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Dalaran / Der Weihort
« am: 21.12.2016, 21:48:53 »Episode 1: Der Weihort
Zitat
"Nicht das Gefühl oder die Absicht zählt, nur die Tat selbst. Ein Mord aus Liebe ist nicht weniger verwerflich als ein Mord aus Hass. Die schrecklichsten Taten auf der Welt wurden aus Liebe begangen. Liebe ist eine schlechte Ausrede für ein Gewaltverbrechen."Das überlieferte Wort des Propheten Javrud
Eine Gruppe von sieben Reitern auf ihren Rappen folgt in loser Zweierreihe dem matschigen Pfad. Rechts und links, vor und hinter ihnen erstreckt sich Ferslands helles Grün in einem Grasmeer. Der Wind treibt Wolken über den Sommerhimmel, verschleiert die Sonnenscheibe, um sie kurz darauf wieder freizugeben. Aber die Wolken sind von der hellen Art, kein Dunkles Grau am Firmament - es sieht nicht nach Regen aus. Und unten über dem Gras ist auch der Windzug nur noch zu einem Hauch geschrumpft. Ein guter Sommertag in Dalaran.
Der Blick ist frei gen Westen. Ritte man in diese Richtung, und das sechs volle Tage, käme man an die Ausläufer und den ewigen Nebel von Loch Leskos. Im Osten, etwa einen halben Tagesritt entfernt, brandet das Gras an seine Grenzen - ein Ufer aus Nadelbäumen: Wacholder, Fichte, Kiefer - der Urdan-Wald. Er zieht sich über den Horizont, erklimmt den Rücken der Bergkette dahinter bis zur Baumgrenze, dann erobern Moos und Stein den steilen Hang, um ihrerseits an den Spitzen dem ewigen Schnee zu weichen. Die Bergkette von Onur.
Der Pfad, den die Reiter nehmen, führt gen Süden. In wenigen Meilen wird er sich gabeln. Der Hauptstrang zieht dann weiter geradeaus. Noch ein halber Tagesritt von da an, und man erreicht den Gjolkard-Wall. Die Große Mauer zu Jongot. Gebaut gegen die Dämonen, aber anders als die Wälle im Westen von Linsberg nicht als erste Verteidigungslinie an den Berghängen, sondern als letzte Linie, falls Jongot fallen sollte. Das Grau des Walls sticht bereits am Herizont hervor - ein Mahnmal für die Lebenden, nicht zu versagen. Doch das ist nicht das Ziel der Gruppe.
Sie wird an der Abzweigung den zweiten Pfad nehmen, der nach Südosten zum dünnen Küstenstreifen zwischen Gjolkard-Wall und den Bergen abbiegt. Auch hier nur ein halber Tagesritt von da an, bis man unweit der Küste das Dörfchen Ansdag erreicht - das erste Ziel ihrer Reise.
* * *
Fürst Ayrin hatte sie alle in Kromdag angeworben, jeden auf seine Weise. Nur Talahan schien er von früher zu kennen - den mürrischen Recken, mit stuppigem schwarzen Vollbart mit grauen Strähnen und ebensolchem Haar, und der nach unten offenen Dreieckstätowierung auf der Stirn, die ihn als Paladin der Behadrim kennzeichnete. Ihm hatte er die Führung der Gruppe anvertraut. Der Auftrag war einfach und verworren zugleich: Zwei Karawanen, beide auf dem Weg nach Ansdag am südlichsten Punkt der Fersländer Küste, die Karren beladen mit dringend benötigter Handelsware für das Große Festland hinter dem Meer, seien gemäß einem Boten des örtlichen Fürsten nie angekommen. Aegon Ayrin hatte daraufhin einen Späher ausgesandt, die Gegend zu erkunden und die Spur der Karawanen aufzunehmen. Doch das war nun vor fast einem Mond gewesen und der Mann blieb verschwunden. Irgendetwas stimmte nicht.
"Ihr müsst im Süden nach den Rechten sehen", hatte Ayrin gesagt. "Der Krieg im Norden bindet all unsere Mittel. Der Herzog und seine Söhne brauchen all ihre Kraft, um die Waage an der Front im Gleichgewicht zu halten. Kippt sie zugunsten des falschen Königs, bevor die Zwartjod in Bächland anlanden und die zweite Front eröffnen können, wird Kromdag brennen. Die Bulvaj können sich jetzt nicht um irgendwelche Karawanen im Süden kümmern. Und wir können auch keine Männer von der Front entbehren, um in den Grassteppen oder im Wald von Urdan nach irgendwelchen Banditen zu suchen.
Ihr müsst nach Ansdag. Sprecht mit dem örtlichen Fürsten, wenn ihr wollt. Soren, der dritte seines Namens - oder war er schon der vierte?; einerlei. Soren aus dem Hause Villag herrscht laut Gesetz über Ansdag, aber das ist nichts als Geschwätz. Die Behadrim haben sowohl den Fürsten, als auch die beiden kläglichen Hundertschaften der Dorfbevölkerung fest im Griff. Das Kloster von Ansdag ist der wahre Regierungssitz und die Gottesmänner und ihre beiden Paladine sind es, die dort nach den Rechten sehen. Sprecht also auf jeden Fall mit dem Abt, wenn ihr dort ankommt."
Talahan hatte missmutig die Karte auf dem Tisch des Besprechungsraumes gemustert. Zwei Ortschaften waren dort zwischen Gjolkard-Wall und den Bergen von Onur an der Küste eingezeichnet: Ansdag im Norden, an die Ausläufer der Berge geschmiegt, und Sydhavn im Süden, im Schatten des Walls.[1] "Natürlich haben die Kuttenträger dort alles fest im Griff", hatte der Recke zu Verblüffung der anderen gesagt. "Es ist immerhin der Weihort. Ein viel zu großer Name für ein dreckiges Örtchen am Strand, aber wenn sich der Prophet dazu herablässt, in einer nahegelegenen Bergquelle aus eigener Hand die Weihe zu empfangen, tragen die umliegenden Holzhütten wohl immer viel zu große Namen."
Ayrin hatte den Kämpen scharf angeblickt. "Das mag wohl sein. Diese deine Meinung sparst du beim Besuch im Kloster aber aus. Einen Zwischenfall mit den Behadrim können wir gerade gar nicht gebrauchen." Dann geht der Blick des Fürsten zu den anderen Anwesenden. "Wir brauchen die Erträge aus dem Handel mit dem Großen Festland, um diesen Krieg zu finanzieren. Und wir brauchen Ruhe im Süden. Das Land darf nicht brennen, so lange unser Herzog und unsere Männer im Norden die Front halten. Geht nach Ansdag. Bringt alles in Erfahrung und forscht nach. Ich brauche Meldung, spätestens in einem Mond, aber ich brauche nicht noch mehr Fragen. Ich brauche Antworten. Kehrt vor Ablauf der Frist nur zurück, wenn ihr das Rätsel gelöst habt, oder wenn ihr genau wisst, wo der Feind sitzt und sicher seid, mehr Männer für die Lösung zu brauchen."
Daraufhin hatte Ayrin zwei zusammengeschnürte Lederbörsen aus einer Kiste geholt und auf die Karte geschmissen. Klirrend waren die Bündel zu Ruhe gekommen. "Hundert Silberlinge. Das soll eure Ausgaben decken. Dazu stelle ich jedem ein Pferd zu Verfügung, der selbst keins hat. Nehmt es und verschwindet, und ich setze ein Kopfgeld auf euch aus, dass drei mal so hoch ist und werbe drei mal so viele Männer für die Jagd an. Nehmt es und kehrt ohne Erfolg zurück, und wir lassen es dabei bewenden. Kehrt mit Antworten oder besser gleich der Lösung zurück, und die Belohnung wird das Dutzendfache sein."[2]
Talahan hatte zwischen den Börsen auf dem Tisch und seinen neuen Weggefährten hin- und hergeblickt. "Und bessere Leute konntest du nicht finden?", hatte er schließlich Ayrin gefragt. Der Fürst hatte seinen Blick erwidert und geschnaubt. "Nein - sonst hätte ich ja dich nicht angeheuert, alter Wolf."
* * *
Und so waren sie aufgebrochen vor sieben Tagen - ein dunkelhäutiger Fremder, eine Bogenschützin aus dem Ersten Volk, ein Diener des Loch Leskos, eine Druidin des Alten Glaubens und ihr Mann, ein erfahrener Nordmann, wie es schien. Und mit dabei auch eine hagere Nordfrau, schweigsam und zugeknöpft, und der griesgrämige Paladin, der vor dem Strategen des Herzogs die eigene Religion verurteilte. Fürwahr ein bunter Haufen. Aber sie hatten einen Auftrag, der sie einte. Und schon bald würden sie Ansdag erreichen.[3]
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2. | Noch etwas regeltechnisches: Alle Chars bekommen gratis einen Skill-Punkt auf Reiten. Außerdem ist Reiten für alle Klassen ein Class-Skill. |
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