6
« am: 22.09.2020, 22:38:00 »
"Doch nicht meinetwegen!", will Ayleen protestieren, als der Diskussion für eine Pause kommt. Doch sie ist zu erschöpft, um es tatsächlich zu sagen. Mit verschlossener Miene nimmt sie es hin, dass ihre Schwäche offenkundig ist. Das Verzehren der zähen Wegrationen erleichtert sie sich mit ausgiebiger Vorbereitung: Sie zerschneidet es in kleinste Happen und ergänzt es um viel Wasser. Insgesamt ist sie fast am wenigsten von allen. Die weitere Reise erleichtert sie sich dadurch, im Marschrhythmus Lieder zu summen. Nichts davon klingt nach dem Musikinternat, sondern passt mehr zu den weiten Ebenen und der Tierwelt, die in ihr und über ihr ihre Kreise ziehen. Das Kampieren im Freien ist ihr offensichtlich vertraut, und sie wird zur Nacht wieder entspannter. Sie regt am Lagerfeuer dazu an, Geschichten auszutauschen. Sie selbst gibt eine weitere Legende ihres Vogelstammes zum besten. Am Morgen verbringt sie mehr Zeit damit, sich zurechtzumachen, als mit dem Essen.
Vor dem Aufbruch bittet sie um ein wenig Geduld. Sie kaut eines ihrer Kräuter aus dem Beutel und beginnt einen leisen, hypnotischen Singsang. Mithilfe der Asche und der angekohlten Äste zeichnet sie in mühsehliger Kleinarbeit eine Skizze eines Menschen auf Lagerboden zu zeichnen. Sie wird mit einem Kreis voller Runen umgeben. Zum Abschluss der Zeichnung vervollständigt sie die Skizze des Menschen um einige Attribute wie Hochsteckfrisur, schmale Gesichtszüge und ein Kleidchen, die verräterisch nach Tiffany aussehen. Mit einem letzten Akt greift die Indianerelfe in ihren Beutel und wirft bei geschlossenen Augen die zufällig gegriffenen Kleinteile wie Steine, Muscheln und Kräuter über ihren Zauberkreis. Sie braucht einpaar Augenblicke, sich wieder zu sammeln und untersucht dann vorsichtig das Ergebnis ihres Rituals. Mehr zu sich selbst als zu den anderen murmelt sie: "Mal sehen, was das Schicksal für Tiffany bereithält..."
Ayleen beobachtet die geworfenen Kleinteile bei ihrem Tanz, der einigermaßen Zeit in Anspruch nimmt. Sie braucht eine Weile und zieht ihre Stirn vor Konzentration kraus, bevor sie wieder etwas sagt. Entweder fällt es ihr schwer, sich an die Regeln ihres Rituals zu erinnern oder die Zeichen zu deuten, die vor ihr liegen. Mit einem Seufzen verkündet sie schließlich: "Tiffany wird in ihrer Zukunft eine große Entscheidung treffen müssen, eine Wahl zwischen ihrem persönlichen Glück und dem anderer. Egal, wie die Entscheidung ausfällt, in beiden Fällen wird sie etwas Wertvolles bewahren und etwas Wertvolles opfern müssen. Für eine andere Lösung braucht sie Hilfe." Ayleen steht auf und sieht ihre Mitschüler an: "Lasst uns diese Hilfe sein!" Als ihr klar wird, was sie gerade für eine Show veranstaltet und für Worte gesprochen hat, errötet sie und macht sich schnell daran, ihre Sachen einzusammeln. Dabei wird die Zeichnung verwischt, aber sie ist bald aufbruchfertig.