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« am: 06.07.2009, 21:56:42 »
Friedrich freute sich auf Borkum. Er war zwar vor zwei Wochen erst aus Ägypten zurückgekehrt, jedoch war das Wetter in Afrika derzeit derart unerträglich, dass man das kaum als Urlaub verbuchen konnte. Entspannt lehnte er sich in seinem gepolsterten Sitz zurück und ließ die Gedanken schweifen, während er die Landschaft an sich vorbeiziehen sah. Die Zugfahrt erwies sich, wie erwartet, als ausgesprochen angenehm. Freilich war nichts Geringeres für den Preis, den Irving und er hatten zahlen müssen, zu erwarten. Ab und zu holte er seine Lektüre hervor, ein Buch über Heinrich Schliemanns Troja-Ausgrabungen. Nachdem er in den letzten Monaten immer wieder selbst Ausgrabungen unternommen hatte, war er zunehmend fasziniert von dem Lebenswerk des ersten großen Archäologiepioniers.
Nach vielen Stunden Fahrt rollt der Zug endlich in Emden ein und Irving und Friedrich können sich nach draußen begeben - aber die Nordsee ist vor lauter Menschenmassen kaum auszumachen. Er hebt die Hand, um die Augen vor der Sonne abzuschirmen, und begutachtet die Rheinland, wie sie fast majestätisch über die Kaimauern aufragt. "Ein prächtiges Schiff", murmelt er.
Hinter den beiden Männern bauen sich derweil gepäckbeladene Mengen von Zuggästen auf, die aus den Abteilen der niederen Klassen strömen, und er folgt schnell seinem Freund an die Kaimauer, um nicht im Weg zu stehen. Was für ein Stress es wäre, die Koffer jetzt noch aufgeben zu müssen! Mit gemischten Gefühlen schaut er dem bunten Treiben zu. "Die Armen, ein paar Packesel wären hier wohl angebracht."
"Zu deiner Frage: Ich vermute, dass dies infolge von Meeresströmungen, hauptsächlich aber Sturmfluten geschehen ist. Die friesischen Inseln wurden immer wieder von starken Unwettern heimgesucht. Früher gab es wesentlich weniger ostfriesische Inseln, aber die Allerheiligenflut im zwölften Jahrhundert hat die damalige Insel Bant in sechs kleine, unter anderem Borkum, zerbrochen." Er hält kurz inne und ist sich nicht sicher, ob Irving wirklich so viel wissen wollte, und entdeckt dann den verschmitzten Blick auf dessen Gesicht. Er grinst zurück. "Also ich schätze mal, dass die beiden irgendwo da drüben sein werden. Ansonsten helfen nur aufmerksames Suchen und scharfe Augen." Mit einer ausholenden Geste deutet Friedrich grob in Richtung der Schalter. "Ich schätze, der Treffpunkt hätte durchaus genauer festgelegt werden können." Er zuckt entschuldigend mit den Schultern, ändern lässt es sich nun eh nicht mehr, und setzt sich in die angedeutete Richtung in Bewegung. "Wir sollten die Gelegenheit nutzen und uns nach dem langen Sitzen in der Bahn ein wenig die Beine vertreten."