Schimmernde Ebenen (Karrnath)
14. Barrakas 998 NBK
Stürmische Nacht:
Rauh und unerbitterlich treiben die nassen Winde vom Meer herab über die weiten Öden im nördlichen Karrnath. Flache, endlose Ebenen erstrecken sich, soweit das Auge reicht.
Eine kleine Karawane bahnt sich ihren Weg durch die Öden. Schon lange hat sie die Straßen und somit das gesicherte Gebiet der patroullierenden Königsklingen verlassen. Die Ländereien Karrnaths haben den Ruf, die sichersten auf ganz Khorvaire zu sein.
Dennoch ist dies kein Grund für die Karrnithen, nicht auf der Hut zu sein.
Weder das Eisenwurzelgebirge im Osten, noch die Eiswälder im Norden oder gar der Syberisschweif himmelwärts, sind durch den dunstigen Schleier der Nacht und des schlechten Wetters zu erkennen. Dennoch überzieht ein Schimmern die weiten Ebenen des rauhen Nordens. Die vollen, ewigen Graswiesen werden von einer nassen, frostigweißen Schicht überzogen, welcher die Landschaft, im Kontrast zum düsterem Himmel schwach aufglimmen lässt.
Die Karawane, bestehend aus zwei Kutschen, wird flankiert von vier Reitern. Wie ein Leuchtfeuer wirkt sie durch ihre immerhellen Laternen in der Wetterverzerrten Dunkelheit. Bald wird die Karawane die Eissee passieren.
Ein weiterer Reiter in robuster Fellbekleidung, reitet geschwind auf die Karawane aus der Gegenrichtung zu.
"Erstatte Bericht Lady Vanamir: Keine Gefahren im Radius von einer Meile."
Der Soldat, dessen kälteresistente Bekleidung die Zeichen der karrnischen Armee aufweist salutiert respektvoll.
Er wendet sich schließlich ab und tauscht mit einem anderen Reiter Position, worauf Letzterer sich daran macht, der Karawane vorauszureiten, um das dunkle Land zu erkunden.
Der jetzige Kundschafter wird die Brücke, welche es erlaubt die Eissee zu passieren, überprüfen. Bald ist die Karawane sechzehn Stunden unterwegs und müsste trotz des Unwetters rasten. Doch dies sind Karrn, robuste Leute des Nordens, welche sich den frostigen Winden trotzend entgegenstellen.
Ritter Camille Vanamir lässt ihren Blick in die regnerisch, verzerrte Ferne schweifen.
Spoiler (Anzeigen) Sie hat einen kräftigen Körperbau und auch ihr Händedruck ist fest. Trotz dieser Merkmale ist die Frau nicht häßlich. Ihr schwarzes Haar ist gepflegt, ihre Ausrüstung in bestem Zustand und auch ihr Schlachtross Onyx, ein schwarzer Hengst ist gut gepflegt und zeigt deutlich, dass die Reiterin viel von ihrem Tier hält. Das die Frau das Tier so genannt hat wie den Ring den sie als Angehörige des Ordens von Rekkenmark trägtl, ist eine Eitelkeit, aber sie ist im Grunde nicht abgeneigt ihre Ziele deutlich und verständlich für alle zu verkünden. Dass sie dies eigentlich nur macht, weil sie selbst die Fallstricke von komplexen Reden verhindern will, wird deutlich, wenn sie das Wort ergreift.
Der Wortschatz der Frau ist eher schlicht und es wird deutlich, dass die Frau vielleicht eine gute Kämpferin sein mag, aber eine besonders intelligente Frau ist sie sicherlich nicht. Aus schwierigen Unterhaltungen versucht sie sich daher mit Zitaten aus dem Schwur des Ordens der Rekkenmark zu retten. Sie glaubt, dass dieser Schwur für alle Lagen des Lebens die richtige Antwort parat hat. Dadurch ist der Schwur ihr Anker in der seltsamen Zeit geworden, die nach dem Ende des Krieges nun herrscht.
Die Frau trägt den Ordensring am Ringfinger ihrer Rechten Hand. Wenn sie im Feld ist, ist er daher durch die Handschuhe ihrer Rüstung verdeckt. Wenn sie sich aber in einer Stadt aufhält, hat sie die Handschuhe in den Gürtel gesteckt und ihr Ring ist deutlich sichtbar zu erkennen. Die Frau hält nichts davon andere über ihren Stand im Unklaren zu lassen.
Die Karrn wurde von ihrem Orden nach Narrath, der Stadt der Geister entsendet. In jene kleine Stadt, welche wirtschaftlich gedeiht und an Bedeutung für das kalte Land gewinnt. Es heißt, dort würde in Kürze die gesamte Stadt das Fest der Längsten Nacht feiern. Das örtlich stationierte Militär sei für die großen Festlichkeiten knapp unterbesetzt. Dennoch weiß Camille bisher nicht, was sie dort erwartet. Kaptain Julian Helstrom würde sie bereits in der Kaserne erwarten und ihr weitere Befehle erteilen.
Zunächst trägt die Karrn jedoch Verantwortung für die kleine Karawane. Zwei Wagons, welche jeweils einem Händler gehören, gilt es, sicher nach Narrath zu eskortieren. Der eine ein zwergischer Kunsthandwerker, der andere ein aundairischer Alchemist. Zum Schutze wurden ihr vier Soldaten von Rekkenmark´s Militär zur Verfügung gestellt - keine Mitglieder ihres Ordens, jedoch immer noch karrnische Soldaten, welche als die besten der fünf Nationen gelten.
"Euer erster Besuch in der Stadt der Geister, Lady Vanamir? Ich sags euch, die Lhazaaner und die bleichen Voodooelfen kaufen jeden Quatsch. Im letzten Barrakas war ich bereits dort. Bei Kol Korran´s dicker Wampe, dass wird ein Geschäft."
Trotz der Dunkelheit kann die Ritterin die in Vorfreude funkelnden Augen des in einen edlen Fellmantel gekleideten, Zwergischen Kaufmannes wahrnehmen. Der wohlbeleibte Zwerg sitzt auf dem Kutschbock des vorderen Wagons, während die Karrn auf ihrem prächtig, schwarzem Reittier auf gleicher Ebene mit ihm ist.
"Soll ich den Ort überprüfen, Lady Vanamir?"
Fragt ein Reiter auf die Warnung hin Camille.
Ungefähr zeitgleich lugt der erstaunt wirkende Kopf eines edel gekleideten Zwergen hinter dem vorderem Kutschbock hervor:
"Pah, gerade als unsere philosophische Debatte interessant wurde, müsst ihr Gefahren entdecken!"
Der Zwergenkopf verschwindet wieder.
Einige hundert Meter entfernt ist noch jemand anderes auf die Kaltfeuerlaternen der kleinen Karawane aufmerksam geworden. Spoiler (Anzeigen) Sein kahler von der Sonne verbrannter Kopf betont die gebräunte Maskulinität seines Körpers. Kontrollierte Kraft spricht aus seinen Bewegungen und dennoch schimmert etwas wie Intelligenz in den kalten blauen Augen. Auch wenn er deshalb bedrohlich oder unfreundlich auf diejenigen wirkt, die er das erstemal trifft, kann man doch etwas bärig-knuddeligges unter der Oberfläche entdecken, oder sogar väterliches, wenn man sich nur die Zeit dafür nimmt.
Gekleidet ist der riesige Mann, der ein Fass heruntergeschluckt haben muss, so wirkt sein Brustkorb, in ein Kettenhemd, welches jedoch unter einem großen braunen Tierfell verborgen wird, welches er über seine Schulter drapiert hat. Der Rest seines Körpers ist entblößt, außer die Füße die in dicken ledernen Stiefeln stecken.
An seiner linken Hüftseite hängt die breite geschwungene Klinge eines Falchon und daneben ein Flegel, mit offenbar sehr schweren Kopf, der aber, solang er im Gürtel seines Besitzers steckt, mit einem Lederband am Stiel der Waffe festgebunden ist.
Neben Rucksack und Bettrolle, die er auf dem Rücken auf dem Tierfell trägt und die daraufhin deuten, dass er viel unterwegs ist, hat er dort drei Wurfspeere verstaut, die einen leicht primitiven Eindruck erwecken.
Seit Tagen wurde er durch die Karrnwälder von den Agenten der Silbernen Flamme verfolgt. Immer wieder wurde seine Pfärte entdeckt. Es gibt nur wenig Gründe für die Kirche, ein Ziel über die karrnische Grenze zu verfolgen. Dieser Mann scheint einer dieser Gründe zu sein.
Zu seinem Glück hat er seit Tagen nichts mehr von seinen Verfolgern mitbekommen. Dafür hat er sich an das rauhe Wetter und die Eiseskälte in Karrnath zu gewöhnen - kein Vergleich zum feuchtwarmen Klima der Marschen.
Durch Zufall hat er über die wieder auferstehende Stadt Narrath gehört, welche gute Schiffsanbindungen bietet. Vielleicht würde er dort eine Passage bis in die Marschen bekommen.
Dennoch steht der Marschenländer kurz vor der Erschöpfung, nachdem er fast einen Tag lang ununterbrochen gereist ist.