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Das Klingeln der Türglocken unterbricht die Stille im winzigen Antiquitätengeschäft. Hito beachtet die Regale mit teuren Asiatischen Gegenständen, manche sicherlich Jahrhunderte alt, nicht. Stattdessen geht er zielstrebig auf den Ladenbesitzer zu.
"Ukiko," beginnt er rasch, "Ich bin hier um Ukiko zu treffen. Wir sind verabredet."
Der alte Mann hinter der Theke mustert seinen Kunden eingehend. Durchnässt vom draußen tobenden Sturm tropft Wasser von Hitos Mantel auf den Boden. Er scheint es nicht einmal zu bemerken. Wortlos deutet der Besitzer auf einen verhangenen Eingang im hinteren Bereich seines Ladens.
Hito dankt ihm murmelnd bevor er rasch das Geschäft durchquert und den Vorhang - der schwerer ist als er aussieht - zur Seite schiebt und in den abgedunkelten Raum dahinter eintritt.
Eine einzelne, dicke Kerze beleuchtet einen kleinen, runden Tisch vor ihm, von dessen anderer Seite das runzelige Gesicht einer alten Frau entgegenblickt. Die tanzenden Schatten die über ihre Falten huschen lassen sie seltsam unwirklich erscheinen.
"Mr. Hito," begrüßt sie ihn auf Japanisch, "bitte setzen sie sich. Haben sie das Foto?"
"Ja, und die Hundert Dollar auch." Er greift nach seiner Brieftasche, aber die alte Frau hält ihn mit einer Geste zurück.
"Das Foto, Mr. Hito."
Hito schiebt ein Polaroidbild über den Tisch, es zeigt eine junge, attraktive Frau welche kritisch in die Kamera blickt. Nur in ihren Augen ist ein Lachen zu erkennen. Ukiko hält das Bild dicht vor ihr Gesicht, sie blinzelt, dann schließt sie ihre Augen und schnuppert daran.
"Wie heißt ihre Tochter, Mr. Hito?"
"Kay."
"Und wann wurde das Bild gemacht?"
"Kurz bevor sie gegangen ist. Sie hatte die Kamera gerade gekauft..."
Hito bricht ab als er merkt das etwas vor sich geht. Ukiko hat ihre Augen nicht geöffnet, aber sie rollen wild hinter ihren geschlossenen Lidern hin und her. Ihre Knöchel treten weiß hervor als sie das Foto mit zitternden Händen umklammert. Ein Ausdruck des Schreckens verzerrt ihr Gesicht.
"Nein!" flüstert sie.
Das Licht der Kerze flammt auf. Ukiko schüttelt heftig ihren Kopf, Tränen laufen über ihr Gesicht. Sie schreit auf, die Tränen hinterlassen rote Spuren auf ihren Wangen.
"Was ist? Ist Kay in Gefahr? Sagen sie es mir, ich muss es wissen!"
"Nein!"
Die alte Frau wirft das Foto zurück und springt auf.
"Gehen sie, Mr. Hito. Gehen sie jetzt und kommen sie nie wieder!"
"Aber was ist mit Kay? Was haben sie gesehen?"
"Gehen sie, Mr. Hito, gehen sie nach Hause!"
Hito widersteht dem Drang die alte Frau zu packen und durchzuschütteln.
"Verdammt noch mal, was haben sie gesehen?!"
Ukiko beißt sich auf ihre zitternden Lippen und schüttelt den Kopf.
"Ihre Tochter gehört dem Dämon, Mr. Hito. Und nun tun sie das auch."
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Als Nic die Briefe erwähnt, greift Æringa in die rechte Manteltasche und holt einen Umschlag heraus. "Ich hab den Brief ja dabei. Mir hat er auch was von einer weisen Frau geschrieben, aber ich glaub', er hat gar nicht erwähnt wo sie zu finden ist," meint sie, als sie das beschriebene Papier aus dem Kuvert zieht und es entfaltet. Bald können Richard und Nicholas folgenden Text erkennen:
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Liebe Aeringa.
ich schreibe dir weil ich denke dass du eine von wenigen bist die mir helfen können. Ich erfuhr von deinem Aufenthalt hier in San Francisco und ich hoffe sehr das ich bei dir die richtige Ansprechpartnerin habe. Wenn du der Meinung bist mir nicht helfen zu können, entschuldige ich mich für die Störung und möchte das du dir nicht wegen meiner Angelegenheiten Sorgen bereitest.
Deine Brieffreundin, meine Tochter Kay ist verschwunden. Vor fünf Wochen hat sie die Stadt verlassen um in das Bergdorf Still Mountain zu ziehen. Mein Bruder, Nakamura ist Imker dort. Nun habe erfahren dass sie dort seit drei Wochen nicht mehr aufgetaucht ist, und zurück nach San Francisco ist sie auch nicht gekommen.
Aber was mich wirklich beunruhigt ist dass vor zwei Wochen ein Mann von Still Mountain aus bei mir angerufen hat. Er hat mich persönliche Dinge über Kays Kindheit, ihre Ängste und ihre Mutter gefragt. Als ich mich geweigert habe ihm zu antworten wurde er wütend und ein Schauer lief mir den Rücken hinunter! Niemals zuvor habe ich das Böse kennengelernt, aber dies war zweifellos die Stimme eines Dämons!
Seinen Namen hat er nicht genannt. Dann habe ich sofort meinen Bruder kontaktiert.
Ich habe eine weise Frau aufgesucht und sie hat mir bestätigt dass dunkle Mächte am Werk sind und meine Tochter bedrohen. Ich bin kein junger Mann mehr. Doch du bist eine von wenigen der meine Tochter vertraut hat, sie hat mir oft von deinen Briefen vorgelesen. In dir sind Freunschaft und, wie ich gehört habe, altehrwürdige Kampfkraft vereint. Wenn jemand in der Lage sein sollte dem Bösen in dessen Klauen Kay ist die Stirn zu bieten, dann du!
Ich bin kein reicher Mann, aber ich werde für alle deine Kosten aufkommen. Wenn du bereit bist mir, oder eher Kay zu helfen, triff mich um 16.00Uhr am Teich des Lafayette Parks, Ecke Laguna St./California St. Da werde ich dir alles weitere erläutern.
Hochachtungsvoll,
Ken Hito
"So sieht's aus," merkt die Goth an, Verwirrung und Unsicherheit sind aus ihrer Stimme herauszuhören, "eigentlich hätte Mr. Hito selbst uns ja alle Einzelheiten erklären sollen, aber dann hat ihn jemand aus dem Weg geräumt." Ihr fällt auf einmal etwas ein, weshalb sie geqäult mit den Augen rollt und klagt: "Mist! Ich hätte die Leiche ja untersuchen können, von wegen wann er ermordet wurde! Wofür studiere ich den Kram eigentlich?! Ich glaub' kaum, dass die blöde Polizei hier das gescheit hinbekommt," ein wenig paranoid schaut die junge Frau sich um. "Den traue ich eher zu, dass sie andere Leute belauschen, weil sie nichts zu tun haben..."
Æringa erschrickt zunächst ob des unerwarteten Auftauchens des Imkers, lächelt dann aber bitter in sich hinein. "Sei doch kein Angsthase, bald läufst du noch vor deinem eigenen Schatten davon... Auch wenn hier alles Kopf steht, übertreibst du aber..."
Einschätzend mustert sie den Mann - hat Kay also bei ihm hier gewohnt? Und was sollen wir ihm über Mr. Ken Hito sagen? - ehe sie sich traut, ihn - auf japanisch - anzusprechen: "Ohayou gozaimasu! Ánata wa Hito-san desu ka? Kay-san wo sagashimasu wa shi... kanojo ga saku anata de osumimashita, omou..."*
*Spoiler (Anzeigen)"Guten Morgen! Sie sind Mr. Hito? Wir suchen nach Kay...sie hat doch neulich bei ihnen gewohnt, soweit ich weiß..."
Die wortkarge Art des Imkers, sowie seine melancholische, ja depressionsverbreitende Ausstrahlung irritieren Æringa sehr. "Seine Nichte, die bis vor kurzem noch beim gewohnt hat, ist verschwunden, und *so* reagiert er?!" Die drückenden Kopfschmerzen machen es der Goth nicht leichter, sich zu konzentrieren.
"Gomen nasai, atashi no atama ga zutto itai,"* entschuldigt sie sich, und bringt es endlich zustande, dem Mann zu erklären, was die drei eigentlich zu ihm geführt hat: "Ihre Nichte, Kay, war ja neulich bei Ihnen, so hat es zumidest Mr. Ken Hito gesagt... also eigentlich geschrieben. Er war übrigens mein Großonkel... Oh, entschuldigen Sie, ich bin Æringa Égilsson. Habe ich "war" gesagt? Ja,.." die Miene der jungen Frau verdüstert sich noch mehr, sie senkt den Blick und kaut nervös auf der Unterlippe, ehe sie sich wagt, die schreckliche Wahrheit zu erzählen. "Es tut mir sehr Leid, Ihnen das erzählen zu müssen, aber Ihr Bruder... er... er wurde vor drei Tagen ermordet. DIe Polizei befindet sich auf der Suche nach dem Täter," fügt sie hastig hinzu, vielmehr um sich vom Schluchzen abzuhalten, "und wir... nun, Mr. Hito hatte uns vor einigen Tagen um Hilfe gebeten, da Kay vermisst war... Da Sie der Letzte aus der Familie sind, der sie gesehen haben soll, wollten wir Euch deshalb fragen... Bitte, sagen Sie uns, hat was nicht gestimmt mit Kay? Wann ist sie denn verschwunden?"
*
"Ein Polizist? Hier? Woher? Det ska ju bli roligt...*" Nicht genug, dass sie wirklich sehr überrascht ist, einen Gesetzeshüter auf der Suche nach Kay genau hier und genau jetzt anzutreffen, dazu erinnert sich Æringa nur zu gut an die Begegnung mit den "unkomplizierten" und "kompetenten" Beamten in Ken Hitos Haus.
Tief durchatmend, richtet die Goth ihren Blick auf den Polizisten, im vergeblichen Versuch, in seine Augen zu schauen. Sie weiß nicht so recht, ob sie ihm die Erkenntnisse der drei autischen soll - immerhin hat die letzte ehrliche Beichte mit einigen verschwendeten Stunden im Department geendet. "Wir...Also was mich angeht, so bin ich mit Kay verwandt," spricht die junge Frau langsam und entschieden; wieder einmal kommt ihr Akzent deutlich zum Tragen, "und meine Begleiter hier haben sie auch gut gekannt." Mehr verrät die Schwedin nicht, sondern starrt den muskulösen Cop einschätzend an - selbst als sie mit einer Handgeste auf Nic und Richard deutet.
"Mein Name ist Thomas Craig." Er zieht eine Visitenkarte und reicht diese seinem Gegenüber, wobei er ein Zittern nicht unterdrücken kann.
Narr, jetzt reiß dich zusammen.
"Mr. Hito hat mich beauftragt Ms. Hito zu suchen. Leider konnte ich nicht viel herausfinden - es würde mich freuen, wenn wir die Informationen zusammentragen würden. Ich mache mir wirklich Sorgen um das Mädchen."
Er zuckt mit den Schultern.
"Sie konnten doch bestimmt noch mit Nakamura Hito sprechen. Hatte er Informationen die hilfreich sind?"
Als er realisiert, dass die anderen drei Ermittler vom Tod des Imkers nichts wissen, schluckt er einmal und fügt etwas leiser hinzu: "Es tut mir Leid, aber ich muss ihnen mitteilen, dass Nakamura Hito vorhin verstorben ist. Es scheint, als hätten seine Bienen ihn zu Tode gestochen..."
Als Nicholas das Panel klickend entriegelt und es mit erstaunlicher Leichtigkeit in die Küche hinein aufzieht weht den vier Ermittlern ein kühler Luftzug entgegen. Und dieser bringt mit sich jenen fremdartigen, beunruhigenden Geruch der auch den Schauplätzen der drei bizarren Morde anhaftete - nur ungleich lebendiger, schwerer und ekelerregender.
Die Dunkelheit welche aus dem schwarzen Felsengang hervorgähnt wirkt erdrückend und lauernd. Der unebene, grob gehauene Gang scheint weit in den Berg hineinzuführen...
Da fällt den vieren ein seltsames, in einem herabhängenden Tropfstein gekerbtes Zeichen auf. Mit jeder Sekunde scheint es deutlicher zu werden, ja sogar von einem inneren, leichenweißen Licht zu glimmen, bis es schließlich drohend, in klaren, einfachen Linien, aus dem tiefen Gang hervorstarrt.
"K...Kay?," stammelt Æringa verängstigt, als sie die grotesk ausbalancierte Gestalt erblickt; ihr Verstand wehrt sich vehement dagegen, das Gesehene als wahr anzuerkennen. "...kann nicht sein...wir sind doch...sind doch...nicht etwa wieder zu spät?" Nur der tiefe Schock hindert sie daran, den noch winzigen Tränen in ihren Augenwinkeln Stimme zu verleihen.
Das Vorhaben der Goth, zum leblosen, entwürdigten Körper ihrer langjährigen Brieffreundin zu rennen, wird durch den nächsten Schreck in die Untiefen des Vergessens befördert, als eine vertraute, und doch furchteinflößende Stimme die Ermittler mit den Worten begrüßt, die die Pforte von Dante Alighieris Hölle zieren. "Hölle? Ist das die Hölle? Das ist reiner Wahnsinn!" Unzählige Emotionen kreischen im Kopf der Medizinstudentin, jede schreit mit eigener Stimme, jede verlangt dringlichst etwas anderes... Wegrennen? Kämpfen? Selbstmord? Gleichgültigkeit?
"Kage?," ungläubig starrt die Schwedin dem Mönch entegegen. Hat sich hinter der Maske eines freundlichen, alten Herrn ein solches Monstrum verborgen? "Nani wo shimashita ka? Nanimono ga desu ka, anata?!*" fragt sie den rätselhaften Mann auf Japanisch, mit einer Stimme so kalt, wie es der Winter in Schweden ist.