Sollte Flannait tatsächlich geglaubt haben, Basilios Kurzbogen sei ihrem Langbogen in Punkto Zuggewicht unterlegen, so muss sie überrascht zur Kenntnis nehmen, dass vielmehr das Gegenteil der Fall ist. Sie selbst hat Mühe, ihn zu spannen, ohne dass ihr die Arme zittern, und Siola ergeht's noch schlimmer (weil sie länger zielen muss.) Nun hat Flannait zwar seinerzeit mitbekommen, wie Basilio die Aufforderung eines Halblings zum Armdrücken ausgeschlagen hat—und es für weise befunden, denn sie hätte einen Monatssold auf Oswin gesetzt—aber das heißt offenbar noch lange nicht, dass er ein solches mit ihr selbst als Gegner fürchten müsste.
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Basilio ist der letzte, der sich von den Matrosen losreißen kann. Seine Kameraden haben bereits festen Erdboden unter den Füßen, als der kleine Koraker den Steg herabgeschossen kommt, als sei ein Schwarm Hornissen hinter ihm her. Beim Rest der Gruppe angelangt, schlägt er um sich und klopft sich die Kleidung aus, was den Eindruck, er wolle Ungeziefer verjagen, nur verstärkt. Als er sich endlich so weit gefangen hat, um sich in artikulierten Sprachlauten auszudrücken, statt in panischen Urlauten, bedrängt er Amaara noch völlig aufgelöst:
"Bitte bitte sag mir, das ist bloß eine lustige Sitte der Svimohzer und nicht etwa hier in Prompeldia so üblich! Ich meine, die Stadt hat einen derart harten Ruf, das kann einfach nicht hiesige Sitte sein! Dass man sich—unter Männern! kaum vier Tage bekannt! und keine gemeinsame Not durchstanden, keine Schlacht Seite an Seite geschlagen, nicht mit vereinten Kräften knapp dem Tod entronnen!—dass man sich da derart herzt und abknutscht wie selbst Mann und Frau, egal wie arg der Liebesrausch sie packt, dies nicht vor Zeugen täten?"Noch während Amaara ihn beruhigt (oder auch nicht?), schaut Basilio sich neugierig um. In den letzten vier Jahren ist er zwar in ganz Korak herumgekommen, aber dies ist erst das zweite Mal, nach der kurzen, aber aufregenden Reise nach Ek'Gakel neulich, dass es ihn in ein fremdes Land verschlagen hat. (Außer man zählt den Geheimauftrag dazu, der ihn vor zwei Jahren mit Flannait und ein paar anderen Auserwählten zusammen tief ins feindliche Norga-Krangel geführt hat. Aber na ja, dort ist man halt durch die Wildnis geschlichen, die sieht jenseits der Grenze nicht viel anders aus als auf korakischer Seite.) Das hier ist jedenfalls etwas ganz anderes. Tief atmet er die fremden Düfte ein. Lauscht den fremden Lauten. Lässt das grellbunte Treiben auf sich wirken. Welch Farbenpracht! Was für ulkige Gewänder! Die Gesichter (ja, tatsächlich viele Grünhäute darunter!), die Tiere (wozu braucht das Vieh so viel Fell, bei der Hitze?), die Häuser (über- und untereinander und durcheinandergewürfelt und von vielen fragt man sich, wie können die überhaupt noch stehen), und nicht zuletzt die Waren—alles so exotisch! Am liebsten würde er sich sofort hineinstürzen ins Gewühl...
Den flüchtenden kleinen Dieb bemerkt er gerade rechtzeitig, um aus dem Weg zu springen. Doch jemand anderes packt zu. Ausgerechnet El`ssa. Er schnaubt. Dass sie sich anmaßt, über alles und jeden ein Urteil zu fallen (also ganz besonders über ihn selbst), ist ihm ja bereits aufgefallen. Dass sie sich aber in einem fremden Land gleich, kaum hat sie beide Füße an Land, in Dinge einmischen muss, die sie gar nichts angehen (die Ironie dieses Gedankens entgeht ihm völlig), wie etwa das Stellen von jugendlichen Melonendieben...ohne etwas über die hiesige Justiz zu wissen (wie verfährt man hier mit Dieben?)... ohne die Situation zu überblicken... ohne über die Konsequenzen nachzudenken, für den Jungen aber auch die Gruppe. 'Schlimmstenfalls wird man erkennen, dass ihr von außerhalb seid' meinte Amaara vorhin.
Falsch. Schlimmstenfalls wird gleich bei unserer Ankunft die Obrigkeit auf uns aufmerksam..."Ähm, wollen wir nicht einfach..." uns unauffällig verdrücken, wäre sein Satz vielleicht weitergegangen, doch dazu scheint es bereits zu spät.