Die Menta-Shatt
Die Menta-Shatt sind eine Spezies, die bereits seit mehreren Jahrzehntausenden Raumfahrt betreibt. Körperlich klein und grazil, haben sie sich schon sehr früh in ihrer Geschichte auf Werkzeuge und Hilfsmittel aller Art stützen müssen. Da sie hochintelligent und sehr erfindungsreich sind, haben sie sich ihren Heimatplaneten, eine warme, trockene Welt mit weiten Steppenlandschaften und heftigen Stürmen, sehr rasch untertan gemacht. Als äußerst hilfreich erwies sich auf ihrem Weg auch die Tendenz der Menta-Shatt, zwar gegen andere Spezies sehr aggressiv aufzutreten, innerhalb der Art aber ein Ausmaß an Kooperationsbereitschaft zu zeigen, das an einen Ameisenstaat erinnert.
Hierbei spielen Pheromone eine zentrale Rolle, die sich in Maßen auch zur Beeinflussung anderer Wesen einsetzen lassen und überdies der Sprache der Menta-Shatt Nuancen verleihen, die für Außenstehende weder zu verstehen noch zu erlernen sind. Infolge dieser ihrer hohen Organisation tendieren Menta-Shatt dazu, auf andere Intelligenzwesen herabzuschauen und sie mit einer gönnerhaften Arroganz zu behandeln – das spiegelt sich auch in ihrem Eigennamen wider, der grob übersetzt so viel bedeutet wie "Die Denkenden".
Bis vor etwa zweitausend Jahren wiesen die Menta-Shatt einen starken Geschlechtsdimorphismus auf, der sich nicht nur in anatomischen Unterschieden, sondern auch in einer zweigeteilten Ausprägung der von ihren Körpern produzierten Pheromone zeigte. Er führte zu einer Teilung in zwei Ghatra oder Kasten, nämlich die Erd- und die Windkaste. Weibliche Menta-Shatt als Mitglieder der Erdkaste entwickelten durch gegenseitige Verstärkung der Pheromoneffekte mentale Eigenschaften wie Geduld, Friedfertigkeit und Konzentrationsfähigkeit, was sie zu idealen Wissenschaftlerinnen, Verwaltungsspezialistinnen und Kulturschaffenden machte. Männliche Vertreter der Art dagegen zeichneten sich aufgrund desselben Mechanismus als multitaskingfähig, reaktionsschnell und kurzentschlossen aus – hervorragende Voraussetzungen für praktisch arbeitende Ingenieure, Raumfahrer und vor allem Soldaten, die dementsprechend von ihrer Windkaste gestellt wurden. Diese Arbeitsteilung erwies sich, wenn auch starr und für das Individuum einschränkend, als höchst effizient für die Ausbreitung der Zivilisation durch die gewaltsame Inbesitznahme fremder Welten. Das i-Menta Vesajan, das Große Imperium, florierte, und es schien kein ebenbürtiger Gegner weit und breit in Sicht.
Tatsächlich waren es auch die Menta-Shatt selbst, welche die eigene Spezies um ein Haar ausgelöscht hätten. Ihre grenzenlose Eroberungswut führte nämlich dazu, dass sich zahlreiche raumfahrende Spezies unter Führung der Luonnatar zu einem Verteidigungsbündnis zusammenschlossen und die großen Schlachtschiffe des Imperiums trotz ihrer immensen, allseits gefürchteten Feuerkraft ganz allmählich immer weiter zurückdrängten. Eine Stützpunktwelt nach der anderen ging verloren, der Nachschub an dringend benötigten Ressourcen ging zurück, und schließlich wurde selbst den hochmütigsten auf der Heimawelt Mentar klar, dass eine Fortsetzung des Konflikts endlich zum Untergang aller Menta-Shatt führen müsste. Es galt zu handeln, um die eigene Art zu retten, und obwohl die Kasten – die Erdkaste einerseits in ihrer kühl berechnenden Art, die Windkaste andererseits mit dem Drang, sich dem Feind zu stellen – mit sehr unterschiedlichen Positionen in die Beratungen gingen, setzten sich letztlich die Ansichten der Erdkaste durch: Gleich wie sehr das heiße Blut der Kämpferkaste nach Sühne für die große Schmach schrie, konnte kein Menta-Shatt die Verpflichtung für die Art als ganze verleugnen. Verhandlungen mit dem Bündnis wurden eilig eingeleitet, und beide Seiten, des verlustreichen Krieges müde, einigten sich innerhalb weniger Jahre auf den Großen Plan der Erdkaste, den i-Dara Shatt Amojann.
Erdacht und umgesetzt mit der Konsequenz, für die sie bekannt waren, entschlossen sich die Menta-Shatt, für den Preis des Friedens ihre gesamte Gesellschaftsstruktur, das Kastensystem, ja sogar ihre biologische Identität zu erneuern. Im Rahmen eines genetischen Großprojekts taten sich Mediziner und Wissenschaftler vieler Disziplinen zusammen, um den Menta-Shatt eine neue Gestalt zu geben, welche die Gefährdung anderer durch ihren Eroberungstrieb auf alle Zeiten bannen sollte. Das Ergebnis waren die heutigen Vertreter der Spezies, die als eingeschlechtliche Wesen von androgynem Äußerem die Stärken beider Geschlechter in sich vereinen, ohne indes zu den charakterlichen Extremen wie Aggressivität und Gefühllosigkeit zu neigen, welche zum Großen Krieg führten. Eine Kampfflotte besitzt das nunmehr in Form unzähliger Forschungs- und Handelsstationen neu erstandene Reich der Menta-Shatt nicht mehr. Seine Mitglieder fügen sich auf den verschiedensten Welten friedlich in deren jeweilige Gesellschaft ein. Auch wenn sie nach wie vor als hochnäsige und pingelige, luxusverwöhnte Geschöpfe gelten, schätzt man doch allerorten ihre unbestreitbaren Kenntnisse und Fähigkeiten von der Medizin über die Energietechnik, das Terraforming, die feine Kultur – vor allem bildende Künste – bis hin zu ihren Verwaltungsspezialisten und Finanzberatern. Es mag die Nerven etwas strapazieren, sich von den zerbrechlich, auf viele kindlich wirkenden Wesen die eigene geistige und zivilisatorische Unterlegenheit immer wieder auf mehr oder minder subtile Weise unter das Riechorgan reiben zu lassen, aber der Vorteil, von ihren Technologien und Spezialisten zu profitieren, ist einfach zu groß – darauf zu verzichten, hieße das Vorurteil der Menta-Shatt zu bestätigen.