4. Kapitel - Der Orden und der Kult
Merklich geschrumpft war die Reisegruppe, die von Grünnest gen Elturel aufgebrochen war. Celebren war statt gen Norden lieber gen Süden gezogen, noch nicht ganz gewiss, wohin sein Weg ihn führen sollte, aber doch sehr bewusst fort von dem Drachenkult und seinen Anhängern. Gannayev hingegen hatte sich nicht dazu durchringen können, Leosins Angebot, weiter gegen den Drachenkult anzutreten, anzunehmen. Zu tief saß der Schmerz über die bereits erlittenen Verluste. Und Fane - oder besser Jade - nun, sie hatte eine ganz andere Reise angetreten.
So kämpften sich nur Leosin, Thamior, Rurik und Däny durch Wind und Wetter, um die Stadt im hohen Norden zu erreichen. In Grünnest hatte man ihnen noch keine Reittiere bieten können, zu gebeutelt war der kleine Ort und erst als sie nach Tagen des Marsches Berdusk erreichten, konnten sie diesen Misstand endlich beheben. Leosin kümmerte sich um alles, er hatte in der Stadt offenbar ebenfalls Kontakte und nach nur einem Abend und einer Nacht, waren die vier wieder auf der Straße.
Jetzt verdiente die Straße auch wirklich diesen Namen und sie kamen sehr viel schneller vorwärts. Es war noch immer ein weiter Ritt, aber schlußendlich erreichten sie doch ihr Ziel. Schon Tage zuvor war es zu erkennen, dass sie sich der Stadt näherten, denn in jeder Nacht, wenn die Sonne im Westen versankt, hatten sie das Gefühl, dass ihr Licht nicht ganz verschwinden wollte, sondern ein schwacher Glanz am Horizont zurückblieb. Und als sie schließlich eines Mittags in Sicht der Stadt, die auf einer Klippe über den Fluss Chionthar wachte, kamen, löste sich auch dieses Rätsel, von dem sie trotz Leosins Beteuerung nicht so recht hatten glauben wollen, dass es möglich war. Denn einige hundert Meter über den höchsten Türmen der Stadt schwebte eine gewaltige Kugel aus strahlendem Licht, wie sie sonst in sehr viel bescheidenerem Ausmaß Magier und Priester zu beschwören vermochten. Jetzt, da die Sonne schien, war sie kaum zu sehen, aber als es Abend wurde und die vier Reisenden endlich ihr Ziel erreichten, war das Leuchten schon sehr viel stärker wahrzunehmen. Zweifelsohne war Elturel von den Göttern gesegnet worden. Leosin erklärte, dass die Stadt in zwei Teile geteilt war, den Hafendistrikt, auch der Untere Distrikt genannt und den Oberen Distrikt, der sich auf einer hohen Klippen befand und über dem auch das magische Licht Elturels schwebte. Dies war ihr Ziel und die Wächter am Stadtor, die anders als man es sonst in Städten gewohnt war, allesamt auf Pferden saßen, ließen die vier Reisenden ohne Hindernis passieren.
Im Vergleich zu Grünnest und auch zu Berdusk war Elturel ein ganz anderes Kaliber. Die Straßen waren gefüllt mit Menschen, Zwergen, Halblingen und allerlei anderem Volk, das seinen Geschäften nachging. Händler boten von ihren Wagen oder Ständen verschiedenste Waren an, Priester verkündeten die Worte ihrer Götter, Marktschreier erzählten mit lauter Stimme von Eriegnissen an fernen Orten und Barden sangen Lieder über lange vergessene Heldentaten. Durch all dies Wirrwarr führte Leosin die drei Helden von Grünnenst direkt zum Tempel des Torm im Oberen Distrikt. Doch statt die große Halle durch ihr hoch aufragendes Säulenportal, in dessen Mitte ein goldener Panzerhandschuh an eisernen Seilen hing, zu betreten, steuerte er ein unscheinbareres Gebäude an, das sich an die Seite des Tempels lehnte. Es hatte viele kleine Fenster und eine Tür aus schwerem Eichenholz an deren Eingang ein einsamer Wächter stand, der eine Tunika trug auf der ebenfalls der Panzerhandschuh zu sehen war. Leosin sprach kurz mit ihm, zeigte ihm etwas, das sich in einem kleinen Lederbeutel an seinem Gürtel befunden hatte, aber für die Helden nicht zu sehen war und erntete dann ein Nicken des Wächters, der direkt danach die Tür öffnete. Der Halbelf wandte sich kurz zu seinen drei Begleitern um: "Man wird euch für die Nacht ein Zimmer hier in der Kaserne geben. Ruht euch aus, befreit euch vom Staub der Straße und ich werde morgen früh nach euch schicken lassen, damit ihr dem Großmeister Bericht erstatten könnt."
Wie Leosin es angekündigt hatte, gab man den dreien kleine Zellen in dem Gebäude und auch die Möglichkeit sich zu waschen und zu stärken. Am nächsten Morgen kam ein Diener zu ihnen und gebot ihnen, ihn zu begleiten. Er führte sie durch die engen Gänge der Kaserne in einen offenen Innenhof und durch einen Kreuzgang in diesem Innehof in eine größere Halle. Auch hier prangte der Panzerhandschuh auf der hölzernen Tür und mehrere dunkelblaue Banner mit dem gleichen Symbol schmückten die Wände. Beherrscht wurde die Halle allerdings von einer langen Tafel, an der etwa ein Dutzend Männer und Frauen Platz gefunden hatten. Weitere saßen am Rand auf Bänken, doch es waren noch drei Plätze an der Tafel frei und es bestand kein Zweifel, dass diese für die drei Neuankömmlinge reserviert waren.
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Leosin hatte einen Platz direkt an ihrer Seite und als sie sich auf die Stühle hatten sinken lassen, erhob sich der Zwerg, der am Kopf der Tafel gesessen hatte. Seine eiserne Rüstung klirrte ein wenig bei der Bewegung, aber das schien ihn nicht zu kümmern. Stattdessen sprach er mit lauter Stimme: "Sehr gut, nun sind wir also alle versammelt. Viele wissen, wer ich bin und warum wir alle hier sind, doch nicht alle und so will ich es noch einmal erklären. Ich bin Onthar Frume, Großmeister des Ordens des Panzerhandschuhs und wir haben uns heute hier versammelt, um zu entscheiden, wie wir der immer mehr anwachsenden Bedrohung des Drachenkultes endlich her werden können. Ein jeder hier ist auf die ein oder andere Weise schon mit diesen vermaledeiten Söhnen der Tiamat zusammengestoßen. Manche oft und über Jahrzehnte andere erst einmal vor kurzer Zeit. Aber uns allen ist gemeinsam, dass wir uns dem Kampf gegen diesen Feind verschrieben haben. Bis heute wissen wir nicht, was genau sie planen und von wo aus sie operieren, aber wir haben viele Hinweise, viele kleine Bruchstücke, die wir nur zusammensetzen müssen. Es gibt viele Berichte von Plünderungen durch Söldner in diesen Regionen, doch bisher haben wir nie viel mehr in Erfahrung bringen können, als das Drachen und Drachengeborene Anteil an diesen Plünderungen hatten. Doch gestern Abend hat uns neue Kunde erreicht und deshalb haben wir uns heute hier versammelt, um Rat zu halten. Südlich von Berdusk, nahe eines kleinen Dorfes namens Grünnest, ist ein Schlag gegen den Drachenkult gelungen, ohne dass unser Orden diesen befohlen oder geführt hätte. Drei der tapferen Recken sind jetzt unter uns." Der Blick des Zwerges blieb lange an Thamior, Rurik und Däny hängen. Die anderen versammelten warfen den dreien ebenfalls anerkennende Blicke zu und wandten sich erst wieder in Richtung von Onthar Frume als dieser fortfuhr: "Selbst ich habe noch keinen ausführlichen Bericht von den Ereignissen in Grünnest bekommen und deshalb möchte ich euch drei nun bitten, erzählt, was euch widerfahren ist und was ihr über den Kult habt in Erfahrung bringen können."