Spoiler (Anzeigen)„Junge, verdammt, kauf dir `ne vernünftige Rüstung, siehst ja aus wie so’n alter Baumschmuser…“ Raspun Nasenbrecher, mein Onkel sagte diesen Satz zu meinem hundertsten Geburtstag. Ein Satz der mich trotz seiner Banalität inzwischen recht gut beschreiben mag und mich sehr prägte. War ein wuchtiger Kerl, mein Onkel, und obwohl aus einfachsten Verhältnissen kam und obwohl er die Ausbildung an den vielen Waffen meines Volkes dem Lesen und Schreiben vorzog, war er wohl viel weiser, als ich es je werden kann.
Er war mein Patenonkel und wohl niemals zufrieden mit mir, einem jungen, selbstherrlichem Zwergen aus normalem Zuhause, einem windigen Hund und Maulheld, einem Versager, der nicht viel tat, außer so zu tun, als wären Luftschlösser fester als Erdwälle.
„Du bist so weich wie alter Ziegenkäse und dein Bart wird nie wachsen, wenn du so elfisch bleibst. – Schwing die Keule fester, selbst Mutter hat Trolle erwürgt. – Du willst ein Zwerg sein? Es ist kein Zufall, dass Zwerg und Berg sich reimen, Cornac. Du bist nicht mal ein Hügel!“
In meiner Jugend hasste ich seine beleidigende Art, hatte die Weisheit hinter seinen Worten noch nicht erkannt. Aber das sollte sich ändern.
Ich bin Cornac Trümmeraxt, viertgeborener Sohn von Tumlin Trümmeraxt und Geerda Nasenbrecher, jüngstes Mitglied einer wohlhabenden und martialischen Familie. Inzwischen habe ich 118 Winter erlebt, vier menschliche Generationen des Krieges erlebt und auch sonst eine ziemliche Menge mehr oder weniger nützlicher Erfahrung.
Geboren wurde ich in Zakrovo, einer kleiner zwergischen Minenstadt in den nördlichen Eisenbergen. Eisenerze, Silbererze, Golderze, mit all diesen Sachen verbrachte ich mein frühes Leben, Tumlin war Schmiedemeister der Gemeinde und jeder seiner Söhne, nicht halb so talentiert wie ihr Vater, wurde zu dieser Ausbildung ermutigt. Mir fiel es schwer diesen Beruf auszuüben, hatte ich doch etwas nicht an mir, was meine drei älteren Brüder, ich hab keine Schwestern, mir voraushatten. Bärenstärke. Ich hingegen war ein kränkelndes Kind, und war schwächlich und gebrechlich, dünn und bartlos. Und lebte in meinen Träumen. Ich führte die Axt, wie ein Jüngling seinen ersten Tanz mit einem Mädel vollführte, schüchtern und voller Ängste, gelähmt vor Scham, stolpernd, humpelnd, keuchend.
Zugebenermaßen geht es mir heute noch nicht viel besser. Für meinen Onkel, Raspun, der auch noch mein Patenonkel war und Mutters älterer Bruder, muss es ein beschämendes Gefühl gewesen zu sein, ausgerechnet mein Pate gewesen zu sein. Meine Brüder kämpften schon teilweise eine Jahrzehnt an der Seite meines Onkels gegen die Goblinstämme, welche die Minen immer wieder bedrohten, da konnte ich gerade den riesigen Streitkolben Onkel Raspuns anheben, dessen Schlagkopf so groß wie ein Ogerschädel war, weshalb er seine Waffe auch so nannte. Wir waren eine kleine Siedlung sagte ich, es lebten dort etwa zweihundert Zwerge und siebzehn menschliche Hilfsarbeiter, und dementsprechend sprach sich meine Schwäche schnell herum. Der alte Tumlin, wie ich meinen Vater liebevoll zu nennen wage, machte sich Sorgen um mich, und in Absprache mit Raspun überraschten sie mich zu meinem fünfzigsten Geburtstag mit einer Überraschung.
„Du bist so viel Zwerg, wie ich eine Grig, Hwîn.“
Keine schöne Begrüßung zum Geburtstag. Raspun hatte sich angewöhnt mich mit einem elfischen Wort anzusprechen, bis heute das einzige Wort dieser Sprache, welches ich verstehe. Es heißt Schwäche. Wolgont, ein klammer, alter Zwerg mit stets schwitziger Haut, nahm sich meiner an diesem Tag an. Wolgont Steinsang, war ein Diener des Seelenschmiedes, ein Erdmann, wie man es bei uns nennt. Ich mochte ihn als Junge schon nicht, weil er immer diese feuchten, schweißnassen Hände hatte, die einem sanft an der Wange berührten. Ein hässlicher Einzelgänger, den man nur an Tagen des Regens in seinem Schrein besuchte, um Moradins Segen zu empfangen.
Ich fühlte mich bestraft.
„Sohn, ich werde dir zeigen, wie tief deine Wurzeln reichen.“ Wolgont sagte mir diesen Satz wieder und wieder. Eigentlich war dies seine Antwort auf alles. Und nun ja, er hatte Recht.
Ich verstand die Rufe der Erde nur noch nicht zu dieser Zeit. Er brach meinen Trotz schnell, der war nur jugendlich und aus Scham gewesen.
Er brachte mir sogar weiter das Schmieden bei, erklärte mir, dass die Erde uns die Kraft gäbe, die wir bräuchten und nur deswegen wären wir so zäh; erklärte mir, dass, wie der Seelenschmied uns aus Eisen und Adamant gießen würde und uns eine Seele einhauchte, jeder Zwerg die Möglichkeit hätte, seinen Schöpfungen eine Seele einzuhauchen, weshalb wir das Handwerk achten und weitergeben sollten. Er brachte mir auch bei, dass Schmieden nicht nur eine Sache der Kraft, sondern auch von Technik war. Es war eine schöne Zeit.
„Riechst du nach alten Goblinsohlen? Oder bin ich das?“
Welch ein Ausdruck der Verwunderung, er sollte mich eine Weile begleiten. Nunsa Steinsang war die Enkelin von Wolgont und trat zu meinem achtzigsten Geburtstag in mein Leben, noch immer konnte ich so gut kämpfen, wie ein aufgeknüpfter Goblin. Raspun verachtete mich wohl noch immer, aber unverhofft war ich der letzte der Trümmeraxtbande, neben meinen Brüdern Wolf, Eitrok und Setask, welcher doch noch zu Verantwortung kam. Mein Ruf hatte sich verbessert und ich war ein passabler Schmied geworden. Mein Rüstungsset für meinen Bruder Wolf hatte mir einen Ruf gebracht, gefertigt aus geschwärztem Eisen und polierter Bronze, hatte er die schönste Zeremonienrüstung zu seiner Beförderung zum Hauptmann der Wachmannschaft getragen, welche Zakrovo je gesehen hatte.
Kurz vor meinem Geburtstag gab es allerdings schlechte Kunde für das Dorf, denn Wolgont war einer langwierigen Krankheit zum Opfer gefallen, welche er schon vor dreißig Jahren gehabt hatte. Auswüchse, welche seine Nieren verwuchert haben, hatte er mir mal gesagt, nichts Schlimmes war es für ihn, aber es kostete ihm das Leben. Zwergische Standhaftigkeit, wie sie mir zum Vorbild gereichte.
Zu meiner Überraschung wurde ich vom alten Tumlin zum neuen Erdmann vorgeschlagen.
Nunsa überreichte mir symbolisch die Kette von Hammer und Amboss, das heilige Symbol des Moradin und machte mich damit zum Erdmann von Zakrovo. Schöner Titel.
Doch er war uninteressant für mich, die junge Nunsa war viel interessanter.
„Komm schon, Hwîn, es sind nur zwanzig Tagesmärsche!“
Kaum zu glauben, aber meine Frau nannte mich wie Raspun. Sie meinte, es wäre eine Art Ehrerbietung für den alten Raspun. Mein Onkel war von einem uralten Bergtroll erschlagen wurden, ausgerechnet an dem Tag, an dem ich ein Ollam Moradins wurde. Ollam, Ollamh oder wie man es nennen mag, klingt für viele bescheiden, nicht gerade passend für einen hohen Titel. Es bedeutet Lehrer und ich hatte ihm zu meinem hundertersten Geburtstag verliehen bekommen. Ich war ein Zwerg geworden. Kann es selbst noch kaum glauben und nachvollziehen, wie es dazu kam. Aber ich denke, es war mein Gott, der das zwergische Feuer in mir entfachte. Ich bin über die vielen Jahre viel zäher geworden, nicht stärker vom Körperbau, aber im Geiste. Habe Luftschlösser abgerissen und Erdwälle errichtet, bin vom windigen Hund zu stehenden Stein geworden. Und habe geheiratet.
Und ich hatte die Vorzüge einer schweren Rüstung kennengelernt. Raspun hatte Recht gehabt und der Bergtroll musste über meine Handwerkskunst gestaunt haben, als seine Keule an meinem eisernen Stoffgewand abprallte und mein Streitkolben seinen Schädel zertrümmerte. Schöne Erinnerung an eine erfolgreiche Vergeltung.
Als ich Ollam geworden bin, habe ich den Titel eines Erdmanns abgegeben an Eitroks Sohn Tarok, habe ihn ausgebildet. Als Ollam bin ich nicht nur verpflichtet, den Zwergen das Wissen des eigenen Volkes zu lehren, und darin bin ich, bei Moradin, so bewandert wie Wolf im Zweikampf, sondern auch das Wissen des zwergischen Volkes mit der Welt zu teilen.
Und meine Frau nimmt meine Pflichten sehr ernst. Nunsa drängt auf alle zwergischen Pflichten, die ich zu erfüllen habe.
Wir waren auf dem Weg nach Freihafen, dass war vor fünf Jahren. Zwischen Zakrovo und Freihafen lagen Wälder, Dschungel, Wüsten und Meere. Ich habe mit diesem Mist zu leben gelernt, nichts geht über reine Erde, besonders in fester, bergiger Form. Freihafen hatte leider nicht so viel davon.
„Meinst du nicht, du willst langsam mal mit der Familiengründung anfangen?“
O Miser! Nicht nur mir lag Nunsa mit ihren Kinderwünschen in den Haaren, sondern auch Nichtzwergen. Seit fünf Jahren lebe ich nun in diesem kleinen Miethaus im Hafenviertel und jeden Tag nervte mich Morgan mit diesen Worten, er war beinahe so schlimm wie meine Frau bei diesem Thema. „Schau mal, wo ich wohne, Morgan? Soll ich meinem Sohn oder meiner Tochter dieses Viertel hier bieten? Und die paar Kohlenstücke, die ich verdiene, reichen nicht mal, um meine Schmiede anzuheizen!“
„Du hast keine Schmiede, Cornac. Außerdem mag deine Frau es hier. Sonst melde dich doch mal bei Finn, er hat bestimmt Verwendung für einen Mann, wie dich!“
Jeden Tag dieselbe Leier. Morgan, der inzwischen zur Ruhe gesetzte Seemann, begleitete mich jeden Morgen in die Spelunke am Ende der Straße, wenn wir Information einholten. Er war ein Verehrer meiner Frau geworden, nachdem sie die halbe Taverne in ihrer Wut auseinandergenommen hatte. Sie war schlimmer als Raspun, wenn es um Ehrverletzungen ging, und dann, bei Moradin, ging es rund. Ich hatte vorher sieben Monate den Sohn irgendeines zwielichten Schiffsbesitzers gezüchtigt und ihm Lesen und Schreiben beigebracht. 1000 Goldmünzen habe ich dafür bekommen und sie für die Renovierung der Taverne wieder verloren. Jaja, mein liebes Weib.
Er hatte Recht, ich war finanziell dazu gezwungen, für diesen Finn etwas zu tun. Und die Arbeit war einfach. Ich habe die Augen und Ohren für ihn offen gehalten und hin und wieder einen Plausch für ihn gehalten. Hat mich über Erwartung bezahlt, für einen Gefallen. Musste zustimmen, meine Frau hatte in der Zwischenzeit den Laden eines Fischhändlers verwüstet. Vielleicht sollte ich wirklich mal ein Kind zeugen, vielleicht wird sie dann ruhiger…
„Bist stark, schön und mutig, Cornac. Stark gegen die Wand gelaufen, schön abgeprallt und mutig wieder angelaufen.“
Ich hasse Morgan irgendwie, merke, dass ich mich verändert habe. Zwergische Prinzipien in einer Minenstadt aufrechtzuerhalten, in der nur Zwerge leben, das ist keine Herausforderung. Den Anforderungen einer wütenden Ehegemahlin und einer alles verschlingenden Hafenstadt gerecht zu werden. Das ist ein Problem. Wie gesagt, hasse Morgan irgendwie, macht mir irgendwelche wilden Vorschläge und belehrt mich dann, wie dumm ich war, dass ich sie befolgt habe.
Meine Frau ist ruhiger geworden, hab ihr einen Hund geschenkt. Hatte ihn am Hafen gefunden und vor einem hungrigen Halbling verteidigt. Snitch habe ihn genannt, kläfft stets, wenn ich spät nachts nach Hause komme. Sie hat der Hund immerhin gerührt, jetzt macht der den Krawall.
Ich hatte mir in letzter Zeit auch eine ordentliche Arbeit zugelegt, neben diversen Privatlehrtätigkeiten, habe ich angefangen mit Informationen zu handeln und für ausgewählte Kunden Rüstungen herzustellen, wenn sie mir Schmiede und Materialien stellen. Ich beantworte Fragen, welche Schiffe mit verschanzter Ladung einlaufen oder vor Anker liegen, wo illegal Ladung gelöscht wird, wer mit wem geht und wann Handelsleute, wann und wo zu treuhänderischen Verschwörungen zusammentreten, oder bei Streitfragen, welche hinterhältigen Makler sie einstellen, um für sie zu handeln.
Bin irgendwie schon recht lange hier, aber die Aufstiegsmöglichkeiten waren bisher nicht groß. Das Haus ist noch dasselbe, meine Frau fühlt sich immerhin wohl. Ich bin zu nah am Wasser.
Aber immerhin werde ich das Gefühl nicht los, dass der Erdvater möchte, dass sein alter Erdmann hier ist. Habe gestern deswegen einen Brief nach Hause geschrieben, meiner Familie versichert, dass ich noch mindestens ein, zwei Jahre fort bleibe. Heute Abend gab es mal wieder Streit wegen der Familienplanung. Ich möchte kein Kind in dieser Stadt, ich habe zu viele schlechte Dinge gehört. Hoffentlich kann ich sie irgendwann überzeugen. Morgen früh nochmal das gleiche Gespräch, mit Morgan. Ich geh ins Bett.