„Es gibt eine Theorie, die besagt,
wenn jemals irgendwer genau herausfindet,
wozu das Universum da ist und warum es da ist,
dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch
noch etwas Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt.
- Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon
acht Mal passiert ist.”
--- frei nach Douglas Adams
Mustafa Soran warf der Maschinenintelligenz am hinteren Ende seines Schreibtisches – die ihm schon einige Stunden an Kopfzerbrechen beschert hatte – grüblerische Blicke zu, während er unkonzentriert die letzten Zeilen seines monatlichen Berichts nach Qi verfasste.
Wenige Minuten später hatte er es geschafft. Er steckte vorsichtig die Kappe auf die Feder und legte sie in die Schublade. Seufzend streckte er die Beine aus, machte sich lang und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf.
Sein Blick wanderte über das Papier zu dem flachen Gerät mit der verbogenen Metallplatte und den Berg an bunten Kabeln und kleinen Gerätschaften mit denen er bisher erfolglos versucht hatte, an die Geheimnisse der Intelligenz zu kommen. Er überlegte, was er falsch machte, an was er bisher nicht gedachte hatte.
Gleich nachdem er den Bericht auf den Weg gebracht und seinen Adepten über dessen weitere Zukunft in Kenntnis gesetzt hatte, würde er versuchen, dem ollen Stück alter Technik sein Geheimnis zu entlocken. Ihm kam eine Idee. Er würde versuchen ... – das knisternde Flackern der an der Decke befestigten leuchtenden Röhren riß Mustafa aus seiner Gedankenwelt.
„So!“, motivierte er sich und ließ sich auf seinem Stuhl wieder nach vorne fallen. Es gab etwas zu tun, das keinen Aufschub zuließ. Geübt faltete er den Brief zusammen und rief Swil Graska, seinen Assistenten und Adept der Bruderschaft. Fast augenblicklich betrat ein hagerer, etwas kränklich aussehender junger Mann das Labor. Mustafa hatte schon viele Adepten beherbergt, doch dieser hier war ausnahmsweise ein vielversprechender Kandidat. Zu schade, dass er ihn schon jetzt auf Wanderschaft schicken musste. Er hätte seine Hilfe gern noch länger in Anspruch genommen.
„Schick bitte den Brief nach Qi. Das wird einer deiner letzten Dienste für mich sein“, fing Mustafa an. An dem Grinsen in Swils Gesicht konnte man ablesen, dass der Adept wusste, was nun folgte und er sich offensichtlich darauf freute.
„Anschliessend kannst du damit beginnen deine Sachen zu packen. Wie du weisst, ist der Zeitpunkt gekommen, an dem du zu deinem nächsten Lehrer aufbrechen musst. Du wirst schon morgen früh aufbrechen, sonst verpasst du womöglich den Schwimmenden Markt, der gerade hier vor der Küste weilt. Hör jetzt gut zu, ich werde das nicht wiederholen“, fuhr Mustafa fort.
„Wenn meine Berechnungen und Annahmen stimmen, wird dich der Markt in die Region Seshar bringen, genauer nach Nebalich. Von dort wirst du entweder durch die Kanäle oder über Land nach Veriton reisen. Veriton liegt etwa 300 Kilometer weiter westlich im Landesinneren. Du wirst Veriton daran erkennen, dass es eine Stadt ist, die auf dem Körper eines riesigen Automatons erbaut wurde. Du gelangst über die linke Hand in die Unterstadt und von dort in die Oberstadt. Aber das wirst du selbst sehen.“
„Wenn du Glück hast, triffst du unterwegs auf ein paar Seshar Waldläufer, die dir den Weg zeigen werden.“
Mustafas Ton wurde ermahnend. „Mach auf jeden Fall nicht den Fehler bis nach Ingwald zu reisen. Dort regiert übles Gesindel und Reisende sind dort nicht gern gesehen und werden später meist mit einem Dolch im Rücken aufgefunden... oder mit einer Axt im Schädel... oder einem Speer im Bauch... ich glaube du verstehst.“
„In Veriton wirst du ein paar Tage bei den Findern bleiben, einer Gruppe ehemaliger Aeon Priester, die sich inzwischen aber hauptsächlich mit Besitzansprüchen in der Gegend beschäftigen, auch wenn sie ab und zu noch Numenera aus dem Inneren des Riesen untersuchen.“
Bei der Erwähnung von neuen Numenera leuchteten die Augen Swils merklich auf.
„Die Finder wissen, dass du kommst und werden dich freundlich aufnehmen. Dir wird es dort gefallen, aber du wirst dort nicht lange bleiben.“
Swil schaute überrascht und setzte an. „Wieso...“
Mustafa schenkte der Unterbrechung keine Beachtung. „Sie werden mit dir ein paar Erkenntnisse teilen und dich dann zum Ziel deiner Reise, nach Everen, einem kleineren Dorf in der Nähe von Veriton, zu deinem neuen Lehrer bringen. Dieser heisst Yrk und behauptet von sich selbst - was im Allgemeinen auch geglaubt wird – dass er nicht von dieser Welt stammt und vor seinesgleichen geflüchtet ist. Seine ungewöhnlich blaue Hautfarbe, sowie sein immenses Wissen über Artefakte und Numenera, machen seine Geschichte glaubwürdig. Aber lass dich nicht täuschen. Er ist so sehr Mensch wie du und ich. Aber das wissen nur wenige und du solltest sein Spiel einfach mitspielen. Du wirst von ihm viel lernen können und Yrk wird – aufgrund seiner kleinen Mär – von den meisten Menschen gemieden. Das heisst, ihr werdet ungestört arbeiten können.“
„Wenn du deine Sachen fertig gepackt hast, kannst du mir noch mit der Maschinenintelligenz helfen. Heute Abend gibt es dein Lieblingsessen, Krebseintopf. Und nun ab.“
Swil, der aufgeregt und ungeduldig von einem auf das andere Bein trat, grinste und nahm den Brief entgegen. "Mache ich. Und Danke! Für Alles!" Eilig lief Swil die Treppen nach oben und wäre fast über seine langen Beine gestolpert.
„Ich werde ihn vermissen“, gestand sich der alte Aeon Priester ein.
Und tatsächlich gelang es den beiden, der alten Maschinenintelligenz ihr Geheimnis zu entlocken.
Nach dem Frühstück brach Swil Graska auf.
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Das Boot glitt geräuschlos über das Wasser während die letzten Sonnenstrahlen die steil aufragenden Wände der Schlucht rot färbten.
Trotz Windstille waren die Segel leicht gewölbt und das Wasser kräuselte sich am Ruderblatt im Heck und hinter den an Backbord und Steuerbord weit ausladenden Auslegern. Nicht mehr lange und Hakon würde zusammen mit Wurbel und R'Laarg die Segel für die Nacht einholen. Bjarni entzündete bereits die Positionslichter und kümmerte sich um die Beleuchtung Mittschiffs. Reyena und Oberyn bereiteten das Abendessen vor. Wie immer neugierig beäugt vom Thuman Reyenas, der sich in der Nähe des Steuerrades abgelegt hatte.
Lächelnd tätschelte Deymish – Kapitän des Schiffes – dem Thuman, der auf den Namen Moko hörte, den Kopf. Zunächst war Deymish äußerst skeptisch gewesen, ein Tier mit an Bord zu nehmen. Doch aus der Not und einer guten Laune heraus hatte er schließlich eingewilligt.
Deymish hatte Freude daran zuzusehen, wie gut sich die Landratten nach wenigen Tagen in seine eigene Crew einfügten und als gemeinsames Team agierten. Kaum zu glauben, dass sie erst vor drei Tagen von Veriton aufgebrochen waren und die Neuen keinerlei Vorwissen über Seefahrt mitbrachten.
Deymish strich durch seinen Bart und korrigierte den Kurs. Die Reise verlief bisher ohne Zwischenfälle. Das freute ihn! Aber das könnte sich noch ändern. Bisher waren sie auch nur an Quintas vorbeigekommen. Einer Stadt, die sich an die mit Moos bewachsenen Überreste eines Torus förmigen Objektes anschmiegte. Interessiert hatte ihn Wurbel über den Torus ausgefragt, doch leider konnte Deymish ihm nichts darüber erzählen. Er fand Quintas langweilig. Fischer und Moosesser. Langweilige Leute und nie irgendwelche Aufträge. Langweilig – Ja. Aber immerhin nicht gefährlich wie die Passage bei Tirrum. Er wusste schon warum er seine Crew aufgestockt hatte.
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Vor wenigen Stunden waren sie in die Kanäle eingefahren. Der Anblick der steilen Wände mit ihren geraden Flußstücken, die den natürlich mäandernden Fluß so plötzlich ablösten war immer wieder Atem beraubend. Und als die ersten zunächst undeutlich zu erkennenden Gesichter auftauchten, die vor Ewigkeiten in die hohen Flanken gehauen worden waren, gab es eine Zeit lang kein anderes Thema mehr, als dieses, wer wohl solche riesigen, fremdartigen Gesichter in den Fels geschlagen habe. Und zu welchen Zweck. Und wie überhaupt. Und warum.
Als sich die Felswände vom Rot der Abendsonne schließlich doch über Blautöne zum Schwarz der Nacht verfärbten, rief Deymish endlich die erwarteten Befehle zum Segel einholen. Kurze Zeit später saß man in geselliger Runde auf dem beleuchten Deck zusammen.
Deymish nahm einen kräftigen Schluck Wein, strich mit beiden Händen durch seinen blonden Bart, und schaute mit seinen blonden Augen in die Runde.
„Nachdem wir nun schon einige Tage zusammen segeln und ich euch die letzten Abende mit Geschichten aus Guran unterhalten habe, finde ich, dass es langsam an der Zeit ist, dass ihr uns etwas über euch erzählt. Von euch sieht mir einzig R'Laarg so aus, als ob er sich gerne mal als Wache oder als helfende Hand anheuern ließe. Ihr anderen macht nicht gerade den Eindruck, dass ihr euch für nur drei Shins pro Tag gern Schwielen an den Händen holt. Mir kann es ja eigentlich egal sein. Ihr macht Eure Arbeit gut und gefährlich sehr ihr auch nicht gerade aus. Neugierig bin ich aber schon.“
Der breitschultrige Kapitän lachte laut, aber nicht unfreundlich und fuhr fort.
„Also, was treibt euch an? Ist es die Lust am Abenteuer? Oder wolltet ihr einfach nur mal Redstone sehen?“
(http://numenera.pbworks.com/f/1376066630/Seshar.jpg)