie diese Richtung überhaupt eingeschlagen hatten, dann konnte Mara nur langsam den Kopf schütteln. So sehr sie den Arbeitern, den armen, hungrigen und halb erfrorenen Frauen und Männern auch helfen wollte, so sehr sie ihnen Kraft geben wollte: Es würde nur helfen, wenn sie auch selbst etwas Kraft und Willen hatten, damit umzugehen. Wenn die Flamme schon erloschen war, konnte sie nur schwer wieder entflammt werden. Vielleicht war das eine falsche Einstellung und vielleicht würden Elrevan oder Lavrenty - die Einzigen, die jetzt noch geblieben waren - das anders sehen aber Mara wollte diesen Leuten keine falschen Hoffnungen machen und dann in ihre Gesichter blicken, wenn sie merken, dass diese Hoffnungen nie erfüllt werden. Lieber sagte sie ganz klar, wie es um sie alle stand, auch wenn manche damit nicht umgehen konnten.
Den Impuls, Oleg Taktov zu folgen, unterdrückte sie. Der Mann wusste irgendetwas. Etwas das wichtig war aber Mara musste sich um etwas anderes kümmern, bevor es zu spät war. Sie hatte den alten Volakhi und seine Ladung nicht vergessen. Noch immer war sie sich sicher, dass er etwas versteckt hatte und sie wollte wissen, warum er um sein Leben fürchtete, wenn es entdeckt wurde. War an den Gerüchten um die Volakhi vielleicht doch mehr dran, als sie anfangs geglaubt hatte? Möglich war es definitiv. Da die beiden Männer, die noch mit ihr in der Kälte warteten, nicht so aussahen, als wollten sie jetzt schon nach Hause gehen, wäre es vielleicht eine gute Idee, sich aufzuteilen. Sowohl Taktov zu folgen, als auch den Wagen der Halblinge zu suchen, waren sinnvolle Beschäftigungen - ganz davon abgesehen, dass sie den Leuten versprochen hatte, nach dem Wagen zu suchen. Doch bevor der Volakhi mit seiner dubiosen Ladung für immer verschwunden war, musste sie diesem folgen.
Während Mara ihr, aus Schrott und gefundenen oder gestohlenen Einzelteilen zusammengebautes, Gewehr schulterte, um besser das Gewicht der Waffe zu verteilen, steckte sie ihre Hände tief in die Taschen ihres abgenutzten Mantels und ließ die letzten Gespräche noch einmal Revue passieren. Zumindest eine gute Sache hatte dieser Abend bisher gehabt. Wie Marija gesagt hatte, war ein kleines Licht der Hoffnung entzündet worden und das zählte schon sehr viel in dieser Stadt. Es war nicht viel aber wenn sie dieses Licht schützten und immer weiter nährten, konnte daraus ein strahlendes Leuchtfeuer für alle Arbeiter und Bewohner dieser Stadt werden. Aus diesem Funken konnte etwas entstehen, das für immer alles verändern würde - hoffentlich zum Besseren. Mara würde sich dafür einsetzen und sie würde am morgigen Tag auf jeden Fall im Red Crescent & Dragon mit den Leuten reden. Das Licht musste genährt werden und in einem warmen Pub, bei einem etwas gefüllteren Magen, ging das besser als hier draußen in der Kälte. Sie war zuversichtlich, dass sie etwas bewegen konnten, wenn sie sich denn Mühe gaben. Es war alles eine Frage der Willenskraft.
"Also..." begann sie schließlich und sah sich nach Lavrenty und Elrevan um.
"... mir ist arschkalt und ich hab Hunger aber ich bin motiviert und will noch was erreichen. Wie siehts mit euch aus? Sollen wir den Leuten zeigen, dass wir nicht nur reden, sondern auch was tun?" Das war eigentlich eine rhetorische Frage, denn Mara war sich sicher, dass die beiden Männer jetzt nicht einfach nach Hause gehen würden.
"Ich muss noch dringend in der Stadt was erledigen und es wäre auch nicht schlecht, wenn ich zu Boris und Irina gehe und sie schon mal frage, wie sie zu dem ganzen Thema stehen."[1] Mara strich sich über ihr Kinn und überlegte einen Moment.
"Es wäre auch gut, wenn wir uns noch besprechen, was unsere nächsten Schritte sind. Ich glaube nicht, dass wir weit kommen, wenn wir drei uns nicht einig sind, was als nächstes zu tun ist. Ich mein, ich kenn euch beide kaum und so wie es aussieht, setzen diese Leute ihre Hoffnung auf uns drei. Wäre also gut, wenn wir uns mal kennen lernen würden und uns ein bisschen unterhalten, hm? Ich schlage also vor, dass wir heute Abend noch was reißen und uns dann direkt morgen Mittag oder Nachmittag treffen, bevor wir ins Red Crescent & Dragon gehen. Was sagt ihr?"