„Eure Tochter ist ein wahres Kind ihres Landes, General,“ sprach Kriegsmarschall Dorev lachend zu einem seiner fähigsten Untergebenen, Generall Lutnir von Rottmulde, Befehlshaber der Knochenlöwen-Legion, und klopfte diesem kameradschaftlich auf die Schulter. „Erzieht sie streng, aber lehrreich, und Ihr werdet bald stolz auf sie sein können. Die Tore der Atur-Akademie stehen offen für so talentierte Sprößlinge wie sie.“
„Danke, Herr Marschall. Meine Gemahlin hat ihr allerdings geholfen,“ erwiderte der stattliche, schwergerüstete Mann mit langem, ergrauendem Haar und stechenden, blauen Augen. Er dachte an seine Familie, die noch im vom Krieg halbwegs verschonten Dörflein Rottmulde auf seine Rückkehrt wartete. Wie das ganze Dorf auch auf seine Rückkehr wartete - auf den siegreichen Kriegsherr, der den flammenfürchtigen Abschaum für immer aus der Gegend vertreiben würde. Er dachte an seine jüngste Tochter - zartes Wesen von gerade mal vierzehn Sommern - und ihre letzte Errungenschaft, die den Marschall so amüsiert hat. Wie seine Gattin - selbst eine Absolventin der Akademie von Atur, in der Totenbeschwörung und Dämonenbindung wie Lesen und Schreiben unterrichtet wurden - im neusten Brief erzählt hat, hatte die Kleine den frisch verstorbenen Familienhund zurück ins Leben gerufen. Oder, besser gesagt, ins Unleben.
Ein wahres Kind ihres Landes.
Es war bereits Frühwinter, als Generall Lutnir nach Rottmulde einkehrte, an der Spitze seiner Knochenlöwen-Legion. Sein graues Haar wehte immer noch bannergleich im Wind, doch die ehemals klaren blauen Augen steckten nun vertrocknet in den Höhlen, und Fleisch bedeckte nur noch stellenweise seine gelblichen Knochen. Nicht als Held noch als Vater kehrte er zurück, sondern als ewiger Krieger. Als Schreckensmarschall von Karrnath.
Sein jüngstes Kind störte sich nicht an den kantigen Knochen oder präpariertem Fleisch, es fiel ihm in heller Freude um den Hals, schmuddelig, zerzaust, aber glücklich. Seltsam nur, dass er ihre Freud und Leid kaum spüren konnte. Der Dienst über den Tod hinaus hatte aus ihm ein teilnahmsloses Wesen gemacht.
Dennoch, die Pflicht rief ihn, das Kind, sowie die ganze Siedlung zu schützen, und so begannen die mühseligen Vorbereitungen, angespornt von unerfreulichen Berichten über den vorrückenden Feind. Fast wären sie vergeblich gewesen, denn die Thraner stießen eher vor, als erwartet. Selbst das untote Herz General Lutnirs brannte heiß inmitten der heftigsten Gefechte; auch seine jüngste Tochter ließ es nicht unberührt. Die Kämpfe uferten über die weiten Felder hinaus, und viele Dorfhäuser brannten schon in der ersten Nacht. Die Streiter der Silberflamme und die Knochenlöwen-Legion fochten einander in den schlammigen Straßen, die bald vor Leichen überquollen - in Karrnath jedoch nie sehr lange.
Ein jeder Dorfbewohner war gezwungen, sein Hab, Gut und Leben selbst nach Kräften zu verteidigen. Nicht anders erging es der kleinen Tochter General Lutnirs, die die Gottesmänner Thranes mit finsteren Kräften schockierte, die sie nie bei einem Kind erwartet hätten. Gewandet in ergattertes Knochenlöwen-Rüstzeug, kämpfte sie verbissen für ihr Heim, ihre älteren Geschwister, ihre lieben Mutter und Vater. Dieser sah die Prophezeiung seines früheren Strategen erfüllt: er konnte auf sein jüngstes Kind wahrlich stolz sein.
Nichts davon vermochte jedoch, Rottmulde zu retten. Die Legion der Karrn wurde zurückgeworfen, und das ruinengleiche Dorf wäre nicht einmal für Zombies ein bewohnbarer Ort gewesen. So sehr sie ihren Vater nicht im Stich lassen wollte, musste Aschenlilie - wie die blutjunge Schwarzkünstlerin mit Spitznamen genannt wurde - auf seine Bitte hin auf die fliehende Familie Acht geben.
Die Flüchtlinge, zu denen Lutnirs jüngste Tochter gehörte, zogen auf dem Wasserweg nach den weniger heftig umkämpften Landen, doch die Suche danach verdammte sie zu einer Irrfahrt, denn der Krieg musste noch viele Monde andauern. Nicht alle haben das entbehrungsreiche Nomadenleben überstanden, doch Aschenlilie trauerte nie um die Verblichenen. Sie bedauerte bloß, dass sie nicht antworteten, wenn sie mit ihnen sprach. Immerhin blieb ihr die eigene Familie noch eine Weile lang erhalten, und sie fühlte sich nicht ganz einsam.
Dann aber, urplötzlich, war der Krieg zu Ende, die Waffen wurden niedergelegt und man reichte sich scheinbar freundlich die Hände, im Bestreben, friedlich miteinander zu leben. Die meisten Flüchtlinge empfanden mehr als nur Misstrauen dabei, doch sie nutzen die Gelegenheit, sich endlich in Nordost-Breland niederzulassen, um sich zumindest vorübergehende Ruhe zu gönnen. Einige zogen gar noch weiter nach Westen, und Lutnirs Familie gehörte dazu.
Doch der Frieden hatte sie betrogen.
Statt des verdienten, hart umkämpften ruhigen Lebens fanden sie auf ihrer Reise den Tod, durch gnadenlose, unerbittliche Klingen der verblendeten Krieger der Silberflamme. Für einige wenige hatte der Krieg gegen die verhasste Finsternis nie geendet, und selbst zerlumpte fliehende Familien aus Karrnath waren für sie nichts weniger, als das reine Böse.
Aschenlilie würde den Morgen nie vergessen, als die heiligen Häscher ihr die Lieben genommen hatten, noch bevor sie erwachte. Alles was sie tun konnte, war zu fliehen - rasch und ohne sich umzusehen. Sie gab es nach wenigen Tagen auf, Meilen zu zählen, während sie sich die Füße wund lief und sich fest vornahm, die Getöteten jener Nacht zurückzurufen, damit diese das Leben beanspruchen könnten, das ihnen gestohlen wurde. Beinahe bis an die Grenze Droaams führte sie die Flucht, wo sie sich, von monatelanger Wanderung erschöpft, in einem kleinen Städtchen niederließ, um sich teils mit Betteln, teils mit Stehlen, teils mit Goblin- oder Koboldkopfgeld das tägliche Brot zu verdienen.
Spoiler (Anzeigen)
Vater: Lutnir Kaldarev, genannt von Rottmulde;, General, später Marschall der Knochenlöwenlegion von Karrnath. * 846 YK , †/animiert 894 YK
Mutter: Dalira Kaldarev (http://tn3-2.deviantart.com/fs28/300W/f/2008/126/9/b/Dalira_Kaldarev_by_aeringa_jordsdottir.jpg), geboren Radonitz; Absolventin der Akademie von Atur. * 854 YK, † 896 YK
Älteste Schwester: Kifanah (http://tn3-1.deviantart.com/fs26/300W/f/2008/125/8/a/Kifanah_by_aeringa_jordsdottir.jpg). * 872 YK, † 896 YK
Ältere Schwester: Vejime. * 874 YK, † 896 YK
Älterer Bruder: Xemred (http://fc03.deviantart.com/fs29/f/2008/146/e/d/Xemred_by_aeringa_jordsdottir.jpg); Mitglied der Miliz von Rottmulde. * 875 YK, † 896 YK
Ältere Schwester: Jani (http://fc02.deviantart.com/fs28/f/2008/048/5/7/I__m_Dead__Now_what__by_aeringa_jordsdottir.jpg). * 878 YK, † 896 YK
Älterer Bruder: Hreidmar (http://tn3-1.deviantart.com/fs28/300W/f/2008/091/4/2/Hreidmar_by_aeringa_jordsdottir.jpg). *879 YK, † 896 YK